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Wirtschaft: Nachwachsender Rohstoff

Renaissance der Clans – nicht nur bei Porsche und VW: Familien führen 85 Prozent der Unternehmen

Die deutsche Wirtschaft ist vor allem ein Familiengeschäft. In der Öffentlichkeit spielen die großen Aktiengesellschaften die dominante Rolle – besonders, wenn es um Stellenabbau geht. Doch spätestens nach dem Einstieg des Sportwagenbauers Porsche bei VW ist klar: Es gibt sie noch, die Familienkapitalisten, die ganz vorne mitmischen. Denn ohne die Zustimmung der Piëchs und Porsches hätte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking niemals das Milliardengeschäft durchziehen können. Gunter Kayser, Geschäftsführer des Instituts für Mittelstand in Bonn, spricht gar von einer „Renaissance der Familienunternehmen“ – nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung. „Familienunternehmen sind ein nachwachsender Rohstoff. Auch heute werden noch Firmen mit dem Ziel gegründet, sie an die nächsten Generationen weiterzugeben“, sagt Kayser.

Von den meisten Familienunternehmen bekommt die breite Öffentlichkeit so gut wie nichts mit. Dabei sind es in Industrie und Handel nach Erhebung der Bonner Mittelstandsforscher 85 Prozent der Unternehmen – fast 95000 –, bei denen eine Eigentümerfamilie mindestens 50 Prozent der Anteile hält und mindestens zwei Familienmitglieder in der Geschäftsführung tätig sind. 41 Prozent aller in Handel und Industrie Beschäftigten oder 7,7 Millionen arbeiten dort.

Norbert Winkeljohann, Vorstandsmitglied und Leiter Mittelstand beim Wirtschaftsprüfer PwC, sieht die Familienunternehmen ebenfalls im Aufwind. „Die hohe internationale Dynamik der Wirtschaft hat auch die Familienunternehmen erreicht“, sagt er. Und im Wettbewerb mit großen Konzernen haben sie laut Winkeljohann drei wesentliche Stärken: Sie sind entscheidungsfreudiger. Die Hierarchien sind flacher. Und Innovationen können schneller in Ergebnisse umgesetzt werden, während in einem Konzern erst einmal viele strukturierte Prozesse durchlaufen werden müssen. „So gelingt es Familienunternehmen vielfach, innovative Ideen schneller in Produkte umzusetzen“, sagt der Wirtschaftsprüfer. Besonders in Branchen, die sich schnell entwickeln, sind sie stark, etwa in Technik und Engineering. Dass Größe ein Nachteil sein kann, zeigten viele der so genannten Management Buy-outs. Zu beobachten sei, dass Nischenbereiche in Großkonzernen häufig nicht effizient geführt werden können, während sie nach Verselbstständigung und Verkauf etwa an einen Manager zum Erfolg geführt werden. Ein Beispiel dafür sei die Georgsmarienhütte. „Als kleine Einheit kann man Kunden häufig gezielter ansprechen und Innovationen schneller vorantreiben“, sagt Winkeljohann.

Dabei können Familienunternehmen im Vergleich zu anonymen Kapitalgesellschaften nicht nur schneller auf Marktveränderungen reagieren. „Sie können in größeren Zeiträumen planen“, sagt Knut Lange, der Wirtschaftsrecht am Wittener Institut für Familienunternehmen lehrt. Ein erfolgreiches Beispiel sei der süddeutsche Pharma- und Chemiekonzern Merck. „Als dort das Management vor einigen Jahren in den Geschäftsbereich Flüssigkristalle investieren wollte, war überhaupt nicht absehbar, dass die eine so große Rolle spielen würden“, sagt Lange. Flüssigkristalle sind nötig zur Produktion von modernen, flachen LCD-Bildschirmen. „Aber die Familie Merck hat an den Erfolg geglaubt und die Geschäftsführung unterstützt“, sagt der Unternehmensforscher. So seien die nötigen Mittel wesentlich leichter zu mobilisieren gewesen. Die entscheidende Perspektive für Familienunternehmen sei die nächste Generation, sagt Lange. „Ein Manager hat immer einen zeitlich befristeten Vertrag. In dieser Zeit muss er Erfolge zeigen“, erklärt der Wirtschaftsrechtler. „Doch in vielen Situationen kann kurzfristig orientiertes Handeln kontraproduktiv sein.“ Dagegen wären Familienunternehmer wesentlich eher bereit, auch einmal Durststrecken durchzustehen. Sie seien deshalb auch standorttreuer als große Konzerne. „Sehr viele Familienunternehmer fühlen sich sozial verantwortlich für ihre Beschäftigten“, sagt Lange. Andererseits seien sie aber auch als Unternehmer natürlich daran interessiert, Gewinne zu erzielen. „Sie versuchen, den Spagat zwischen Erfolg und Verantwortung zu schaffen.“ Dadurch zeigten sie, dass es noch eine andere Form des Kapitalismus neben den großen Konzernen gibt, die auch funktioniert.

Das sieht Mittelstandsforscher Kayser ähnlich. Für Familienunternehmen sei die Sicherung der Arbeitsplätze und des Marktes fast genauso wichtig wie die Rendite. Es seien von den Firmen „entscheidend weniger“ Jobs abgebaut worden als von Kapitalgesellschaften. Dabei steht häufig schon gar kein Familienmitglied mehr an der Unternehmensspitze, sondern ein angestellter Manager, der aber freilich den ethischen Vorgaben der Familie folgen muss. „Durch die Kombination wird die Unternehmensführung professioneller“, sagt Kayser. Bis Ende der 80er Jahre sei von vielen Familienunternehmen ein Manager von außen als unzumutbar empfunden worden. Seitdem habe die Kooperation zwischen Familie und angestellten Managern immer mehr an Bedeutung gewonnen.

Damit können die Unternehmen auch eine ihrer größten Schwächen etwas ausgleichen. Häufig sind sie nämlich auf eine Führungsperson konzentriert. „Das wird zum Problem, wenn die Familie keine fähige Unternehmerpersönlichkeit mehr hat“, sagt Kayser. Reinen Familienunternehmen fehlten Kontrollmechanismen. Auch Winkeljohann von PwC hat festgestellt: „Der Trend geht weg vom Patriarchen, der vieles auf sich vereinigt, hin zu einem qualifizierten Controlling, einer zweiten Führungsebene und einer Unternehmensstrategie, die regelmäßig von einem Beirat überprüft wird.“

Eine weitere Schwäche ist rein menschlich: „Je größer die Familie ist, desto wahrscheinlicher ist Streit“, sagt Lange. Bis zur Beilegung kann der ein Unternehmen lähmen. Wie beim Keksbäcker Bahlsen, der schließlich gespalten wurde. Wie man den Konflikt direkt verhindern kann, zeigt der Clan der Haniels. Der ist an einem ganzen Strauß von Unternehmen beteiligt bis hin zum Handelskonzern Metro – dort unternehmerisch mitmischen darf aber kein Familienmitglied mehr.

Für den Fall, dass ein Streit überhaupt nicht zu schlichten oder die Erbfolge zu schwierig ist, stehen die Interessenten für Familienunternehmen bereits bereit. „Es fließt auch für Unternehmensübernahmen im Mittelstand mehr ausländisches Geld nach Deutschland“, beobachtet Mittelstandsexperte Winkeljohann. Finanzinvestoren beteiligen sich an Unternehmen und führen sie teilweise mit anderen zusammen. Die so genannten Heuschrecken, die ein Unternehmen nur zerschlagen wollen, gebe es zwar auch – „aber das sind Einzelfälle“. In den allermeisten Fällen seien die Beteiligungen positiv für die Firmen.

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