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Schluss bei Schlecker: Viele Filialen sind bereits geschlossen, viele weitere werden folgen.

© Reuters

Nach Schlecker-Aus: Die Debatte nach der Schuldfrage flammt auf

Keine Hoffnung für rund 13.000 Schlecker-Frauen: Die Drogeriemarktkette wird zerschlagen. Für FDP-Fraktionschef Brüderle trägt Verdi eine Mitschuld an dem Aus. Die Gewerkschaft sieht das ganz anders.

In Trauer vereint. Dieses Bild wollten die Gewerkschaftsvertreter am Freitag tunlichst vermeiden. So musste Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz das endgültige Aus der Drogeriemarktkette Schlecker allein verkünden. Zuvor hatte Verdi immer wieder auf mehr Mitwirkung gepocht, wollte Einsicht in die Investorenpläne nehmen. Dass dies die Situation entscheidend verändert hätte, wollten jedoch nicht einmal Gewerkschaftsvertreter bestätigen. Fest steht nun: Die insolvente Schlecker-Kette wird zerschlagen, mehr als zwei Drittel der verbliebenen 3100 Filialen beginnen ab sofort mit dem Ausverkauf und werden zum Ende des Monats geschlossen. „Das ist ein bitterer Tag für die Schlecker-Beschäftigten“, sagte Geiwitz. Wie es für die rund 13 400 meist weiblichen Mitarbeiter weitergeht, ist noch unklar.

Für mehrere hundert Filialen ist Geiwitz zuversichtlich, Käufer zu finden. Es gebe ernsthafte Angebote kleinerer und regionaler Investoren, die an Paketen von etwa 50 Filialen interessiert seien, sagte er, nachdem er die Betriebsräte in der Berliner Urania informiert hatte. Auch die großen, relativ modernen XL-Filialen – bundesweit etwa 500 – sollen einen Käufer gefunden haben.

Bis zum Schluss hatten die Arbeitnehmervertreter aber auf die große Lösung gehofft. Geiwitz hatte nach eigenen Angaben zuletzt mit zwei Interessenten verhandelt – dem Vernehmen waren das der Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen und der Finanzinvestor Cerberus. Vor allem die Gespräche mit Berggruen seien vielversprechend gewesen, sagte Geiwitz. Doch in der Nacht zu Freitag sei der Milliardär dann abgesprungen. Geiwitz verwies auf die laufenden Kündigungsschutzklagen von einem Drittel der bereits entlassenen 10 000 Mitarbeiter. Diese „Öffentlichkeitswirkung“ sei für Berggruen ein zu hohes Risiko für einen unbelasteten Neustart gewesen.

Fotostrecke - Chronik eines Scheiterns:

Indirekt schob Geiwitz damit den Schwarzen Peter der FDP zu, die mit ihrem Nein zu Bürgschaften für eine Transfergesellschaft erst für die hohe Zahl von Klagen gesorgt habe. „Bei der Schlecker-Tochter Ihr Platz gab es eine solche Gesellschaft, die Zahl der Klagen ist verschwindend gering.“ Der Abschluss mit einem Investor stehe dort deshalb kurz bevor.

Auch für die Betriebsräte, die enttäuscht und wütend den Saal verließen, ist der kleine Koalitionspartner der große Buhmann. „Die FDP hatte es in der Hand“, sagte eine Mitarbeiterin. „Ich möchte wissen, wie Herr Rösler das rechtfertigen will.“ Ende März war eine von Baden-Württemberg initiierte Bürgschaft mehrerer Länder über 70 Millionen Euro am Widerstand der FDP gescheitert. Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte Hilfen aus seinem Hause eine Absage erteilt. Die Liberalen wiesen die Verantwortung für eine Mitschuld aber am Freitag zurück. „Dass Schlecker jetzt pleite ist, liegt zuallererst an unternehmerischen Fehlentscheidungen“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle dem Tagesspiegel. Auch die Gewerkschaften hätten „mit ihren wiederholten Aufrufen zum Käuferstreik“ dazu beigetragen. „Erst trommeln und dann Krokodilstränen über das Ergebnis vergießen, ist scheinheilig.“

Verdi hält das für ein Ablenkungsmanöver. „Selbstverständlich haben wir nie zu einem Boykott des Unternehmens Anton Schlecker aufgerufen“, sagte Gewerkschaftssprecherin Christiane Scheller. Die Arbeitnehmervertreter wollen nun einen neuen Anlauf für eine Transfergesellschaft nehmen, die den betroffenen Mitarbeitern eine vorübergehende Lohnfortzahlung und intensive Hilfe bei der Suche nach einem neuen Job ermöglichen würde. Entgegen der Vorhersage von Rösler habe bislang nur ein kleiner Teil der im April entlassenen Frauen einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Brüderle erteilte dem neuerlichen Vorstoß eine Absage. Wichtig sei jetzt, dass die Bundesagentur für Arbeit den Mitarbeitern bei der Jobsuche helfe. Sie habe dafür die richtige dezentrale Struktur, betonte der frühere Bundeswirtschaftsminister.

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