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Ohne Chef. Die Deutsche Bahn sucht nach dem Rücktritt von Rüdiger Grube weiter nach einem Nachfolger.

© Rainer Jensen/dpa

Nach Rücktritt von Grube: Suche nach Bahn-Chef zwischen Proporz und Parteibuch

Die Deutsche Bahn sucht nach dem Rücktritt von Rüdiger Grube weiter nach einem neuen Chef - die Chancen für Infrastruktur-Vorstand Pofalla steigen.

Bei der Deutschen Bahn geht es einmal mehr um Tempo und Timing – diesmal nicht auf der Schiene, sondern auf der Chefetage. Seit dem Ad-hoc-Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden vor zwei Wochen wird ein Nachfolger für Rüdiger Grube gesucht. Namen kursieren, Zeitpläne werden erstellt – doch gefunden haben die 20 Aufsichtsräte und ihre politischen Zuträger noch niemanden. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der von Grubes Rückzug überrascht wurde, hat von seinem Vorschlagsrecht bislang keinen Gebrauch gemacht. Vage erklärte er vor einer Woche, dass „in Kürze“ ein neuer Bahn-Chef gefunden sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die das letzte Wort hat, hält sich bedeckt. Von ihr weiß man nur, dass sie einen Favoriten hat: den früheren Kanzleramtsminister und Parteifreund Ronald Pofalla, seit Januar Infrastruktur-Vorstand im Bahn-Tower.

Ronald Pofalla wird für seine rasche Einarbeitung gelobt

Schien es zunächst so, als hätten sich die Chancen Pofallas nach Grubes Rücktritt verschlechtert, wird sein Name nun wieder häufiger genannt. Das Argument, für den „Kronprinzen“ komme der Sprung an die Konzernspitze zu früh, wird relativiert. Der erfolgreiche Polit-Manager werde trotz mangelnder unternehmerischer Erfahrung wohl zügig ins Amt an der Bahn-Spitze hineinwachsen können, heißt es. Selbst Aufsichtsräte, die Pofalla lieber noch ein paar Jahre als gemeines Vorstandsmitglied sähen, bescheinigen dem 57-Jährigen, dass er sich nach seinem umstrittenen Wechsel zur Bahn schnell und professionell eingearbeitet hat. „Beliebt in der Belegschaft ist er allerdings nicht“, heißt es. Ehrgeiz und Machtwillen könnten bei Pofalla schnell in Unbeherrschtheit und cholerische Ausbrüche umschlagen. Doch Fragen nach Qualifikation oder Sympathie zählen am Ende wenig, solange CDU/CSU und SPD in der Regierung uneins sind, wer den Staatskonzern führen soll. „Jeder spricht mit jedem, aber wir haben uns noch nicht geeinigt“, heißt es in der Koalition. „Alle erklären gerade, was für sie auf keinen Fall geht.“ Namen werden zwar nicht genannt. Es gehe aber nicht darum, jemanden kalt zu stellen – auch Pofalla nicht. Doch das Schweigen der Kanzlerin zeige, dass Merkel wisse, welche „Sprengkraft“ die Bahn-Personalie für die Koalition im Wahljahr habe, sagt ein SPD-Politiker. „Sie hätte sich sonst längst positioniert.“ Das Vorschlagsrecht für den Bahn-Chef hat die Union.

Aufsichtsrat Alexander Kirchner ist gegen eine Übergangslösung

Im Strategiespiel Bahn wollen die Interessen fein austariert werden. Dabei könnten nicht nur Merkel, sondern auch der Einfluss der Arbeitnehmerbank für Pofallas Karriere förderlich sein. Alexander Kirchner, stellvertretender Aufsichtsratschef und Vorsitzender der Gewerkschaft EVG, sprach sich vor dem Wochenende gegen einen Übergangskandidaten an der Bahn-Spitze aus. „Wer immer auch die Nachfolge von Rüdiger Grube antritt, wird einen langen Atem brauchen“, sagte Kirchner. Als Plädoyer für Pofalla will die EVG dies nicht verstanden wissen. Der Eigentümer sei jetzt gefragt, er müsse Personalvorschläge unterbreiten. Doch sollte der Eigentümer den Merkel-Vertrauten tatsächlich vorschlagen, würden die Arbeitnehmer dem Vernehmen nach für Pofalla stimmen – „mit ein paar Bauchschmerzen“. Auch seine Aufstellung als Vorstand der wichtigen Infrastruktur-Sparte mit mehr als 50000 Beschäftigten und 33000 Kilometern Schiene hatten die Arbeitnehmer mitgetragen. Pofalla selbst hält den Ball flach: Er sähe es nicht als Niederlage, wenn er nicht zum Bahnchef gekürt werde, sagte Pofalla der „Süddeutschen Zeitung“. Auch sein Posten als Infrastruktur-Vorstand sei reizvoll: „Die Infrastruktur ist das Rückgrat der Eisenbahn in Deutschland“, erklärte er.

Der Proporz von Arbeitnehmern und Arbeitgebern spielt bei der Bahn eine große Rolle

Bei der Bahn herrscht ein Geben und Nehmen: Scheidet Arbeitsdirektor Ulrich Weber in zwei Jahren aus dem Bahn-Vorstand aus, um in Rente zu gehen, können die Arbeitnehmer einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin vorschlagen. Man erwartet, dass die Eigentümerseite zustimmt. Im Gegenzug unterstützen die Arbeitnehmer den Vorschlag des Bundes für die Bahn-Spitze – wenn außer „Bauchschmerzen“ keine wichtigen Gründe gegen den Kandidaten oder die Kandidatin sprechen. Auch die Parteien geben und nehmen: Schlägt die Union den Bahn-Chef vor, nominiert die SPD den Aufsichtsratsvorsitzenden. Utz-Hellmuth Felcht dürfte diesen Posten bald verlieren, weil ihm die Aufsichtsratssitzung entglitt, nach der Grube seinen Rücktritt erklärte. „Felcht wird sich nicht mehr lange halten“, heißt es im Umfeld des Kontrollgremiums. Ob der frühere Tui-Chef Michael Frenzel mit SPD-Ticket aufrückt, scheint inzwischen unwahrscheinlich.

Die Opposition warnt vor "Kungelei"

Ein Deal zwischen Union und SPD für die Bahn-Spitze könnte auch möglich sein, wenn die Sozialdemokraten ihr Vorschlagsrecht bei einem ganz anderen öffentlichen Unternehmen ausüben, der Bundesagentur für Arbeit (BA). Deren Chef Frank-Jürgen Weise geht Ende März in den Ruhestand. Käme ein SPD-naher Nachfolger zum Zuge, würden die Chancen für Pofalla bei der Bahn steigen. Was die Opposition als Postengeschacher und Hinterzimmerpolitik kritisiert, verteidigen Koalitionspolitiker als normales Verhalten eines Eigentümers. „Die Bahn ist keine frei schwebende Aktiengesellschaft mit großem Streubesitz, sondern gehört zu 100 Prozent dem Staat“, heißt es. In jedem Familienunternehmen nähmen Eigentümer auf diese Weise Einfluss auf Vorstand und Aufsichtsrat. Grünen-Parteichef Cem Özdemir und Fraktionschef Anton Hofreiter warnen davor, dass die Grube-Nachfolge von den Regierungsparteien „ausgekungelt“ wird, „als würde es sich um ein politisches Amt handeln“. Es komme auf die Qualifikation und den Gestaltungswillen des neuen Bahn-Chefs an – etwa im Rahmen einer neuen Konzernstruktur. „Um einen fairen Wettbewerb auf der Schiene zu ermöglichen, wollen wir die undurchsichtige Verknüpfung von Netz und Betrieb lösen“, sagen die Grünen. Der Konzernbetriebsrat sieht das anders. „Die Tatsache, dass man aktuell auf der Suche nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden ist, löst nicht gleichzeitig die Frage nach einer Bahn-Reform aus“, meint Betriebsratschef und Aufsichtsrat Jens Schwarz. Wie eilig es die Beteiligten haben, ist unklar. „Zwei bis drei Wochen werden wohl noch ins Land gehen“, sagt ein Mitspieler. „Es herrscht keine Eile, aber vor der Wahl im September will man entschieden haben.“ Andere warnen davor, die sensible Personalie zu lange offen zu lassen. Spätestens bis zur nächsten regulären Aufsichtsratssitzung am 22. März solle das Thema erledigt sein.

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