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Wirtschaft: Nach 50 Jahren weicht der Star dem Newcomer

Über zwei Jahrzehnte Arbeit an der Gemeinschaftswährung / Viele vergebliche Anläufe / Die D-Mark hat ausgedientVON SIMONE MATTHEIEin Star wird 50.Dabei feiern nicht Robert de Niro oder Catherine Deneuve, sondern ein Zahlungsmittel: die Deutsche Mark.

Über zwei Jahrzehnte Arbeit an der Gemeinschaftswährung / Viele vergebliche Anläufe / Die D-Mark hat ausgedientVON SIMONE MATTHEIEin Star wird 50.Dabei feiern nicht Robert de Niro oder Catherine Deneuve, sondern ein Zahlungsmittel: die Deutsche Mark.Zufall oder geschickte Dramaturgie - die Politiker in Europa wollen, daß die Erfolgsstory ein Ende hat.Nach einem halben Jahrhundert soll das deutsche Geld einer einheitlichen europäischen Währung Platz machen.Euro heißt der Aspirant, der dem etablierten Protagonisten Dollar Konkurrenz machen soll.Doch das Publikum, Europas Bürger, vor allem die Deutschen, warten ab.Bevor sie Beifall spenden, wollen sie den neuen Hauptdarsteller erst einmal sehen.Schließlich weiß niemand genau, ob die Aufführung ein Publikumsrenner wird.Vor der Premiere am 1.Januar 2002, dem Tag, an dem auch im Bargeldverkehr der Euro gilt, kann der Newcomer bereits auf ein abwechslungsreiches Vorleben zurückblicken. Bereits Anfang der siebziger Jahre dachten die Europa-Regisseure daran, ein europaweit gültiges Zahlungsmittel einzuführen: die Euro-Münze in der Hand als greifbarer Beweis der europäischen Integration.Denn Integration war das Zauberwort, mit dem die Nachkriegspolitiker das Gespenst Krieg für immer vertreiben wollten und wollen.Bereits 1971 planten die Europolitiker im sogenannten Werner-Plan die Währungen zusammenzuführen.Innerhalb von zehn Jahren sollte eine Währungsunion geschaffen sein. Doch der Plan mißlang, als das Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse, mit dem Dollar als Leitwährung, kollabierte.Das Drehbuch für den Euro wurde in die Schublade gelegt und 1979 wieder herausgeholt.In einem Europäischen Währungssystem (EWS) zurrten die Mitglieder ihre Währungen in einem Bandbreiten-Wechselkursmechanismus fest.Damit sollten die Währungen der Teilnehmerstaaten zueinander stabil, gegenüber dem Dollar aber flexibel gehalten werden.Nur so, da waren sich die Mitgliedsländer einig, könne man sich dem Ziel einer gemeinsamen Währung nähern. Doch die Erfinder hatten sich zu früh gefreut.1993 setzten Spekulanten Milliardenbeträge gegen das Europäische Währungssystem ein.Die europäischen Notenbanken hielten dagegen, um die dänische Krone, das irische Pfund, den belgischen und vor allem den französischen Franc zu verteidigen.Die Spekulanten gaben nicht auf und machten weiter Druck.Die Nationalbanken rotierten.Schließlich war es dann soweit: Die französische Währung sprengte in New York das Korsett der alten EWS-Bandbreite, das bisher bei 4,5 Prozent gelegen hatte.Die Politiker mußten sich entscheiden: Sollten sie die Bandbreiten erweitern oder das EWS auseinanderbrechen lassen? Das hätte bedeutet: Ade Einheitswährung. So entschieden sie sich für die erste Variante.Die maximale Schwankungsbreite wurde für die meisten Währungen auf bis zu 30 Prozent heraufgesetzt.Ein Festkurssystem war das natürlich nicht mehr - faktisch waren die Kurse flexibel.Doch zumindest blieb das Regelsystem des EWS erhalten und den Spekulanten war der Nährboden für ihr Tun entzogen.Das Ziel, eine einheitliche Währung zu schaffen, hatte keiner aus den Augen verloren.Und so pendelte sich gegen Ende des gleichen Jahres nahezu der alte Wechselkursmechanismus wieder ein. Mit dem Maastrichter Vertrag steuerten die Euro-Regisseure den dritten Akt des Währungsstückes an.Jetzt sollte mit dem Eurogeld Ernst gemacht werden.Ins Spiel kamen nun die vieldiskutierten Konvergenzkriterien.Die Länder, die in die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) hinein wollten, sollten sich anstrengen: Die Inflationsrate sollte in Zukunft nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der Infaltionsrate der preisstabilsten Länder liegen.Auch die öffentliche Hand wurde in die Pflicht genommen: Der Haushalt eines Landes sollte nicht höher als drei Prozent bzw.60 Prozent des Bruttoinlandproduktes betragen.Zudem sollten die, wenn auch seit der Krise weitgefaßten, Bandbreiten des EWS-Systems eingehalten werden.Und auch die langfristigen Zinssätzen sollten im Gleichschritt gehen: Als Meßlatte gelten die Zinsen der stabilsten Länder.Der Abstand zu diesen langfristigen Zinssätzen sollte in Zukunft nicht mehr als zwei Prozentpunkte betragen. Nur für die, die diese Kriterien erfüllen, wird in wenigen Wochen, mit der Euro-Entscheidung am 2.Mai durch die EU-Staats- und Regierungschefs, der rote Teppich ausgerollt.Alle anderen bleiben zunächst Zaungäste.Sie können aber, wenn sie dem EWS-System beitreten, ebenfalls den Ritterschlag erhalten.Deshalb ist Griechenland kürzlich in das EWS-System zurückgekehrt.Auch, wenn das zunächst bitter für die Drachme wird, die um 14 Prozent abgewertet wurde. An dem Tag, an dem die Auserwählten mit Sekt anstoßen werden, wird auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Arbeit aufnehmen.Wer den Thron des Präsidenten dieser neuen Bank besetzen wird, steht noch in den Sternen.Über die Kandidaten - der Holländer Wim Duisenberg oder der Franzose Claude Trichet - wird hinter den Kulissen heftig gestritten. Doch bevor Herr Trichet oder Herr Duisenberg in Frankfurt Platz nehmen wird, wird zuvor ein Institut zu Grabe getragen, das nur errichtet wurde, um sich selbst überflüssig zu machen: das Europäische Währungsinstitut (EWI).Denn dieses Institut hatte die Vorarbeit für die EZB zu leisten.Es koordiniert die Zusammenarbeit der Notenbanken bei der Geldpolitik und entwickelt ebenso die Regeln für die Geschäfte der europäischen Banken untereinander.Auch die Instrumente für eine einheitliche Währungspolitik müssen geschaffen werden.Erfahrung und Kreativität ist gefragt.Im Mai aber heißt es für das EWI die Bühne zu verlassen.Dann hat der Euro seinen Auftritt und mit ihm das Institut, das ihn verteidigen soll - die EZB.Beide müssen erst noch die Herzen des Publikums gewinnen.Wenn sie ein Publikumserfolg werden, sind ihnen Hauptrollen auf der internationalen Bühne der Finanzmärkte sicher.

SIMONE MATTHEI

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