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Wirtschaft: Mundschutz im Gepäck

Der Kanzler reist trotz Sars nach Ostasien – er hofft auf gute Geschäfte mit der boomenden Region

Es wird eine Delegation „Light“, die sich am Sonntag nach Südostasien aufmacht. Im Gefolge von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sollten eigentlich 120 Vertreter aus Politik und Wirtschaft nach Malaysia, Singapur, Indonesien und Vietnam reisen, um die Beziehungen zu diesen Ländern zu vertiefen. Doch die Lungenkrankheit Sars zwang die Regierung, ihre Reiseplanung zu ändern. Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, fahren statt 120 nur 30 Personen und das Programm wurde um einen auf fünf Tage verkürzt. Als einziger Unternehmer wird Siemens-Chef Heinrich von Pierer mitfahren, der auch Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft ist.

Trotzdem zeigten sich Wirtschaftsvertreter erleichtert, dass die Reise überhaupt stattfindet. „Das ist ein positives Signal für die Region und die deutschen Firmen vor Ort“, sagt Wolfgang Niedermark, Geschäftsführer des Ostasiatischen Vereins. In Regierungskreisen hieß es, man wolle dazu beitragen, dass die Region nicht in eine „psychologische Negativspirale“ gerät. Von einer nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik in Asien wäre auch Deutschland massiv betroffen. Immerhin liefern deutsche Unternehmen mittlerweile mehr Waren nach Ostasien als in die USA. Nach Schätzungen der Weltbank kostete Sars die Region bislang mehr als 15 Milliarden Dollar. Ihre Wachstumserwartungen für die Volkwirtschaften Ostasiens senkte die Weltbank – auch wegen des Irak-Kriegs – von sechs auf fünf Prozent.

In den vergangenen Jahren machten die Tigerstaaten wie Singapur, Malaysia, Taiwan oder Thailand eine rasante wirtschaftliche Berg- und Talfahrt durch. Anfang der 90er Jahre war das Wachstum der Länder zunächst nicht zu bremsen. Doch überbewertete Währungen, ineffiziente Finanzsysteme und faule Kredite führten 1998 zum Crash. Davon konnten sich die Tigerstaaten aber schnell erholen. „Die Länder profitierten davon, dass die Weltwirtschaft in dieser Zeit boomte und ihren Export ankurbelte“, sagt Ulrich Fritsche, Experte für internationale Konjunktur am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Besonders der Boom des IT-Sektors kam Ländern wie Singapur und Taiwan zugute, die wichtige Produzenten von Hightech-Produkten sind.

Nach Ansicht von Fritsche ist das Wachstum in den Ländern heute weitaus stabiler als noch vor der Asienkrise. „Mitte der 90er Jahre finanzierte sich das Wachstum stark über Kredite, da sehr viel ausländisches Kapital in die Region floss.“ In der Krise zeigte sich, dass viele kreditfinanzierte Projekte – insbesondere im Bausektor – nicht profitabel waren. „Heute sind die Volkwirtschaften wettbewerbsfähiger geworden, und die Einkommen der Haushalte steigen. Das kurbelt die Binnennachfrage an und macht die Länder weniger abhängig vom Export.“

Stabilisierend wirkten auch staatliche Investitionen. Infolge der Asienkrise hatten viele Länder ihre öffentlichen Ausgaben erhöht, um ihre Volkswirtschaften zu stützen. An den großen Infrastrukturprojekten sind auch die deutschen Reisenden interessiert. In Malaysia steht die Vergabe eines Auftrags für den Bau einer zweispurigen Eisenbahntrasse an, um den sich Siemens beworben hat. Volumen: 1,7 Milliarden Euro. Über das Projekt werde „auf höchster Ebene gesprochen“, heißt es in der Regierung. Da ist es kein Zufall, dass in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur während der Reise das neue Kompetenz- und Vertriebszentrum für Verkehrstechnik von Siemens eingeweiht wird.

Trotz der überwiegend positiven Entwicklung seit der Asienkrise kämpfen die Länder der Region, insbesondere Schwellenländer wie Indonesien, Vietnam oder die Philippinen, immer noch mit strukturellen Problemen. „Weil die Bevölkerung stetig wächst, brauchen diese Staaten ein Wachstum von mindestens fünf Prozent, um wenigstens den aktuellen Lebensstandard zu halten“, sagt Rüdiger Machetzki, Wirtschaftsexperte am Institut für Asienkunde in Hamburg. Angesichts der lahmen Weltkonjunktur und der drohenden Auswirkungen von Sars sei das nur schwer zu erreichen. Und Schwierigkeiten bereitet ihnen mittlerweile auch die harte Konkurrenz des großen Nachbarn China. „Die Chinesen produzieren viele Waren bei gleicher Qualität weitaus billiger“, sagt Machetzki.

Maurice Shahd

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