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Mit harter Hand. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet will wohl bald die Leitzinsen erhöhen, um die Preise stabil zu halten. Foto: dpa

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Wirtschaft: Nach der Zinswende

Steigt der Leitzins, wird das Bauen teurer. Aber Festgeld bringt mehr

Die Zinsen steigen auf breiter Front. Die besten Angebote bei Tagesgeldern werfen wieder deutlich mehr als zwei Prozent ab, fünfjährige Sparbriefe bringen knapp vier Prozent. Wer heute einen Baukredit abschließt, muss im Schnitt einen vollen Prozentpunkt mehr hinblättern als im Herbst 2010. Auch die Renditen deutscher Staatsanleihen steigen. Was an den Märkten vorweggenommen wird, könnte die Europäische Zentralbank (EZB) demnächst zementieren. EZB-Chef Jean-Claude Trichet jedenfalls stellte vergangene Woche zur Überraschung der meisten Analysten und Marktbeobachter den ersten Zinsschritt seit fast zwei Jahren und damit das Ende der Tiefstzins-Ära in Aussicht. Die Zinsspezialisten von HSBC Trinkaus prognostizieren, dass die Notenbanker die Zinszügel bis zum Herbst von aktuell einem auf 1,5 Prozent anziehen. Die UBS sieht gar zwei weitere Zinsschritte bis auf 1,75 Prozent.

IMMOBILIENKREDITE

Für Kreditkunden und Häuslebauer sind dies schlechte Nachrichten. Für die Finanzierung muss mit deutlich spitzerem Stift gerechnet werden als noch vor einem halben Jahr. Bei Hypotheken mit zehnjähriger Bindung und 80 Prozent Beleihung steht effektiv nun durchgängig eine vier vor dem Komma. Im Spätsommer 2010 waren solche Darlehen noch für drei bis 3,5 Prozent zu haben. Wer also ein Annuitätendarlehen von 200 000 Euro aufnimmt und ein Prozent tilgt, so rechnet die FMH Finanzberatung vor, zahlt inzwischen nicht unter 827 Euro pro Monat – beste Bonität und 20 Prozent Eigenkapital vorausgesetzt.

Wer sich vor einigen Monaten langfristig um einen Prozentpunkt tiefere Zinssätze sichern konnte, spart damit rund 150 Euro pro Monat oder rund 18 000 Euro in zehn Jahren. Das Gleiche gilt für fünfjährige Zinsbindungen, wo die Bestsätze von effektiv 2,5 auf bis zu 3,7 Prozent geklettert sind. Bei den meisten Anbietern muss der Kunde sogar mit Sätzen über 3,8 Prozent rechnen, bei geringerem Eigenkapital ist unter vier Prozent meist gar nichts mehr zu machen.

Wer eine Immobilie kaufen will, steht nun vor der Frage: Lohnt es sich, die aktuellen Konditionen langfristig festzuzurren? Oder steigen die Zinsen noch weiter? Robert Haselsteiner, Vorstand des Kreditvermittlers Interhyp, glaubt, dass Häuslebauer mit einer grundsätzlichen Tendenz zu höheren Zinsen bei allen Laufzeiten rechnen müssen. Er empfiehlt, die aktuellen Konditionen zu sichern und nicht auf Zinsrückgänge zu spekulieren. Die Anbieter trommeln seit Monaten für schnelle Abschlüsse von Krediten und die rasche Entscheidung für eine Immobilie. Mit Erfolg: Das Volumen neu abgeschlossener Hypotheken lag im Januar auf Allzeit-Rekord.

Nicht vergessen sollte man indes, dass die Baugeld-Sätze aktuell immer noch zwei volle Prozentpunkte unter ihrem langjährigen Mittel liegen. In den letzten 20 Jahren kostete zehnjähriges Baugeld laut FMH-Finanzberatung im Schnitt 6,21 Prozent, in den letzten 30 Jahren lag der Durchschnitt sogar bei 7,02 Prozent. Max Herbst von FMH-Finanzberatung hält darum Eile für unnötig. „Die Hypothekenzinsen können nach der Zinserhöhung der Notenbank auch stabil bleiben oder sogar leicht fallen“, glaubt der Zinsexperte. Die EZB signalisiere dem Markt, dass ihr die Stabilität der Währung wichtig sei. Dies schaffe Anlegervertrauen und nehme Druck von den Zinssätzen.

TAGESGELD

Auf der Anlageseite reagiert der Markt wie üblich deutlich langsamer. Für variabel verzinste Tagesgelder zahlen manche Institute, etwa die Bank of Scotland, Cortal Consors oder die VW Bank zwar wieder gut zwei, in der Spitze sogar knapp drei Prozent (Advanzia-Bank). Doch im Schnitt stiegen die Zinsen nach FMH-Berechnungen seit Herbst nur von 1,25 auf 1,55 Prozent. Drehen die Euro-Banker im April an der Zinsschraube, sind Anpassungen bei den Tagesgeldern allerdings sehr wahrscheinlich, glaubt Herbst.

STAATSANLEIHEN

Auch die Besitzer von Anleihen leiden schon seit der Zinswende im vergangenen Herbst unter steigenden Sätzen. Anleihen, die bereits länger auf dem Markt und mit niedrigeren Zinskupons ausgestattet sind, werden zunehmend unattraktiver, die Kurse sinken. Umgekehrt steigen die Renditen, also das Verhältnis zwischen Kurs und Zinskupon, womit der Markt klar vorgibt, welche Sätze der konkret bei künftigen Emissionen erwartet. Wer also im vergangenen Jahr auf Einkaufstour war und eine laufende Anleihe über dem Emissionskurs im Depot hat, liegt zum Teil trotz des Zinskupons im Minus. Ein Beispiel: Die im April 2010 emittierte und bis 2020 laufende Bundesanleihe (WKN 113540) ist von ihrem Spitzenkurs bei 108 auf inzwischen 97,50 gefallen. Den Kupon von drei Prozent hat der Kursverfall je nach Einstiegszeitpunkt bereits aufgezehrt. Für alle Anleihen gilt: Steigende Zinsen sind Gift. Geht der Trend weiter nach oben, sind weitere Kursrückgänge zu erwarten. Auf dem niedrigen Niveau könnten sich aber auch wieder Einstiegschancen ergeben.

FESTGELD

Bei Festgeldern versuchen viele Anbieter derzeit, Kunden mit optisch attraktiven Zinsen langfristig zu binden. „Länger parken lohnt sich“ wirbt etwa die Comdirect und lockt mit vier Prozent Zinsen – aber nur, wenn sich der Anleger bis 2021 an die Bank bindet. Die Bausparkasse Mainz verspricht gar 4,5 Prozent. „Solche Zeiträume legen den Kunden zu lange fest“, sagt Herbst und rät, Gelder maximal fünf Jahre fest zu binden. Der Bank of Scotland ist dies schon 4,25 Prozent wert. Spitzensätze bieten hier auch sonst nur ausländische Institute, während die meisten deutschen Banken bei drei Prozent eine Grenze eingezogen haben.

SPARBÜCHER

Auch bei Sparbriefen oder dem normalen Sparbuch hat sich wenig getan. Viele Banken setzen ihre Kunden hier gar immer noch mit Sätzen von 0,25 Prozent auf Geld-Diät. Bei einer Inflationsrate von zwei Prozent schrumpft die Anlagesumme real also kontinuierlich. Die Berliner Bank etwa ließ sogar ihre jüngsten Kunden leiden und senkte den Zins ihres Jugend-Sparkontos im Herbst abrupt von 3,5 auf 0,25 Prozent. Im Schnitt liegt der Spareckzins mit 0,6 Prozent auf dem gleichen Niveau wie im Herbst, zeigen FMH-Berechnungen. „Skandalös“, kommentiert Herbst, „ist dabei vor allem das Verhalten der Kunden, die sich solche Praktiken gefallen lassen und nicht sofort die Bank wechseln.“ Die Postbank etwa winkt mit 1,7 Prozent, wenn auch nur für Online-Kunden.

AKTIENMÄRKTE

Auch auf den Aktienmärkten bleiben Zinserhöhungen nicht ohne Wirkung. Steigen die Zinsen, müssen die Unternehmen mit höheren Finanzierungskosten kalkulieren. Dies könnte auch an den Gewinnen nagen. Auch der Goldpreis könnte mittelfristig Blessuren davontragen, wenn sich die Zinsmärkte zur rentablen Alternative mausern, allerdings nur, wenn der Trend zu höheren Zinsen auch auf die USA und den Dollar durchschlägt.

Veronika Czisi

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