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Wirtschaft: Netz der Heimlichkeiten

Berlin will die Strom- und Gasleitungen offenbar für weitere zehn Jahre an Vattenfall und Gasag vergeben

Berlin - Eigentlich sollte die Entscheidung in aller Vertraulichkeit durchgewunken werden: Der Senat beabsichtigt, die Konzessionen für die Berliner Strom- und Gasleitungsnetze für weitere zehn Jahre an die Versorger Vattenfall (früher Bewag) und Gasag zu vergeben. Unvermutet regt sich jetzt aber Protest: Die Opposition im Abgeordnetenhaus befürchtet weitere Preissteigerungen für Energie. Der private Gasversorger Natgas, der bisher nur Industriekunden bedient, kritisiert die Geheimniskrämerei des Senats.

„Wir wussten nichts davon, dass das Land Berlin jetzt über die Konzession für das Netz entscheidet”, sagte Natgas-Vorstand Detlef Weidemann dem Tagesspiegel. Sein Unternehmen hätte zumindest gern geprüft, ob sich eine Bewerbung rentieren könne. Bisher beliefert Natgas in Berlin nur Großkunden, möchte aber nach den Worten Weidemanns auch Privathaushalte bedienen. „Das lohnt sich wegen der Netzentgelte und der notwendigen Messtechnik nicht.“ So müsse für jeden Kunden eine Zähler-Anlage im Wert von 15 000 Euro installiert werden.

Damit sich das rechne, müsse ein Privathaushalt „mindestens 245 Jahre Kunde sein“, sagte Weidemann. Die Preise für Strom und Gas haben sich wohl auch darum in den vergangenen Jahren sehr unterschiedlich entwickelt: Während der Gaspreis für Privathaushalte in den vergangenen beiden Jahren um mehr als 30 Prozent stieg, sind es beim Strom knapp sechs Prozent.

Vattenfall und die Gasag besitzen langfristige Konzessionen, die es ihnen gestatten, ihre Leitungen auf öffentlichem Grund zu verlegen. Für beide Verträge besteht eine Kündigungsoption zum Ende dieses und des kommenden Jahres. Diese Option bestehe aber nur „theoretisch“, sagte der Sprecher der Finanzverwaltung, Matthias Kolbeck. „Für das Land Berlin und die Verbraucher bringt eine Kündigung keine Vorteile.“ Das Land müsse die Netze dann selber betreiben, sei dafür aber „nicht aufgestellt“.

Die Oppositionsfraktionen sehen das anders. „Die Lage ist keineswegs so eindeutig, wie der Senat das darstellt“, sagte der Haushaltsexperte der Grünen, Jochen Esser. Er fordert eine Kündigung der Verträge zumindest mit dem Ziel, bei Vattenfall und Gasag bessere Konditionen zu erreichen. Esser nennt günstigere Durchleitungsgebühren, höhere Umwelt- und Sicherheitsstandards und eine höhere Beteiligung der Leitungsbetreiber an Straßenbaukosten. Sein CDU-Kollege Alexander Kaczmarek kritisierte vor allem mangelnde Transparenz. „Man hätte die anstehende Konzessionsentscheidung bekannt machen müssen, um herauszufinden, ob es andere Interessenten gibt.“ Das Thema steht kommenden Mittwoch auf der Tagesordnung des Vermögensausschusses – wiederum in vertraulicher Sitzung.

Christoph Lemmer

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