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Nabucco-Pipeline: Gaslieferant verzweifelt gesucht

Am Montag unterzeichnet die Türkei das Abkommen zum Bau der "Nabucco"-Pipeline, die Europa unabhängiger von russischen Gas machen soll. Doch in der Türkei gibt es Befürchtungen, dass das Land vom durchgeleiteten Brennstoff nichts abbekommt. Das ist aber nicht das einzige Problem.

Mit großem Pomp und vielen ausländischen Gästen wird am kommenden Montag in Ankara ein Regierungsabkommen über den Bau der Gas-Pipeline "Nabucco" unterzeichnet. Die acht Milliarden Euro teure Pipeline soll Gas aus Zentralasien über eine Strecke von mehr als 3000 Kilometer nach Europa bringen, um die Abhängigkeit von Russland zu lindern. Doch kurz vor der Unterzeichnungszeremonie gibt es noch Unklarheiten in wichtigen Bereichen – so weiß niemand ganz genau, wo das Gas für die Pipeline eigentlich herkommen soll.

Wenn der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an diesem Montag in der türkischen Hauptstadt Spitzenpolitiker und Diplomaten aus fast zwei Dutzend Ländern zur Unterzeichnungszeremonie begrüßt, dürfte in den Festreden viel von Gemeinsamkeiten und einer energiepolitisch gesicherten Zukunft die Rede sein. Fünf Länder – die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich – werden durch die Pipeline verbunden sein, die ab 2014 jährlich 31 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Ost nach West schaffen soll. Auch der deutsche RWE-Konzern ist beteiligt.

Die Türkei ist mit einem Pipeline-Abschnitt und Zulieferleitungen mit einer Länge von insgesamt knapp 2000 Kilometern das Haupt-Transitland. Für Ankara ist "Nabucco" aus mehreren Grunden wichtig. Zum einen passt die Pipeline zum Ziel der Türkei, zu einem unverzichtbaren Transitland für die Energieversorgung des Westens zu werden und so ihre strategische Bedeutung zu steigern. Durch die Türkei verläuft bereits eine wichtige Ölpipeline von Aserbaidschan zum Mittelmeer. Zum anderen versucht die rohstoffarme Türkei wie die Europäer, ihre Abhängigkeit von Russland zu senken.

Trotz des im kommenden Jahr beginnenden Baus der Mega-Pipeline ist jedoch unsicher, aus welchen Reserven das Gas kommen soll, um die Rohrleitung zu füllen. Bisher liegit nur eine Zusage aus Aserbaidschan vor, doch Baku kann nach Expertenmeinung wegen anderer vertraglicher Verpflichtungen höchstens vier Milliarden Kubikmeter im Jahr beisteuern. Dass der Iran bei dem von den USA unterstützten Projekt mitmachen darf, ist aus politischen Gründen ausgeschlossen.

Auch die Konkurrenz schläft nicht. Russland kontert mit einem eigenen Pipeline-Projekt namens "South Stream", das Gas unter dem Schwarzen Meer nach Bulgarien transportieren soll. "Nabucco"-Teilnehmer waren konsterniert, als Aserbaidschan im Juni seine Teilnahme an "South Stream" bekanntgab. Auch die Türkei verhandelt mit Moskau über "South Stream".

Nicht einmal unter sich sind sich die "Nabucco"-Partner einig. Lange Zeit forderte die rohstoffarme Türkei 15 Prozent des "Nabucco"-Gases zum Eigenverbrauch oder Weiterverkauf auf dem Weltmarkt. Zwar hieß es in den vergangenen Tagen, der Streit sei entschärft worden. Demnach sollen die Europäer den Türken zugesagt haben, dass "Nabucco" notfalls auch Gas von West nach Ost transportieren kann - wenn in der Türkei Engpässe auftreten sollten, könne Gas aus europäischen Vorratslagern Abhilfe schaffen.

Doch nach türkischen Medienberichten sind die Meinungsverschiedenheiten noch nicht beigelegt. Dabei spielt auch türkisches Misstrauen der EU gegenüber eine Rolle: Die Türkei dürfe sich ihren geforderten Anteil von 15 Prozent nicht von den Europäern abschwatzen lassen, forderte der nationalistische Politologe Hasan Kanbolat laut der Zeitung "Cumhuriyet": Die EU wolle die Türkei einem rein "passiven Transitland" machen. Es sieht ganz so aus, als würde auch nach dem feierlichen Unterzeichnungstag noch weiter hart verhandelt werden müssen.

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