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Nach dem Fall des VW-Gesetzes: Quo vadis Volkswagen?

Nun ist sie vorbei, die VW-Idylle, in die keine bösen Investoren reindurften. Der Europäische Gerichtshof hat das Gesetz zum Schutz des Volkswagenkonzerns verworfen. Wie geht es jetzt weiter mit Europas größtem Autokonzern?

So richtig überrascht hat es niemanden. Der Europäische Gerichtshof hat eines der eigentümlichsten Konstrukte der deutschen Wirtschaftsgeschichte verworfen. Revision nicht möglich. Das Volkswagen-Gesetz war nur schwer mit geltendem EU-Recht vereinbar. Soviel war klar. Daher ging im Vorfeld auch kaum jemand davon aus, dass die Schutzregelung für den Wolfsburger Autokonzern bestehen bleiben würde. Bei den beteiligten Akteuren, dem VW-Vorstand, Porsche, dem Betriebsrat und dem Land Niedersachsen, wird es bereits Pläne für die Zeit nach dem Urteil geben. Wie die aussehen, werden die nächsten Tage zeigen.

Klar sind in dem Kampf um den Konzern nur die Interessen der Beteiligten. Das Land Niedersachsen ist Volkswagen-Land. Mit Werken in Wolfsburg, Braunschweig, Emden Hannover und Salzgitter lebt dieses Bundesland wie kein anderes von VW. Um auch entsprechenden Einfluss auf das Unternehmen zu haben, wurde 1960 das Gesetz geschaffen. Dennoch ist man in Hannover nicht davon ausgegangen, dass sich dieses außergewöhnliche Konstrukt halten lässt. Das Land will trotzdem die Anteile halten und weiter ein gewichtiges Wort mitreden. Mit rund 20 Prozent ist dies durchaus möglich. Den zweiten Sitz im Aufsichtsrat für das Bundesland dürfte es allerdings künftig nicht mehr geben.

Volkswagen ist Realpolitik

Für die Politik und Ministerpräsident Wulff ist es wichtig, weiter bei VW mitzumischen. Denn die Stimmung der Bevölkerung ist eher gegen den neuen Großaktionär Porsche gerichtet. In Städten wie dem Stammsitz Wolfsburg, wo weit mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze direkt oder indirekt mit Porsche zusammenhängen, würden viele den Schwaben am liebsten die Tür zeigen. Im Januar ist Landtagswahl in Niedersachsen. Alleine schon deshalb muss sich Wulff an die Seite von VW stellen und den Menschen das Gefühl geben, das Land redet bei VW mit.

Neben der Politik hoffen die Angestellten vor allem auf die Gewerkschaften. Die IG Metall ist eine Macht im Volkswagen-Land. Innerhalb des Konzerns liegt der Organisationsgrad jenseits der 90 Prozent. Auch die Kassen der Gewerkschaft sind entsprechend gefüllt. Die Betriebsrat macht demgemäß immer wieder deutlich: Wir sind kampfbereit.

Doch der VW-Betriebsrat ist auch angeschlagen. Die Affäre um Lustreisen und bestechliche Arbeitnehmervertreter hat Spuren hinterlassen. Die Bevölkerung hat das allzu einträgliche Zusammenspiel zwischen Betriebsrat Volkert und Manager Gebauer nicht vergessen. Der Verdacht, dass es sich bei dem Fall nur um die Spitze eines Eisbergs handelt, schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Konzern. Auch für die Politik ist der Prozess entscheidend. Sollten weitere Vorkommnisse aufgedeckt werden, wird das auch den niedersächsischen Gralshütern von Volkswagen nicht spurlos vorbeigehen. Pikanterweise wird das Urteil im VW-Prozess am 24. Januar ausgesprochen, drei Tage vor der Landtagswahl.

Porsche am Limit

Bleibt noch Porsche als neuer Großaktionär. Mehr als 30 Prozent der Aktien haben die Autobauer aus Zuffenhausen angehäuft. Das hat viel Geld gekostet. Der Aktienkurs von VW hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt und seit dem Bekanntwerden des schwäbischen Engagements besondere Sprünge hingelegt. Für Porsche ist das Urteil ein wichtiger Baustein für eine Übernahme. Gegen die bereits erworbenen Anteile wird niemand VW kaufen können. Der Weg scheint frei für die Aufstockung auf 50 Prozent. Doch der Fall des VW-Gesetzes bedeutet vor allem erst mal einen Zeitgewinn.

Für eine Übernahme müsste sich Porsche weit aus dem Fenster lehnen. Fünf Milliarden Euro haben die 31 Prozent von VW bisher schätzungsweise gekostet. Dieser größte Teil ist zu wesentlich niedrigeren Kursen gekauft worden. Die restlichen 20 Prozent dürften deutlich teurer werden. Das Szenario einer schnellen Übernahme ist nicht sehr wahrscheinlich. Die Kredite und daraus folgende Zinslasten dürften auf die Schnelle eine zu große Bürde darstellen.

Gebundenes Kapital

Andererseits bringt Porsche das investierte Geld so nicht viel. Porsche-Miteigentümer Piëch will einen großen europäischen Autokonzern schmieden. Für den Sportwagenhersteller soll VW die verlängerte Werkbank darstellen. Zudem sollen beide Konzerne bei der immer kapitalintensiveren Forschung zusammenarbeiten. Unter Experten hält sich auch weiter das Gerücht der kompletten Neuordnung des Konzerns. Das Filetstück Audi könnte der Porsche-Holding direkt unterstellt werden. Problemkind Seat ebenfalls, um den Druck zu erhöhen und im schlimmsten Fall abzustoßen. Lediglich Skoda dürfte wegen der engen Verzahnung unter dem VW-Dach bleiben.

Egal wie Porsche handelt. Zeit lassen oder Muskeln zeigen, es wird etwas ungemütlicher werden in VW-Land. Das haben die Menschen bereits gemerkt. Europas größter Autobauer kann sich nicht länger hinter staatlichem Schutz und kraftstrotzenden Gewerkschaften verstecken. Das ruft unrühmliche Erinnerungen an die schwierigen neunziger Jahre hervor, als es schon mal schlecht stand um Volkswagen. Existenzängste und politische Krisen in Niedersachsen waren die Folge.

Politik und vor allem Porsche haben es nun in der Hand zu zeigen, dass ein Gang des Konzerns in die freie Marktwirtschaft kein Untergang sein muss. Auf lange Sicht ist die Ehe zwischen Porsche und Volkswagen gut für die deutsche Wirtschaft. Porsche baut schließlich in Deutschland Autos und hat nie zu erkennen gegeben, daran was ändern zu wollen. Auch bei VW nicht. Doch auf einige der lieb gewonnenen Privilegien wird man in Wolfsburg schon verzichten müssen. Das dürfte der Preis für die Sicherheit von Arbeitsplätzen sein.

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