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Nach Anschlägen: Deutsche Firmen setzen auf Indien – trotz Terrors

Auch nach den Anschlägen halten Experten den Standort für attraktiv. Allein der Handel mit Berlin umfasst 168 Millionen Euro.

Berlin - So schlimm die Terroranschläge in Indien auch sind – die Manager deutscher Unternehmen in Indien können aufatmen. Unter den zahlreichen Toten in der westindischen Finanzmetropole Bombay seien bisher keine Mitarbeiter deutscher Firmen, hieß es von der Deutsch-Indischen Handelskammer und Einzelunternehmen am Freitag.

Rund 850 deutsche Firmen produzieren in Indien, der Großteil der Beschäftigten sind Inder. Hinzu kommen mehr als 1000 Handelsniederlassungen deutscher Gesellschaften. „Für uns ist das Land ein sehr wichtiger Markt“, sagte eine Siemens-Sprecherin. Der Elektrokonzern beschäftigt in Indien 17 000 Mitarbeiter. Bis jetzt befürchte man kaum Beeinträchtigungen durch die Anschlagsserie. Auf dem Subkontinent arbeitet Siemens vor allem an der IT-Entwicklung. Knapp 1,9 Milliarden Euro habe der Konzern im Geschäftsjahr 2008 mit indischen Kunden umgesetzt. Der Elektrokonzern Bosch beschäftigt in Indien sogar rund 18 000 Mitarbeiter – wie bei Siemens zum überwiegenden Teil indische Staatsbürger. Im von Anschlägen betroffenen Bombay unterhält Bosch ein Vertriebsbüro.

Unter den am Freitag befreiten Geiseln in Bombay befanden sich auch sieben Mitarbeiter der Lufthansa, darunter drei Deutsche. Sie konnten das belagerte Hotel Oberoi verlassen und sollten noch am Freitag nach Hause geflogen werden.

Aus Berlin betreiben insbesondere Firmen aus dem Bereich Bio- und Medizintechnik mit indischen Partnern intensive Geschäfte. Im vergangenen Jahr betrug das Handelsvolumen allein zwischen der deutschen Hauptstadt und Indien fast 168 Millionen Euro – und ist damit im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 65 Prozent gestiegen.

Experten finden es noch zu früh, über die wirtschaftlichen Folgen der Anschläge zu urteilen. Indische Stellen teilten mit, dass durch die Terrorwelle keine Großprojekte zum Stillstand kommen würden. Ein Gefühl allgemeiner Verunsicherung werde in den nächsten Wochen und Monaten allerdings die Konsumlaune beeinträchtigen.

„Die Situation wird sich aber vermutlich schnell wieder normalisieren“, sagte Jan Thorsten Kötschau von der Deutsch- Indischen Handelskammer in Düsseldorf dem Tagesspiegel. Die Hauptgeschäftsstelle der Kammer in Bombay selbst war am Donnerstag zunächst geschlossen, die für dort geplante Weihnachtsfeier ist vorerst abgesagt worden. Auch US-Unternehmen, etwa Disney und Microsoft, haben ihre Niederlassungen in der Region vorübergehend geschlossen. Überall in Asien wurden Geschäftsreisen nach Indien abgesagt. Nach einer Schockphase werde die indische Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnen, schließlich habe das Land auch in der Vergangenheit zahlreiche Terroranschläge überstanden, sagte Kötschau.

Militante Seperatisten im Westen und Osten Indiens haben Investoren in den vergangenen 15 Jahren auch durch Anschläge auf Verkehrswege des Landes nicht abschrecken können. Selbst als maoistische Rebellen Konzernen offen mit Attentaten gedroht hatten, hatte das nicht zu einer Flucht ausländischer Firmen geführt. Kötschau rechnet damit, dass das südasiatische Land langfristig ein attraktiver Standort bleibe.

Wie andere Schwellenländer hatte auch Indien zuletzt stark unter der internationalen Finanzkrise zu leiden. Ausländische Anleger haben dieses Jahr eine Rekordsumme von umgerechnet zwölf Milliarden Euro allein aus Aktien abgezogen und das Börsenbarometer Sensex damit um rund 60 Prozent abstürzen lassen. Dennoch: Die indische Wirtschaft hat sich noch im Sommer gegen den weltweiten Abwärtstrend gestemmt – und ist in den Monaten Juni, Juli und August um fast acht Prozent gewachsen, wie aus am Freitag veröffentlichen Daten der indischen Regierung hervorgeht.

Anders geht es den asiatischen Tigerstaaten: Im Zuge der Finanzkrise stehen etwa in Südkorea inzwischen Fabriken still; vor allem Malaysia und Thailand bekommen die globale Nachfrageflaute zu spüren.

Indien konnte seit der Öffnung seiner Wirtschaft 1991 einen kontinuierlichen Boom verzeichnen. Das Land ist nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes auf dem Weg, in den nächsten Jahrzehnten nach China und den USA zur drittgrößten Volkswirtschaft zu werden. Zugleich muss aber die Hälfte der 1,1 Milliarden Einwohner mit umgerechnet einem Euro pro Tag auskommen.

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