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Wirtschaft: Nationalistische Töne in Südostasien prägen Wirtschaftsumfeld

SINGAPUR .Seit dem Ausbruch der Asienkrise sind im Westen Befürchtungen aufgekommen, die Länder in Südost- und Nordostasien könnten nun nationalistischer werden.

SINGAPUR .Seit dem Ausbruch der Asienkrise sind im Westen Befürchtungen aufgekommen, die Länder in Südost- und Nordostasien könnten nun nationalistischer werden.In Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrisen finden die Ideologen des Nationalismus fast immer stärkeren Zulauf.Viele asiatische Politiker und Wirtschaftsführer empfanden den Absturz in die Krise als eine solche Kränkung, daß die Versuchung groß ist, nach Sündenböcken zu suchen und die Enttäuschungen an den Ausländern abzureagieren.

Fast zwei Jahre nach dem Beginn der Asienkrise fehlt es allerdings immer noch an systematischen Untersuchungen, ob der Nationalismus tatsächlich an Terrain gewinnt.Es gibt nun aber zum ersten Mal Zwischenergebnisse einer Umfrage unter ausländischen Firmenvertretern.Durchgeführt wurde sie vom Hongkonger Risikoanalyse-Institut "Political & Economic Risk Consultancy" (PERC).Das vorläufige Fazit fiel überraschend aus.Obschon manche Äußerungen und Verhaltensweisen von Politikern und Wirtschaftsführern die Behauptung zu erhärten scheinen, die Region sei im Zeichen der Krise verkrampfter und nationalistischer geworden, gibt es auch gegenläufige Trends.

Als nationalistischster Staat in Fernost galt schon immer Korea.Da war der Widerwillen am stärksten, die Kredithilfe des IWF in Anspruch zu nehmen und die als Demütigung empfundenen Auflagen zu akzeptieren.Nachdem das Land der Morgenstille keine andere Wahl mehr hatte, kam es hier zu besonders virulenten Manifestationen der Fremdenfeindlichkeit und zum Boykott westlicher Produkte.Solche kollektiven Gefühlsausbrüche, die sich wirksam vermarkten lassen, prägen dann das Image im Ausland.Dabei geht vieles unter, was der Wirklichkeit näher käme.Den meisten Arbeitnehmern ist es nämlich egal, ob sie für eine nationale oder internationale Firma arbeiten: Hauptsache, sie haben einen Job.Selbst die militanten koreanischen Gewerkschaften schieben die Schuld an der Krise auch nicht den Ausländern in die Schuhe.Der Zorn richtet sich stärker gegen die eigenen Unternehmensleitungen.Ausgerechnet im nationalistischsten Land sind denn mit Bezug auf Konkursgesetze und die Beseitigung von Investitionshemmnissen Fortschritte gemacht worden, die es in weniger nationalistischen Ländern noch nicht gibt.

Als Nationalisten gelten die Reformgegner.Die gibt es auch in dem Land, das als einziges in Südostasien nie kolonisiert war und in dem die Menschen Ausländern gegenüber unbefangener auftreten als in Korea oder Indonesien.Gemeint ist Thailand.In der PERC-Umfrage schneidet das frühere Siam aber gar nicht so glänzend ab.Die nationalistischen Widerstände gegen eine Lockerung diskriminierender Bestimmungen in der Wirtschaft und im Finanzsektor sind stärker, als gemeinhin angenommen wird.Ein verbreiteter Kommentar thailändischer Unternehmer lautet: "Die Ausländer kommen nicht, um bei uns zu investieren, sondern nur, um die Schulden einzutreiben." Mit solchen Polemiken sind lange die Verabschiedung dringend benötigter Konkursgesetze sowie andere Reformen durch das Parlament blockiert worden.

Einen miserablen Ruf hat im Ausland Malaysia.Allerdings klafft eine großer Lücke zwischen dem, was Premierminister Mahathir hinausposaunt, wenn er über ausländische Spekulanten herfällt und behauptet, westliche Financiers hätten sich gegen sein Land verschworen, und was breite Kreise der Bevölkerung empfinden.Es gibt zwischen Auslandsfirmen und malaysischen Unternehmen weniger Konfrontationen als in anderen asiatischen Ländern, und der Umgang zwischen Einheimischen und Ausländern ist verträglicher als anderswo.

Ein anderes Gesicht trägt der Nationalismus in China.Kein Ausländer kann dem Reich der Mitte vorwerfen, dieses versperre ihm den Zugang.Im Gegenteil.Nirgends, so scheint es, werden Unternehmer und Investoren aus dem Westen und aus Japan stärker umworben.Der Fremde wird hereingelassen.Man läßt ihn sogar ein komfortables und im Vergleich zu den eigenen Landsleuten privilegiertes Leben führen.Wirklich "drinnen" ist er aber nie.Auf den ausländischen Investor übertragen heißt das: Er soll sich mit seinem Kapital engagieren, aber möglichst wenig Profit machen.

Interessant sind die aktuellen Trends in Hongkong.PERC führt die Umfrage über nationalistische Strömungen in Asien nun bereits seit 1995 durch.Vor fünf Jahren war Hongkong im Urteil der Befragten die kosmopolitischste Gesellschaft in Fernost.Nationalismus gab es nicht.Bereits vor dem Machtwechsel vom 1.Juli 1997 begann sich das zu ändern.Auch in der jüngsten Umfrage genießt Hongkong zwar immer noch ein besseres Rating als Korea, Thailand, China und Malaysia.Die Metropole wird jetzt aber bei weitem nicht mehr so vorteilhaft bewertet.Die Spannungen zwischen Hongkongern und Ausländern nehmen zu.Ein echter Öffnungsprozeß ist derzeit nur in Singapur zu beobachten, das als leuchtendes Vorbild und als Internationalist dasteht.

Man darf die Ergebnisse solcher Umfragen nicht überbewerten.Die Antworten bleiben subjektiv gefärbt, weil es keine objektiven Kriterien zu einer verbindlichen Begriffsbestimmung gibt.Die von dem Hongkonger Institut in Angriff genommene Arbeit könnte aber dazu beitragen, das Vorurteil abzubauen, im Zug der Wirtschafts- und Finanzkrise sei Asien generell nationalistischer geworden.Die Wirklichkeit ist komplexer.Seit dem Ausbruch der Krise ist es auffallend still geworden um die Apostel jener Wirtschafts- und Staatsphilosophie, die in den "asiatischen Werten" den Beweis für die angebliche Überlegenheit des Ostens über den Westen gesehen hatten.Gerade diese unkritische Propagierung war ein Ausdruck des Nationalismus, der in dieser Form an Einfluß und Bedeutung verloren hat.

KARL KRÄNZLE

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