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Glück gehabt.

© ddp

Wirtschaft: Namen machen Leute

Er ist im Job oft das erste, was man von seinem Gegenüber erfährt. Doch nicht jeder fühlt sich wohl mit seinem Namen. Was man tun kann, wenn man nicht so heißt, wie man sich das wünscht

Geraldine Chaplin besuchte die Royal Ballet Academy in London und wollte Ballerina werden, als sie für den Film entdeckt wurde und plötzlich in Doktor Schiwago als dessen Frau Tonja vor der Kamera stand. Das war der erste Meilenstein ihrer Schauspielkarriere – den die Tochter des großen Komikers Charles Chaplin ohne ihren Namen nicht gemacht hätte. Das sagte sie in einem Interview mit der Münchener Abendzeitung 1971.

Nicht jeder hat so viel Glück mit seinem Namen wie sie. Es gibt Menschen, die heißen so, wie sie sich das nicht gewünscht haben. Sie ändern ihren Namen manchmal sogar, um in der Arbeitswelt besser klar zu kommen. Das ist nicht nur im Showbusiness Thema. Ein prominentes Beispiel ist der Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard, der früher Ayerle hieß. Mit 29 nahm er den Namen seiner Mutter an. Weil er in den USA studierte und man dort den Namen des Vaters schlecht aussprechen kann, schreiben die Medien. Er selber will sich dazu heute nicht mehr äußern.

Es gibt viele Gründe, mit seinem Namen unzufrieden zu sein. Manche klingen nicht, andere haben eine peinliche Bedeutung, sind ein Massenphänomen, schlecht auszusprechen oder kompliziert zu schreiben. Aber kann ein Name tatsächlich auch zum Karrierebremser – oder im positiven Fall zum Karriereförderer werden? Lohnt es sich deshalb gar, darüber nachzudenken, ihn zu ändern?

Das Phänomen „Kevin“ ist inzwischen weit bekannt. Der angloamerikanische Vorname lässt sich wie Cindy und Mandy eher der „Unterschicht“ zuordnen, sagt der Soziologieprofessor der Freien Universität, Jürgen Gerhards. Zudem seien diese Namen in Ostdeutschland sehr beliebt. Auch auf Namen von Promis greifen demnach Menschen mit geringen Einkünften gern zurück. Die Oberschicht ziehe indes, auch aus einem Distinktionsbedürfnis heraus, eher ungewöhnliche, manchmal altmodische Namen vor.

Schon Vornamen können also folgenreich sein. „Sie sind soziale Identitätsmarker“, sagt der Soziologieprofessor der Freien Universität, Jürgen Gerhards. Geschlecht, Alter, religiöse Zugehörigkeit, ethnische Herkunft, Sozialisation: All das liest man allein vom Namen ab.

„Namen lösen Assoziationen aus“, sagt die Präsidentin des Berufsverbandes Deutscher Psychologen Sabine Siegl. Es handele sich dabei um Erinnerungen, Schubladen im Kopf, die man im Leben eingerichtet habe, um die Umwelt zu sortieren. So entstehen Vorurteile.

„Es käme wohl niemand auf die Idee, jemanden, der ein von im Namen trägt, für einen Hartz-IV-Empfänger zu halten“, sagt die Psychologin und Unternehmensberaterin. Mit einem von verbinde man gepflegte Umgangsformen und ein gut situiertes Leben. So bestimme ein Name zwar nicht allein den Erfolg einer Karriere. „Aber er kann durchaus ein Türöffner – oder auch Türschließer sein“, meint Sabine Siegl.

Doch was tun, wenn man sich wegen seines Namens abgelehnt oder gar diskriminiert fühlt?

200 bis 250 Anträge auf Namensänderung landen pro Jahr auf ihrem Schreibtisch, berichtet Susanne Rau vom Standesamt Berlin-Mitte. Zu ihr kommen Studenten, weil sie eine „deutschere“ Version ihres ausländischen Namens wünschen, Menschen, die ihre Allerweltsnamen loswerden wollen oder sich ein schickes von im Namen wünschen. Viele von ihnen schickt die Beamtin unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Nur wenn schwerwiegende Gründe vorliegen, empfiehlt sie, einen Antrag zu stellen. Nur dann gibt es eine Chance auf Erfolg. Was als schwerwiegend durchgeht, entscheidet das jeweilige Standesamt.

Auch viele in Deutschland lebende Ausländer wenden sich an die Standesbeamtin. Sie wollen ihren Namen ganz aufgeben oder zumindest den deutschen Gewohnheiten anpassen, um beruflich und gesellschaftlich keine Nachteile zu haben. Sie kommen, um die in Russland übliche weibliche Endung am Nachnamen streichen, für deutsche Zungen unaussprechliche Namen vereinfachen und in anderen Sprachen übliche Sonderzeichen entfernen zu lassen. Oder um einen ganz neuen Vor- oder Nachnamen zu erhalten. So kann etwa eine Berlinerin mit dem vietnamesischen Namen Thi Hoah Dinh einen Antrag stellen und, wenn der bewilligt wird, zu Hanna Dinh werden.

Mit dem Namen Hanna würde Frau Dinh dann ganz im Trend liegen. Der Name steht auf Platz 9 der Top-Ten der deutschen Vornamen des vergangenen Jahres. Platz eins bis drei belegen bei den Mädchen, Sophie, Marie und Maria und bei den Jungen Maximilian, Alexander und Paul, sagt Frauke Rüdebusch von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden. Ausgefallene Namen schaffen es selten so weit nach oben. Gefragt sind eher schlichte, traditionelle Namen. Doch auch die sind irgendwann wieder out sein. „Das ändert sich in Wellen“, sagt die Namensberaterin. Was heute beliebt sei, gelte oft zehn Jahre später als altmodisch.

Nicht jeder, der mit seinem Namen unzufrieden ist, muss ihn gleich ändern lassen. Die Psychologin Sabine Siegl rät etwa Trägern von Allerweltsnamen wie Müller oder Meyer, die von ständigen Verwechslungen genervt sind, auf ihren zweiten Vornamen zurückzugreifen. In der amerikanischen Version schiebt man einfach den Anfangsbuchstaben zwischen Vor- und Nachnamen, wie bei Georg W. Bush. Das mache den Namen interessanter. In Deutschland werde aber üblicherweise der ganz Name eingefügt.

Sabine Siegl kann aber durchaus verstehen, wenn jemand einen anzüglichen Namen wie etwa Ficker los werden will. „Man braucht viel Selbstbewusstsein, um einen solchen Namen auszuhalten“, sagt sie. Man muss ständig damit umgehen, dass sich jemand darüber lustig macht. Für das Gegenüber sei es nicht immer leicht, ihn auszusprechen. Auch das bekomme der Namensträger zu spüren.

Handelt es sich aber um einen „nur“ ungewöhnlichen Namen kann der durchaus ein Türöffner für die Karriere sein. „Ungewöhnliche Namen erregen Aufmerksamkeit. Sie sind ein guter Aufhänger für Smalltalk“, sagt die Psychologin. Über einen aus der Norm fallenden Namen kommt man leicht ins Gespräch.

Namen und Karriere, das passt für Gerold Frick, den Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung in Düsseldorf, ganz und gar nicht zusammen. „Namen spielen – wenigstens bei qualifizierten Personalentscheidern – keine Rolle“, sagt er. Zwar habe jeder Mensch Vorurteile. Gute Personaler aber hätten gelernt, sich diese bewusst zu machen, mit ihnen umzugehen – und allein nach Leistungs- und Persönlichkeitskriterien Stellen zu besetzen.

Anonymisierte Lebensläufe hält er für den falschen Weg. „Damit fassen wir das Problem nicht an der Wurzel“, sagt er. Spätestens beim Vorstellungsgespräch sitze man sich ja doch Gegenüber und eventuelle Vorurteile seien dann nicht einfach verschwunden. Bei der Personalauswahl setzt der Experte daher auf das Mehraugenprinzip: „Entscheiden mehrere Personen, werden Vorurteilsmuster relativiert“, sagt Gerold Frick.

Vor Jahren sollte er für ein Unternehmen einen kaufmännischen Geschäftsführer finden. Voraussetzung: Schwabe. Weil die dafür bekannt sind, das Geld zusammenzuhalten. „Zum Schluss ist es ein Niedersachse geworden“, erzählt der Personalexperte zufrieden.

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