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Wirtschaft: Nachhilfe aus Berlin für Chinas Kreative

Firmen präsentieren eigene Projekte in Shenzhen

Shenzhen - Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) hat es in seiner Funktion nicht immer leicht. Mal muss er erklären, warum Berlin beim Wachstum hinterherhinkt. Mal muss er zusehen, wie Konzerne ihre Produktion in der Hauptstadt dicht machen. Aber Wolf hat auch angenehme Aufgaben, zum Beispiel, wenn er nach China eingeladen wird, um von der leistungsstarken, lebendigen Kreativwirtschaft der Stadt zu berichten. Berlin, von der Unesco zur „Stadt des Designs“ gekürt, hat weltweit einen guten Ruf als Standort für ideenreiche Mediengestalter, Produktdesigner, Film- und Musikproduzenten. In der südchinesischen Wirtschaftsmetropole Shenzhen will man die Kreativwirtschaft ausbauen. Der Senator soll berichten, wie man das in Berlin angepackt hat. Da kommt man gerne vorbei.

Aktueller Anlass für die Einladung ist das Internationale Forum für Kulturindustrie (ICIF) in Shenzhen an diesem Wochenende. Im Vorfeld der Messe eröffnete Wolf am Donnerstag eine Ausstellung mit deutschen Designobjekten und einer Leistungsschau Berliner Firmen. Hier präsentieren sich Unternehmen wie der Brillenproduzent IC! Berlin, der Audiospezialist Burmester oder die Imageberater-Agentur (Corporate Identity) Metadesign. „Berlin ist eine Stadt, die viele junge Menschen anzieht“, sagte Wolf. „Sie profitieren von der offenen Atmosphäre Berlins. Denn eine Voraussetzung für gutes Design ist freies Denken.“

So lange man darüber nachdenkt, wie man Geld verdienen kann, sind auch in China der Gedankenfreiheit keine Grenzen gesetzt. Shenzhen ist das beste Beispiel der wirtschaftlichen Dynamik, die das Land in den vergangenen 30 Jahren entfaltet hat. 1979 machte Deng Xiaoping Shenzhen zur ersten Sonderwirtschaftszone des Landes. Heute leben rund zehn Millionen Menschen in dem ehemaligen Fischerdorf vor den Toren Hongkongs. Die moderne und saubere Stadt zieht junge Menschen aus dem ganzen Land an. Doch die Zeiten, in denen Shenzhen als Standort für billige Industrieproduktion wachsen konnte, gehen zu Ende. Unter anderem aufgrund gestiegener Löhne sind die Produktionskosten im Vergleich zu Ländern wie Vietnam oder Birma nicht mehr wettbewerbsfähig.

„Das haben die Chinesen längst erkannt“, sagt Dietmar Mühr, Geschäftsführer von Plex, einer Agentur für Corporate Identity und Design. „Sie wollen nicht mehr nur billig produzieren, sondern die gesamte Wertschöpfungskette abdecken.“ Dazu gehöre es etwa, aus dem Produkt eine Marke zu machen. „Dabei können wir Berliner helfen, vor allem, wenn es um den europäischen Markt geht.“ Bislang habe Plex allerdings keine chinesischen Auftraggeber, sagt Mühr, „mal sehen, ob sich was ergibt“.

Auch Jan Dietrich ist mit einem kleinen Stand auf der Berliner Leistungsschau vertreten, die von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner und dem Internationalen Design Zentrum Berlin organisiert wurde. Gemeinsam mit einem Partner hat er im vergangenen Jahr die Agentur D’Angelico und Dietrich gegründet. Die Klangdesigner haben zum Beispiel für einen Auftraggeber aus der Tiernahrungsindustrie eine Verpackung für Vogelfutter entwickelt, die quakt wie eine Quietsche-Ente, wenn man sie aus dem Regal nimmt. Er hofft auf erste Geschäftskontakte im Reich der Mitte, hat aber auch Bedenken: „Ein paar von meinen Mustern sind schon verschwunden. Grundsätzlich kann man so ein Produkt natürlich kopieren.“

Aber hier in Shenzhen sind die Unternehmer nicht mehr auf Nachahmung aus, sie wollen ihre Produkte künftig selber entwickeln und vermarkten. Zum Beispiel Jerfer Tian von Donjin, dem führenden chinesischen Hersteller von Schaltanlagen für die Telekommunikationsindustrie. „In drei bis vier Jahren wollen wir auch in Europa präsent sein“, sagt Tian. „Wir können Beratung für das dortige Marketing gebrauchen und würden gerne auf Ihre Erfahrungen zurückgreifen“, sagt er mit Blick auf die Berliner Delegation. Da hellt sich die Miene des sonst meist mürrisch blickenden Senators auf. Jerfer Tian sagt: „Wir wollen auf jeden Fall in Deutschland beginnen, und wenn wir kommen, dann natürlich in die Hauptstadt Berlin.“ Alexander Visser

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