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Tradition allein zählt wenig. Siemens will seine Lichttochter Osram an der Börse verkaufen. Doch das Risiko eines Flops ist groß.

© akg

Nach Aktiencrash: Mit Plan B an die Börse

Unternehmen, die 2011 an die Börse gehen wollten, brauchen nach dem Aktiencrash einen Plan B. Einen solchen könnte Siemens hervorholen, wenn die Tochter Osram im Herbst nicht auf das erhoffte Interesse stößt.

Berlin - Monsterwellen vertragen sich schlecht mit Containerschiffen. Weil der Aktienmarkt in den vergangenen 14 Tagen von Verkaufswellen heimgesucht wurde, schickt der Reisekonzern Tui seine Containerschiff-Tochter Hapag- Lloyd vorerst nicht auf große Fahrt. Der geplante Börsengang für das Hamburger Traditionsunternehmen sei derzeit nicht möglich, musste Tui-Finanzchef Horst Baier am vergangenen Donnerstag einräumen. Tui hält 38 Prozent an Hapag-Lloyd und will die Beteiligung loswerden, um sich ganz auf das Reisegeschäft zu konzentrieren. „Wir schauen uns weiter alle Optionen für einen Ausstieg an“, fügte Baier hinzu. In ein paar Monaten könnten sich die Rahmenbedingungen schon wieder verbessert haben. Ein kühner Wunsch.

Das IPO-Fenster, von dem Investmentbanker gerne sprechen, wenn sie Gelegenheiten für einen Börsengang (Initial Public Offering, kurz: IPO) sehen, ist vom Sturm an den Finanzmärkten zugeschlagen worden. Kaum ein Investor interessiert sich momentan für neue Aktien, kein Börsenkandidat, der aktuell nicht ein großes Fragezeichen hinter seine Pläne macht. Die globale Vernetzung der Märkte erhöht das Risiko eines Fehlstarts: „Das richtige Timing eines IPO lässt sich mittel- bis langfristig nicht mehr planen“, sagt Martin Steinbach, Leiter des Bereichs IPO und Listing Services bei der Beratungsfirma Ernst & Young. „Gut beraten ist, wer Alternativen prüft und damit einen Plan B in der Tasche hat.“

Einen solchen könnte Siemens hervorholen, wenn die Tochter Osram, die im Herbst an die Börse gebracht werden soll, nicht auf das erhoffte Interesse bei Investoren stößt. Der Kurscrash „tangiert nicht unsere Vorbereitungen, die auf Hochtouren laufen“, behauptet zwar ein Siemens-Sprecher. „Unser Plan ist weiterhin, Osram im Herbst an die Börse zu bringen.“ Unkommentiert lässt er aber die lauten Spekulationen, Siemens könne auch Osram-Aktien an die eigenen Aktionäre verteilen (Spin-off), die diese dann später an der Börse handeln könnten. Siemens entginge dann zwar der Erlös eines IPO – aber auch eine mögliche Bauchlandung bei einem öffentlichen Verkauf auf dem Börsenparkett. Berater bezeichnen den Spin-off schon als den „neuen IPO“. „Erfolgreiche Börsenkandidaten haben sich Flexibilität geschaffen“, sagt Martin Steinbach. Wer gut auf alle Optionen vorbereitet sei, könne „einen schnellen Start in der heißen Phase“ nutzen – und sei womöglich auf die Börse gar nicht mehr angewiesen.

Auch die RAG-Stiftung, die den Chemiekonzern Evonik noch 2011 an der Börse verkaufen wollte, hält sich ein Hintertürchen offen. Zwar laufen die Vorbereitungen für den IPO offiziell weiter, wie ein Sprecher betont. Die Stiftung, der 75 Prozent von Evonik gehören, hatte im April aber erklärt, der Börsengang könne „jederzeit angehalten“ werden, wenn sich eine Eintrübung der Konjunktur abzeichne. Dies befürchten aber derzeit einige Ökonomen nach dem Börsencrash auf Raten.

Dabei hat sich an der guten Verfassung der deutschen Wirtschaft eigentlich noch nichts geändert. „Gemessen an seiner Wirtschaftskraft, müsste Deutschland jedes Jahr 20 bis 30 größere Börsengänge hervorbringen“, glaubt Martin Steinbach. Im ersten Halbjahr waren es an der Frankfurter Börse elf IPOs mit einem Emissionserlös von insgesamt 2,2 Milliarden Euro. Ob es in der zweiten Jahreshälfte noch einmal so viele werden, ist aber zweifelhaft. Schon vor dem jüngsten Crash war die Unsicherheit groß. „Die Sorge vor einer Staatspleite in Griechenland hat auch die Preise bei den erfolgreichen Emissionen unter Druck gesetzt“, meldete die Beratungsfirma Pricewaterhouse-Coopers. So notiert die Aktie des Berliner Wohnungsunternehmens GSW, in diesem Jahr bislang der größte Börsengang in Frankfurt, aktuell nur knapp über ihrem Emissionspreis von 19 Euro. Selbst Börsenstars wie das US-Unternehmen Linked-In, dessen Aktienkurs sich beim Börsendebüt Ende Mai fast verdreifacht hatte, sind zurückgefallen.

Die Investoren schauen in der Krise genauer hin. So gilt für 84 Prozent der institutionellen Anleger wie Investmentfonds eine schlechte Equity-Story (Darstellung der Erfolgsgeschichte) mit Abstand als größtes Risiko für das Gelingen eines Börsengangs, wie eine Umfrage des Fonds- Verbandes BVI ergab. 89 Prozent der Fondsmanager bemängeln außerdem, dass Investmentbanken häufig überzogene Preisvorstellungen hätten.

Gezahlt wird nur für erstklassige Qualität. Und die kam zuletzt vor allem in Asien auf den Markt. Von den weltweit 672 Börsengängen im ersten Halbjahr, deren Emissionserlös sich auf 111 Milliarden Dollar summierte, fanden 338 an asiatischen Börsen statt – 220 davon allein in China. „Chinesische Firmen, die hier an die Börse gehen, sind in der Regel hochprofitabel und sehr wachstumsstark“, sagt Steinbach.

Unternehmen aus der Volksrepublik entdecken auch den deutschen Aktienmarkt als Sprungbrett. Im zweiten Quartal starteten drei Chinesen in Frankfurt an die Börse. Die Krise scheint (noch) kein Thema für die Wirtschaftsgroßmacht: Vergangenen Mittwoch war der chinesische Partner der Schweizer Credit Suisse, Founder Securities, in Schanghai an die Börse gegangen – die Aktien legten um 44 Prozent zu.

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