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Kostenfalle Kind. Weil Frauen häufiger Babypause machen und öfter in Teilzeitjobs arbeiten, sind ihre Renten niedriger als die der Männer. Foto: dpa

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Wirtschaft: Mut zum Risiko

Beim Thema Geld brauchen Frauen eine andere Beratung als Männer

Als Sibylle Kaiser (Name geändert) kürzlich das erste Mal zu einer Finanzberaterin ging, war sie gerade geschieden worden. Unter dem privaten Scherbenhaufen hatte sich auch noch eine riesige Versorgungslücke aufgetan. Kaiser, Mutter von drei Kindern, arbeitete schon seit vielen Jahren nur noch in Teilzeit, für 500 Euro im Monat. Der Rentenanspruch der Mittfünfzigerin würde später einmal ganze 170 Euro betragen. Hinzu kämen noch rund 900 Euro aus dem Versorgungsausgleich. Es würde nicht annähernd reichen, um den Lebensstandard aufrecht zu erhalten, den sich die Familie hatte aufbauen können – weil Herr Kaiser Karriere machte und Frau Kaiser die Kinder großzog. Zwar hatte sie bei der Scheidung die Hälfte des gemeinsam aufgebauten Vermögens erhalten. Doch um die Geldanlage hatte sich immer ihr Ex-Mann gekümmert. Er hatte alles in Aktien investiert. Frau Kaiser sah jetzt jeden Tag in den Nachrichten, wie die Kurse in den Keller rauschten. Und bekam Angst.

Fälle wie diese kennt Constanze Hintze zu Genüge. „Beim Thema Geld herrscht oft noch die klassische Rollenaufteilung“, sagt die Finanzexpertin und Buchautorin, die sich auf die Beratung von Frauen spezialisiert hat. Frauen würden schon von ihren Müttern lernen, dass das Thema Finanzen so komplex sei, dass sie lieber die Finger davon lassen sollten. „Männer glauben ja auch nur, dass sie mehr Ahnung haben“, sagt Hintze, „aber sie sind mutiger und risikobereiter.“ Außerdem verdienen sie mehr.

Aller Emanzipation zum Trotz klafft zwischen den Geschlechtern noch immer eine große Lücke, wenn es um das Geld geht. Männer verdienen im Schnitt rund ein Fünftel mehr als Frauen. Frauen machen Babypausen, sie arbeiten viel öfter in Teilzeit und nehmen weniger Gehalt in Kauf, weil sie sich so viel wie möglich um die Kinder kümmern möchten. Für Constanze Hintze, selbst Mutter eines Sohnes, ist das „eine zu romantische Vorstellung. Damit verbauen sie sich nicht nur die Karrierewege, sondern zahlen auch viel weniger in die Rentenkasse ein“, sagt die Beraterin.

Das Ergebnis: Die gesetzliche Rente von Frauen beträgt im Durchschnitt nur halb so viel wie die der Männer. Bei der privaten Geldanlage sieht es ähnlich aus. Logisch: Wer weniger verdient, kann weniger sparen. Constanze Hintze rät Frauen, so früh wie möglich an das Alter zu denken. Spätestens, wenn sie Kinder bekämen, sollten sie mit dem Partner auch über das Thema finanzielle Vorsorge sprechen. Vor allem dann, wenn sie nicht verheiratet sind. „Die entscheidende Frage ist: Was zahlt er dafür, dass sie nicht arbeiten geht?“

Anne Wulf hat sich das immer schon gefragt. Die Betriebswirtschaftlerin war entsetzt, als sie feststellte, dass das Thema Geld in den Gesprächen ihrer weiblichen Bekannten kaum keine Rolle spielte. Man tauschte sich über das Kinderkriegen aus, über Klamotten oder Kultur, stellte aber selten Fragen wie: „Wie fordere ich am besten eine Gehaltserhöhung?“ Oder: „Wo legst Du eigentlich Dein Geld an?“ Vor 25 Jahren gründete sie darum in Berlin das Finanzkontor, eine unabhängige Beratung, nicht nur, aber speziell für Frauen.

Frauen brauchen ihrer Meinung keine anderen Finanzprodukte als Männer, aber eine andere Beratung. Dazu gehöre es zunächst einmal, Wissen zu vermitteln und Ängste zu nehmen. Dafür bietet das Finanzkontor nicht nur Einzelberatungen, sondern auch Vortragsreihen zu Themen wie Aktien oder Rentenfonds an. Dabei dürfen auch Fragen gestellt werden. „Bei der Bank machen Frauen oft die Erfahrung, dass sie bei der zweiten Nachfrage schon abgebügelt werden. aber wenn ich etwas nicht verstehe, kann ich es auch nicht kaufen“, sagt Wulf. Frauen hätten oft weniger Geld zur Verfügung als Männer. Darum hätten sie auch eine größere Scheu vor dem Risiko. „Frauen sind weniger risikobereit“, sagt auch Constanze Hintze. „Das ist schlecht. Denn damit verpassen sie Chancen.“ Sibylle Kaiser, der Frau mit den vielen Aktien, habe sie zwar empfohlen, einen Teil ihres Vermögens in andere Anlageformen wie Fonds und festverzinsliche Wertpapiere zu investieren, um das Risiko zu streuen. Viele andere Kundinnen aber müsste sie erst einmal erklären, dass ihr Vermögen auf dem Sparbuch langsamer wächst, als es durch die Inflation schrumpft. Viele hätten Angst vor dem Auf und Ab an den Aktienmärkten und würden nicht verstehen, dass ein Tageskurs noch nichts darüber aussage, wie sich ein Unternehmen langfristig entwickele.

Beim ersten Beratungsgespräch redet sie aber selten sofort über konkrete Finanzprodukte, das sei den meisten Frauen zu abstrakt. Sie frage erst einmal: Wie sieht denn Ihre Lebensplanung aus? Was ist mit Ihren Kindern? Und wie viel werden Sie selbst im Alter einmal benötigen? „Männer fragen: Was passiert mit meinen Aktien, wenn Griechenland pleite geht? Frauen reden über die Menschen – und über ihre Altersvorsorge.“

Anne Wulf hat die Erfahrung gemacht, dass Frauen stärker hinterfragen würden, was mit ihrem Geld passiert. Sie wollten nicht in Atomkraftwerke oder Waffenunternehmen investieren. Darum hat sich Wulf auch auf das Thema nachhaltige Geldanlage spezialisiert. Constanze Hintze warnt aber davor, sich nur auf das Etikett „ethisch einwandfrei“ zu verlassen. Nicht alle Produkte aus diesem Segment würden eine gute Rendite abwerfen. „Ich wünsche den Frauen einen weniger emotionalen und mehr rationalen Blick auf das Thema Geld.“

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