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Richter auf dem Parkett. Die Urteilsverkündung von Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle wurde von Aktienhändlern aufmerksam verfolgt.

© REUTERS

Nach dem Gerichtsentscheid: Märkte feiern ESM-Urteil

Anleger reagieren erleichtert auf den Richterspruch zum Euro-Rettungsschirm und greifen zu Aktien, Euro und Rohstoffen – deutsche Bundesanleihen verlieren dagegen an Attraktivität.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist an den Finanzmärkten mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Anleger griffen am Mittwoch bei Aktien, Rohstoffen und dem Euro zu, die Kurse stiegen kräftig. Banken, Analysten, Ökonomen und Wirtschaftsverbände begrüßten den Richterspruch einhellig.

Der Deutsche Aktienindex (Dax) erreichte ein neues 14-Monats-Hoch bei 7410 Zählern. Kurz vor Handelsschluss lag er bei 7343 Punkten (plus 0,5 Prozent). Der Euro näherte sich der Marke von 1,30 Dollar und kostete zuletzt 1,2895 Dollar. Gefragt war auch Gold, die Feinunze kostete zeitweise 1746 Dollar. Mit Kursgewinnen starteten auch die US-Aktienmärkte in den Handel.

Aus Sicht der deutschen Industrie macht das ESM-Urteil den Weg zur Lösung der Schuldenkrise frei. „Die Industrie begrüßt, dass gleichzeitig wichtige Leitplanken gesetzt wurden“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel, in Berlin. Das Urteil schaffe Rechtssicherheit und den Raum für die notwendige Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. „Wir in Europa sollten jetzt den ESM und den Fiskalpakt verstärkt einsetzen und dann die Geduld aufbringen, beide wirken zu lassen“, erklärte Keitel. Im Gegenzug müssten die europäischen Krisenstaaten die Auflagen einhalten. Die Sparkassen sowie die Verbände der öffentlichen und privaten Banken begrüßten das ESM-Urteil ebenfalls.

Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sagte, die Möglichkeiten des ESM seien klar eingegrenzt worden. So sei „dem ESM die Banklizenz genommen worden“. Damit könne der Rettungsschirm nicht „Finanzgeschäfte aller Art machen“. Außerdem habe das Verfassungsgericht die Haftung Deutschlands auf 190 Milliarden Euro begrenzt. Summen von bis zu 640 Milliarden Euro seien damit vom Tisch.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann vermied es, öffentlich Stellung zu der Entscheidung des Verfassungsgerichts zu nehmen. Er ging auf das Urteil mit keinem Wort ein, als er bei einer Preisverleihung im Schülerwettbewerb „Jugend und Wirtschaft“ in Berlin die Festrede hielt. Stattdessen sagte er, Geldwertstabilität trage zu einer gerechten Verteilung bei. Inflation sei eine Art von Steuer.

Die Konsequenzen des ESM-Urteils waren unmittelbar an den Anleihemärkten spürbar. So musste Deutschland höhere Zinsen für frisches Geld zahlen. Die Versteigerung von Bundesobligationen mit fünfjähriger Laufzeit spülte knapp vier Milliarden Euro in die Staatskasse, wie die für das Schuldenmanagement des Bundes zuständige Finanzagentur mitteilte. Die Durchschnittsrendite verdoppelte sich nahezu auf 0,61 Prozent. Im August war sie noch auf das Rekordtief von 0,31 Prozent gefallen. Trotz der höheren Rendite ging die Nachfrage zurück. „Der Appetit auf deutsche Staatsanleihen lässt nach“, sagte Nick Stamenkovic von RIA Capital Markets. „Wenn die Spannungen in der Währungsunion nachlassen, dann verlieren die als sicherer Hafen geltenden deutschen Bonds an Anziehungskraft.“

Die Renditen von Staatsanleihen der Krisenländer fielen hingegen. Italien sammelte problemlos eine Milliarde Euro ein. Der Zins für die einjährigen Bonds fiel auf 1,69 Prozent, nachdem er im August noch 2,77 Prozent betragen hatte. Im Juni waren es noch fast vier Prozent gewesen. Auch die Renditen für Spanien gaben am Markt nach. Die Zinsen für zehnjährige spanische Bonds sanken zeitweise auf 5,613 Prozent von 5,724 Prozent am Vorabend. Spanien erwägt unterdessen einen Antrag auf stützende Anleihenkäufe und könnte als erstes Euro-Land vom neuen Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) profitieren. Entschieden sei aber noch nichts, sagte Ministerpräsident Mariano Rajoy am Mittwoch im Parlament: „Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, dass Spanien darum bitten muss.“ Eine vollständige Rettung des Landes sei jedenfalls nicht notwendig, hatte Rajoy zuvor in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit zwei finnischen Tageszeitungen betont. mit dpa, dapd

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