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Wirtschaft: Mut zur Wahrheit

Von Dieter Fockenbrock Finanzpolitik ist die Kunst der kleinen Schritte. Hans Eichel beherrscht die Kunst perfekt: Schritt für Schritt nähert er sich der Wahrheit.

Von Dieter Fockenbrock

Finanzpolitik ist die Kunst der kleinen Schritte. Hans Eichel beherrscht die Kunst perfekt: Schritt für Schritt nähert er sich der Wahrheit. Inzwischen sind es 3,8 Prozent Defizit, die sein Haushalt – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – in diesem Jahr aufweisen wird. Noch allzu gut ist in Erinnerung, dass Deutschland 2003 das Stabilitätskriterium der Europäischen Union von drei Prozent überhaupt nicht überschreiten sollte. Das meinte jedenfalls der Finanzminister.

Jetzt tönt die Opposition: Es könnten vielleicht auch vier oder mehr Prozent bis zum Jahresende werden. Sie wird Recht haben, möchte man hinzufügen. Denn die Erfahrung lehrt, dass die Defizitprognosen des Bundes im Quartalsrhythmus revidiert werden – nach oben natürlich. Deshalb hört auch schon keiner mehr hin, wenn Eichel ständig den Stabilitätsschwur leistet, im gleichen Takt wie er seine Prognosen revidiert.

Heute aber auf eine anziehende Konjunktur zu setzen, ist schon mehr als mutig. Denn die Zweifel, ob die Wirtschaft und damit die Staatseinnahmen noch in diesem Herbst in Schwung kommen, sind inzwischen wieder größer als die Hoffnung auf den schnellen Umschwung. Alle Experten rechnen damit, dass es frühestens im nächsten Jahr aufwärts geht – wenn überhaupt. Nur der Finanzminister will davon noch nichts wissen. Von den offenen finanziellen Risiken aus der Arbeitslosen und Sozialversicherung, wo sich neue Milliardenlöcher auftun, gar nicht zu reden. Die anhaltende Konjunkturflaute führt zu massiven Einnahmeausfällen – das ist kein Geheimnis. Nach dem Prinzip Hoffnung zu verfahren, wie etwa bei der Bundesanstalt für Arbeit, die in diesem Jahr trotz steigender Arbeitslosigkeit ohne staatlichen Zuschuss auskommen sollte, das ist schon fahrlässig.

Hans Eichel sollte den Mut haben, den Haushalt nicht ständig schön zu rechnen. Dann müsste er der realen Entwicklung nicht ständig hinterher hecheln. Und seine Defizitprognosen würden endlich wieder ernst genommen.

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