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Wirtschaft: Multitalent auf dem Rollfeld

Das junge Berliner Unternehmen Catcon entwickelt ein Fahrzeug zur Abfertigung des neuen Super-Airbus A380

Noch in diesem Monat soll das größte Passagierflugzeug der Welt, der Airbus A380, zu seinem Jungfernflug abheben. Wie das Riesen-Flugzeug sich in der Luft verhält, ist bislang noch eine spannende Angelegenheit, aber auch am Boden sind noch viele Fragen ungeklärt. So ist zum Beispiel technisch noch nicht gelöst, wie man den Super-Jumbo schnell und reibungslos be- und entlädt – das gilt für Fracht ebenso wie für Passagiere und Müll. Diese Lücke könnte die Entwicklung eines jungen Berliner Unternehmens füllen: das „Sidecat“ der 2002 gegründeten Catcon airground technologies. Es ist bislang das einzige Gefährt, das nicht umgebaut werden muss, um die obere Türreihe des Airbus A 380 in rund acht Metern Höhe zu erreichen.

Dieter Wertheim, der Firmengründer von Catcon, führt seine Entwicklung gern vor. Ein Knopfdruck und noch während man vorwärts fährt, hebt die Kabine von ihrer Plattform ab. Das Heck eines Lufthansa-Airbus wird immer größer, bis die Tür das gesamte Gesichtsfeld ausfüllt. Nach dem Andocken klopft Wertheim mit der flachen Hand zwei Mal an die glatte Außenhaut des Fliegers. Die Tür schwenkt zur Seite, in der Öffnung erscheint ein Flugbegleiter. Hinter ihm wartet schon das Reinigungsteam mit vollen Müllsäcken, um sie in die bereitstehenden Mülltonnen im Sidecat zu werfen. „Das könnte auch gleich eine Müllpresse sein“, meint Wertheim.

Den Prototypen seines Sidecats hat Wertheim gleich nach der Entwicklung verkauft: an die DB Service. Die Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn ist auf dem Flughafen Tegel mit der Flugzeugreinigung beauftragt. „Wir setzen das Gerät hier in Tegel bei der Innenreinigung der großen Flugzeuge ein“, sagt Detlef Schatz, Niederlassungsleiter der DB Services in Berlin. Auf Langstrecken fallen bis zu 80 Kilogramm Müll an, die bislang in Säcken über die Treppe nach unten transportiert werden mussten und dabei häufiger aufplatzten oder ausliefen. Mit dem Sidecat kann das vermieden werden. „Eine coole Sache“, sagt Flugbegleiter Jeffrey Laartz. „In Frankfurt haben wir so etwas nicht.“ Die praktische Erprobung im Alltag habe wertvolle Erkenntnisse über Verbesserungsmöglichkeiten gegeben, sagt Wertheim. Und letztlich auch gezeigt, wie universell nutzbar das Sidecat ist.

Das Sidecat funktioniert – anders als viele der Versorgungsfahrzeuge, die auf Lkws montiert sind – auf Basis eines Gabelstaplers. „Das hat mehrere Vorteile“, meint Dieter Wertheim. „Denn Gabelstapler sind unschlagbar im Fahren, Heben, Senken und Tragen von Lasten.“ Sie sind außerdem standsicher und müssen nicht wie die Lkw erst mit Stützen abgesichert werden, bevor die Last gehoben wird. Außerdem können durch die flexible Gabel-Technik verschiedene Aufsätze angedockt werden. So können Kabinen für den Transport von Rollstuhlfahrern, eine Förderbandeinrichtung für das Beladen mit Fracht oder Lebensmittel-Containern oder eine Müllpresse so schnell gewechselt werden, wie man mit einem Gabelstapler in eine Palette fährt. „Sie sind zwar nicht besonders schnell“, sagt der Firmengründer, „aber auf dem Rollfeld gilt ohnehin Tempo 30.“

Angefangen hat die Entwicklung des Sidecats mit der Problematik, wie man Rollstuhlfahrer möglichst bequem und ohne sie tragen oder mehrfach umsetzen zu müssen in ein Flugzeug transportieren kann. Die Lufthansa LEOS, die Bodenabfertigungs-Tochter der Lufthansa, hatte den Maschinenbauingenieur Wertheim angeregt, ein Fahrzeug zu entwickeln, das diese Aufgabe bewältigt. Wertheim hatte auf dem Flughafen Tegel die technischen Dienste aufgebaut und war mehr als zehn Jahre lang für das reibungslose funktionieren der Abfertigungstechnik verantwortlich.

„Der wichtigste Punkt an der Entwicklung des Sidecat war, dass man die Kabine, die den Rollstuhlfahrer aufnimmt, ebenerdig absetzen können muss, um eine barrierefreie Zufahrt zu schaffen“, meint Wertheim. Barrierefreiheit auf Flugplätzen spiele hier zu Lande bislang noch keine bedeutende Rolle. „Aber in den USA ist das anders.“ Den größten Markt für seine Produkte sieht Wertheim nicht in Westeuropa sondern in den USA, Asien und dem Nahen Osten.

Der neue Airbus A380 könnte der Erfindung von Dieter Wertheim zum internationalen Durchbruch verhelfen. Airbus in Toulouse ist an den Sidecats offensichtlich sehr interessiert: Der Flugzeugbauer hat Catcon in eine Arbeitsgruppe für die Abfertigung des Oberdecks beim A380 berufen und Wertheim die Möglichkeit gegeben, sein Fahrzeugkonzept den bisherigen Bestellern des neuen Flugzeugs vorzustellen.

„Sehr hilfreich bei der Umsetzung meiner Entwicklung war das TCC“, sagt Wertheim. Das Technologie Coaching Center hat mir innerhalb von vier Wochen zu einer Förderung verholfen, damit ich einen Businessplan erstellen kann. Mit dieser unbürokratischen Hilfe kann ich nun potenzielle Investoren ansprechen, um meine Entwicklung in die Serienherstellung zu überführen.“

Derzeit baut Catcon mit Unterstützung von Lufthansa LEOS ein Vorführfahrzeug in der großen Version zur Abfertigung des A380. Dieses Fahrzeug soll in Frankfurt stationiert werden, damit potenzielle Käufer es in Aktion sehen können. Von Airbus liegt außerdem das Angebot vor, den Sidecat dauerhaft am A-380-Modell in Toulouse zu installieren.

Harald Olkus

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