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Karriereleiter. Ohne Top-Examen, am besten noch Auslandsaufenthalt oder Promotion braucht man sich gar nicht erst zu bewerben. Das Foto zeigt eine Skulptur des Bildhauers Peter Lenk an der Fassade einer Bank in Berlin. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Wirtschaft: Nach oben

Anspruchsvoller Job, kaum Freizeit, super Bezahlung: Was ist dran an den Klischees über Top-Anwälte?

Viele Jura-Studenten träumen davon, nach dem zweiten Staatsexamen in einer Groß-Kanzlei einzusteigen. Zum einen locken die Einstiegsgehälter, die zwischen 50 000 und 100 000 Euro im Jahr liegen. Zum anderen macht sie die Arbeit mit interessanten Mandanten wie internationalen Wirtschaftsunternehmen als Arbeitgeber so attraktiv.

Vom 21. bis 24. September findet in Berlin der 68. Deutsche Juristentag statt. Viele der Anwälte, die es bereits bis nach oben geschafft haben, werden dort zusammenkommen.

Auch Vincent Meyer hat es in eine Groß-Kanzlei gezogen. Er hat in Freiburg, Montpellier und Berlin Jura studiert und anschließend an der Humboldt-Universität Berlin promoviert. Heute ist er Associate bei einem der beliebtesten Arbeitgeber der Branche, der internationalen Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Dieringer. Beim Ranking der Karriere-Zeitschrift „Azur“ für junge Juristen belegt die Kanzlei regelmäßig einen der vorderen Plätze.

Zu den Mandanten von Freshfields gehören weltweit agierende Wirtschaftsunternehmen wie Vodafone oder Siemens. Die Großkanzleien bieten den Unternehmen in der Regel eine umfassende Rechtsberatung, nicht nur in Wirtschaftsrecht, sondern auch in Baurecht oder etwa Arbeitsrecht, je nachdem was der Mandant gerade benötigt. Die international aufgestellten Rechtsexperten sind zum Beispiel bei Firmenübernahmen oder dem Abschluss von Verträgen gefragt, die über Ländergrenzen hinweg gelten sollen.

Die einzelnen Mandate werden häufig von größeren, international besetzten Teams bearbeitet, erklärt der 35-Jährige die Arbeitsorganisation. „Da muss man sich auf die Kollegen verlassen können, egal ob die in New York, Paris oder Frankfurt sitzen.“ Der hohe Qualitätsanspruch gebe auch Sicherheit in der Auseinandersetzung mit Anwälten der Gegenseite.

Wenn es sein muss, arbeitet Vincent Meyer auch mal ein Wochenende durch. Im Schnitt kommt er auf 50 bis 60 Stunden in der Woche. „Man arbeitet viel, aber wird auch entsprechend entlohnt und gefördert“, sagt er. Das Klischee, in einer Großkanzlei würde man in erster Linie Akten wälzen, kann er nicht bestätigen, der direkte Kontakt zum Mandanten gehört zu seinem Alltag dazu, auch wenn er kaum die Möglichkeit hat, sich einen Mandantenstamm aufzubauen, so wie das in kleineren Büros möglich ist.

Vor dem Referendariat hatte Vincent Meyer durchaus Bedenken, ob eine Großkanzlei für ihn das Richtige ist. Doch die Befürchtung, auf lauter karriereversessene Juristen mit Scheuklappen zu stoßen, hat sich nicht bewahrheitet. Eines haben die Kollegen aber alle gemeinsam: ein Prädikatsexamen mit mindestes „voll befriedigend“. Schon für ein Praktikum muss man sehr gute Noten vorweisen.

„Die Noten verfolgen Juristen ein Berufsleben lang“, sagt Olaf Hopp von der Recruitingagentur Hopp PSC in Frankfurt, die auf Juristen spezialisiert ist. Deshalb empfiehlt er, sich im Studium voll und ganz auf ein gutes Examen zu konzentrieren. „Die tollsten Praktika nutzen gar nichts, wenn die Examensnote nicht den Anforderungen der künftigen Arbeitgeber entspricht. Schaden kann es nicht, sich im Wahlfach für wirtschaftsrechtliche Themen zu entscheiden. Viel wichtiger aber ist es, regelmäßig Klausuren zu schreiben und erst ins Examen zu gehen, wenn Prädikatsniveau erreicht ist.“

Mit dem Top-Examen, am besten noch einem Auslandsaufenthalt oder einer Promotion in der Tasche, kann man sich bei den Großkanzleien bewerben. „In der Regel gibt es ein Erstgespräch mit einem für Einstellungen zuständigen Partner und einem weiteren Partner, der den vom Kandidaten angestrebten Rechtsbereich vertritt“, erklärt Olaf Hopp das Auswahlverfahren. Falls der Kandidat überzeugt, folgt meistens ein zweiter Termin, bei dem er weitere Kollegen kennen lernt.

Für Wolf-G. von Rechenberg von der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle sind Kandidaten interessant, die neben den Examensnoten persönliche Flexibilität, ablesbar an Auslandsaufenthalten oder Studienortwechseln, und Zusatzqualifikationen vorweisen. Letztlich aber sei entscheidend, ob man zueinander passt.

Da Vincent Meyer seinen späteren Arbeitgeber aus dem Referendariat kannte, lief das Bewerbungsgespräch zum Associate eher formlos ab. Als nächste Stufe auf der Karriereleiter erfolgt in der Regel nach etwa vier Jahren Kanzleizugehörigkeit die Beförderung zum Principal Associate. Viele angestellte Anwälte streben dann an, Partner zu werden.

Wer Top-Anwalt werden will, muss flexibel sein. Das kann auch bedeuten, dass man für den Traumjob umziehen muss. Denn: In Berlin ist die Nachfrage groß, die Stadt ist bei jungen Anwälten sehr beliebt, Großkanzleien aber weniger stark vertreten als in den Wirtschaftszentren Frankfurt am Main und München.

Dafür hat Berlin anderes zu bieten: „Es gibt hier exzellente, auch überregional bedeutsame Fachkanzleien, so genannte Boutiquen, die in speziellen Rechtsgebieten wie Urheberrecht, IT-Recht, Medizinrecht oder Energierecht tätig sind“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Anwaltsvereins Christian Christiani. Im Gegensatz zu Großkanzleien arbeiten dort selten mehr als 30 Anwälte, die internationale Konzerne aber auch Kleinunternehmen und Privatleute vertreten. Der Verdienst liegt zwar in der Regel eher unter dem in einer Großkanzlei, ist aber dennoch attraktiv: Laut Gehaltsreport des Karrieremagazins „Azur“ liegen die Einstiegsgehälter in mittelgroßen und Spezialkanzleien in Berlin und im Osten Deutschlands bei 36 000 bis 75 000 Euro pro Jahr.

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