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Tageswerk. Eine Frau setzt 1957 in Großbritannien eine Schreibmaschine zusammen.

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Mütter und Arbeit: Für die Karriere

Viele Frauen wollen zurück in den Beruf. Was Firmen dafür tun und was Mütter sich wünschen.

Mehr Ganztagsbetreuung, mehr Kitaplätze, mehr Elterngeld – die Liste der Forderungen an die Politik ist lang, wenn es um die Unterstützung von Familien geht. Doch Eltern sehen auch die Wirtschaft in der Pflicht, sich für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu engagieren, wie eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt. 84 Prozent der Bevölkerung wünschen sich demnach weitere Anstrengungen der Firmen, nur fünf Prozent halten die bisherigen Bemühungen für ausreichend.

Das Potenzial, auf das die Unternehmen zurückgreifen könnten, ist groß: Rund 6,3 Millionen Frauen zwischen 20 und 65 Jahren sind laut dem Statistischen Bundesamt in Deutschland nicht berufstätig – viele mit mittlerer oder hoher Qualifikation. Das Bundesarbeitministerium hat errechnet, dass 1,2 Millionen nicht erwerbstätige Mütter in den Beruf zurückkehren könnten, wenn die Betreuung verbessert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert würde. Dass viele das auch wollen, haben die Forscher von Allenbach ebenfalls ermittelt. 37 Prozent der Mütter ohne Job wären einer Studie des Instituts zufolge gerne berufstätig, 34 Prozent der Frauen mit Teilzeitjob möchten mehr arbeiten. Derzeit sind in Deutschland knapp die Hälfte aller Frauen teilzeitbeschäftigt.

Ein Umdenken hat bei vielen Unternehmen schon stattgefunden, flexible Arbeitszeitmodelle oder Telearbeit nehmen zu. Einige Arbeitgeber – von großen Konzernen bis zu kleinen Betrieben – bieten zudem besondere Projekte für ihre Mitarbeiter mit Kindern an.

So hat der Autobauer Volkswagen mit der Stadt Wolfsburg und dem Wolfsburger Familienservice eine Notfallbetreuung organisiert, die Eltern rund um die Uhr nutzen können. Bis zu zwei Tage lang können die Kinder zu Hause versorgt werden, wenn etwa die Kita außer der Reihe geschlossen bleibt oder die Tagesmutter krank wird. Auch in den Ferien, die Eltern schwer überbrücken können, bietet das Unternehmen ein Betreuungsprogramm an. Während die Eltern arbeiten, werden die Kinder im Betrieb betreut, dürfen etwa bei der Werksfeuerwehr löschen oder Modellfahrzeuge bauen. VW bietet Müttern und Vätern in Elternzeit zudem Kontakthalteprogramme mit Treffen und Gesprächen an, die den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern sollen. Ein besonders Arbeitsmodell nutzt die Hamburger Drogeriekette Budnikowsky: Mitarbeiter mit Kindern können sich Stellen mit Kollegen teilen und so trotz Familie in leitenden Positionen arbeiten.

Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer betreibt selbst Betriebskindergärten, vier in Leverkusen für Kinder zwischen einem und elf Jahren, einen in Monheim und einen in Berlin für Kinder bis zum Schulalter. In der Hauptstadt, wo die Pharmatochter des Konzerns mit rund 5000 Mitarbeitern sitzt, gibt es 160 Plätze.

Manche Firmen, für die sich eine eigenen Kita nicht lohnt, weil an dem Standort zu wenige Mitarbeiter arbeiten, kooperieren direkt mit Kindertagesstätten: Sony, Pfizer, Daimler, Sanofi-Aventis, N24 und Toll Collect, die alle am Potsdamer Platz sitzen, entschieden sich für eine solche Lösung. 2007 beauftragten die Unternehmen die Fröbel-Gruppe, eine Kindertagesstätte am Potsdamer Platz zu eröffnen. Dort können die Firmen Plätze für ihre Mitarbeiter reservieren, die Einrichtung ist aber auch für andere Kinder offen. Auch für kleinere Unternehmen ist das Modell attraktiv: So betreibt die Fröbel-Gruppe auch eine Kita in Adlershof, die von den Firmen im Wissenschafts- und Technologiepark genutzt wird.

Dass auch kleine Unternehmen sich engagieren können, zeigt Optiker Andreas Wittig in Berlin-Charlottenburg, der fünf Angestellte hat. Die Mitarbeiter können die Kinder zur Betreuung nach der Schule mit ins Unternehmen bringen, dort gibt es ein Spiel- und ein Hausaufgabenzimmer. Der Betrieb hilft bei der Vermittlung von Kindergartenplätzen und Tagesmüttern.

Beim Autozulieferer Bosch arbeitet man auch an einem Mentalitätswandel: Kinder sollen nicht den Aufstieg im Unternehmen behindern. Stattdessen wird der Zeitraum, in dem Beschäftigte Kinder betreuen, als wichtiger Baustein der Karriere betrachtet.

Auf den nächsten Seiten lesen Sie, was Mütter sich wünschen, um Kinder und Karriere zu vereinbaren.

"Ich hätte gerne mehr gearbeitet"

Als unsere Tochter geboren wurde, steckte ich mitten in der Promotion. Nach sieben Monaten Babypause kehrte ich zurück zum Fraunhofer-Institut, mit 20 Stunden. Auch mein Mann arbeitete Teilzeit, bis wir für Marie einen Kitaplatz hatten. Danach arbeitete er Vollzeit, ich stockte auf 30 Stunden auf. Eigentlich hätte ich gerne mehr gearbeitet, doch dafür hätten wir eine Kita mit längeren und flexibleren Betreuungszeiten gebraucht. Geholfen hat, dass uns unsere Arbeitgeber entgegengekommen sind. Schwierig war aber, dass etwa Meetings und Termine oft am Nachmittag stattfanden – genau dann, wenn unsere Tochter aus der Kita abgeholt werden musste. Wenn man Teilzeit arbeitet, hat man zudem oft das Gefühl, wichtige Dinge zu verpassen. Im Sommer fange ich beim Chemiekonzern BASF an, mein Mann wird von zu Hause aus arbeiten. Für BASF habe ich mich auch entschieden, weil ich dort Familie und Karriere vereinbaren kann. So bietet der Konzern etwa einen Notdienst an, wenn die Betreuung unerwartet ausfällt. Mein künftiger Chef hat selbst Kinder und daher Verständnis für meine Situation als berufstätige Mutter.

Antje Wolf (31) promovierte am Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen in Sankt Augustin. Ihre Tochter Marie ist fünf Jahre alt.

"Machen Sie weniger! Sie haben Familie"

Bei meinem letzten Arbeitgeber konnte ich Beruf und Kind sehr gut vereinen. Obwohl die Firma in Frankfurt sitzt, konnte ich in Hamburg wohnen und von zu Hause aus arbeiten, 20 Stunden die Woche. Auch mit dem Gehalt war ich zufrieden. Mir wurden alle Arbeitsmittel gestellt, im Entgelt war ein Zuschuss für den Internetzugang und Ähnliches enthalten. Ich wäre auch bereit gewesen, ganztags zu arbeiten und zwei Tage die Woche nach Frankfurt zu fahren. Aber der Arbeitgeber hat gesagt: Machen Sie weniger! Sie haben eine Familie. Mich hätte auch keiner schief angeschaut, wenn ich frei nehmen muss, weil das Kind krank ist. Leider ist der Vertrag Ende vergangenen Jahres ausgelaufen, bis September bin ich in Elternzeit. Momentan stehe ich mit der Firma in Verhandlungen, ob ich wieder einsteigen kann. Wahrscheinlich wird es dann eine Freelance-Tätigkeit, die projektbezogener ist. Das passt mir gut, weil ich mir die Arbeit dann noch besser einteilen kann. Natürlich ist die Sicherheit einer Festanstellung schön, aber mit zwei Kindern ist es besser, wenn man die Zeiten so flexibel wie möglich gestalten kann.

Maria Navas Ramos (35) hat bei einem Finanzdienstleister gearbeitet. Sie hat eine vierjährige Tochter und einen sieben Monate alten Sohn.

"Meine Firma war sehr unflexibel"

Drei Wochen vor der Geburt unseres ersten Kindes bin ich nach Köln gezogen, zu meinem Mann. Vorher war ich Redakteurin bei einem Sprachenverlag in München, und das wäre ich auch gerne geblieben. Ich hätte mir gut vorstellen können, nach der Elternzeit von zu Hause aus zu arbeiten und zu wichtigen Terminen nach München zu reisen. In meiner Abteilung hätte das sicher gut geklappt, wir waren für Wörterbücher zuständig. Doch der Verlag bot mir keinen Telearbeitsplatz an, ich musste meinen Job schweren Herzens aufgeben. Heute ist meine Tochter fünf Jahre alt, und unsere zweite eineinhalb. Ich würde sehr gerne wieder arbeiten, zur Not auch frei, aber am liebsten in einer Redaktion. Denn der persönliche Kontakt mit den Kollegen fehlt mir schon. 20 Stunden pro Woche wären ideal für mich, das könnte ich gut mit den Kindern vereinbaren. Ich habe auch schon angefangen, mich nach einem Job umzuschauen, und hoffe, dass ich schnell etwas finde. Denn je länger man aus dem Beruf raus ist, desto schwieriger wird der Wiedereinstieg.

Natalie Thomas (44) arbeitete bei einem Sprachenverlag in München als Redakteurin. Derzeit sucht die zweifache Mutter einen neuen Job.

"Pro Kind ein Jahr früher in Rente"

Ich bin Lehrerin, und die Arbeitszeiten in diesem Beruf sind sehr kinderfreundlich. Nachmittags war ich so meist zu Hause, Korrekturen und Vorbereitung konnte ich erledigen, wenn meine Kinder im Bett waren. Mein erstes Kind bekam ich 1989, in der DDR. Dort gab es genügend Krippenplätze, so dass ich weiter Vollzeit arbeiten konnte. Außerdem gab es für Mütter einmal im Monat einen freien Tag extra, den Haushaltstag. Beim zweiten Kind, das 1995 zur Welt kam, war es schwieriger, einen Krippenplatz zu bekommen, die Wartezeit musste ich mithilfe einer Tagesmutter und Verwandten überbrücken. Neben flexiblen Arbeitszeiten ist es aus meiner Erfahrung deshalb das Wichtigste, dass der Staat für ausreichend Betreuungsplätze und Ganztagsschulen sorgt. Auch der zusätzliche freie Tag, den es im Osten gab, hätte mir sicher geholfen – etwa bei Arztterminen und Einkäufen. Wegen der Doppelbelastung als berufstätige Mutter fände ich es gerecht, wenn Frauen pro Kind ein Jahr früher in Rente gehen könnten. Dadurch, dass ich immer Vollzeit gearbeitet habe, war es oft stressig. Im Rückblick hätte ich gerne etwas mehr Zeit für mich und die Kinder gehabt.

Karina Schurtz (48) ist Lehrerin an einer Förderschule in Berlin. Sie hat drei Töchter (14, 16 und 23).

"Die Haltung ist das Wichtigste"

Ich habe mich in der Schwangerschaft entschieden, den klassischen Karriereweg zu verlassen und Bellybutton aufzubauen. Die Firma habe ich die ersten vier Jahre in unser Haus verlegt, damit ich bei den Kindern sein kann. Ich bin privilegiert, weil ich als Unternehmerin die Regeln selbst festlegen kann. Das Wichtigste ist, dass eine Firma eine positive Haltung zum Thema Kinder hat. Bei Bellybutton versuchen wir zum Beispiel, individuelle Lösungen bei den Arbeitszeiten zu finden. So gehe ich oft um 16 Uhr nach Hause und arbeite dort weiter, wenn die Kinder im Bett sind. Dadurch bin ich keine schlechtere Geschäftsführerin. Familie zu haben und einem ausfüllenden Beruf nachzugehen – bei unserer Firma ist das kein Konflikt. Ich glaube, dass man jeden Job auch als Mutter machen kann. Ich kenne viele Frauen, die ihrem Arbeitgeber selbst ein Modell vorgeschlagen haben. Bei meinen vorherigen Jobs bei Konzernen und einer Unternehmensberatung war das Umfeld allerdings nicht sehr kinderfreundlich. Obwohl ich jetzt weniger verdiene, haben mich die Kinder in eine viel befriedigendere berufliche Position gebracht.

Astrid Schulte (46) hat drei Töchter (8, 9, 11) und ist geschäftsführende Gesellschafterin der Schwangerschafts- und Babymodenmarke Bellybutton.

"Familienzeit bringt mehr Lebenserfahrung"

Dass ich bei der Betreuung unserer fünf Kinder zu Hause bleibe, war eine ganz bewusste Entscheidung von mir und meinem Mann. Kinder sind ein Geschenk und so sollte man sich auch um sie kümmern. Meine Kinder sind nicht alle im Kindergarten gewesen, obwohl sie einen Platz hätten haben können. Sie lernen alle Alltagskompetenzen in einem Familienverband in einem ganz wunderbaren, sicheren Raum. Sie müssen sich nicht schon dann vor anderen beweisen. Die Kinder heranwachsen zu sehen ist eine unglaubliche Bereicherung. Was mir die Familienzeit an Lebenserfahrung und für die Formung meiner Persönlichkeit gebracht hat, hätte mir kaum ein Beruf bringen können. Karrieretechnisch standen die Kinder trotzdem nicht im Weg. Ich habe in den letzten Jahren noch studiert, ich leite heute die berufliche Weiterbildung des Deutschen Hausfrauenbundes (DHB) und bin Mitglied des Geschäftsführenden Präsidiums. Aber gleichzeitig hätte ich das nie gut gefunden. Man sollte seine Aufgaben richtig machen. Fünf kleine Kinder und ein Job sind ohne Personal schwer zu vereinbaren.

Heike Hauenschild (45) hat fünf Kinder zwischen 15 und 23. Die Radiologieassistentin und Meisterin der Hauswirtschaft arbeitet heute als freie Dozentin.

Interviews aufgezeichnet von Anika Kreller und Jahel Mielke.

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