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Wirtschaft: Neue Bundesländer: "Der Osten braucht 157 Milliarden Mark"

Die neuen Bundesländer benötigen weiterhin viel Geld, um ihre Infrastruktur zu modernisieren. Aufgestockt oder verringert werden sollten diese Summen aber nicht, findet der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann.

Die neuen Bundesländer benötigen weiterhin viel Geld, um ihre Infrastruktur zu modernisieren. Aufgestockt oder verringert werden sollten diese Summen aber nicht, findet der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann. Von 2005 an sollten die Leistungen 15 Jahre lang nicht verringert werden, sagte Zimmermann am Mittwoch in Berlin. 157 Milliarden Mark sind ab diesem Zeitpunkt für öffentliche Investitionen der Länder und Gemeinden nötig, heißt es in einem bereits bekannt gewordenen DIW-Gutachten für das Finanzministerium. Jedoch müsse man über einen effizienteren Einsatz der Transfers, auch auf dem Arbeitsmarkt, nachdenken.

Die neuen Länder müssten weiter mehr investieren als die alten, könnten dies aber nicht aus eigener Kraft, sagte Zimmermann. Nachholbedarf bestehe besonders im Straßenbau, der Abwasserentsorgung und der Modernisierung der Schulen.

Nachholbedarf regelmäßig prüfen

Bund und Länder wollen sich noch vor der Sommerpause auf einen neuen Länderfinanzausgleich und die Neuauflage des 2004 auslaufenden Solidarpakts einigen. Die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs war auf Grund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts notwendig geworden. Bundeskanzler Gerhard Schröder und die SPD-Regierungschefs der neuen Länder hatten sich in der vergangenen Woche darauf verständigt, das Fördervolumen von fast 21 Milliarden Mark im Jahr von 2005 an zehn Jahre fortzuschreiben und danach gegebenenfalls in Raten abzubauen. Dies dürfe jedoch nicht zu früh geschehen: "Eine degressive Entwicklung halten wir im Moment für nicht angemessen", empfahl Zimmermann. Es sei denkbar, den Nachholbedarf alle fünf bis sieben Jahre zu prüfen, um zu hohe Zahlungen zu vermeiden.

Die Zahl des Schröder-Plans könne jedoch nicht mit der des DIW verglichen werden, sagte DIW-Steuerexperte Dieter Vesper. Grund: Autobahnen und Schienen sind Bundes-Investitionen und in die Rechnung nicht einbezogen. Ebenso müssten für den Osten spezifische Probleme wie die Beseitigung von Umweltschäden, die Verbesserung von Wohnsiedlungen oder die schwache Steuerbasis gesondert finanziert werden.

Das sächsische Finanzministerium hat sich über den geringer veranschlagten Nachholbedarf "verwundert" geäußert. Das DIW sei im März 2000 noch von einem wesentlich höheren Investitionsbedarf ausgegangen, heißt in einer Erklärung des Ministeriums. Die Reduzierung dieser Summe im neuen DIW-Gutachten sei "nicht nachvollziehbar".

Vor etwa einem Jahr hatten die ostdeutschen Ministerpräsidenten den Bedarf auf 300 Milliarden Mark beziffert und sich dabei auf eine DIW-Studie bezogen. Zimmermann sagte, eine solche Summe habe das DIW nie genannt. Vielmehr sei es um einen Betrag von etwa 200 Milliarden Mark gegangen. Das am Mittwoch vorgestellte Ergebnis sei auf Grund verfeinerter Berechnungen zu Stande gekommen. Maßstab für den vom DIW ermittelten Nacholbedarf von 157 Milliarden Mark für die neuen Länder einschließlich Berlin sind die West-Länder, die vom Länderfinanzausgleich profitieren.

Selbst bei einer Angleichung der Infrastruktur sei aber nicht garantiert, dass es zu einem sich selbst tragender Aufschwung komme, sagte DIW-Chef Zimmermann. Dennoch sei bereits jetzt die Situation besser als vielfach dargestellt. "Der Osten steht nicht auf der Kippe", sagte Zimmermann. Es gebe viele wirtschaftsstarke Regionen. Generell müssten die Ost-Betriebe aber mehr exportieren. Außerdem müssten die Kommunen in den neuen Ländern ihre Ausgabenstruktur ändern. "Die Ausgaben für Personal sind zu hoch, investiert wird hingegen zuwenig", bemängelte Zimmermann.

Ost-Industrie optimistisch

Nach Einschätzung des Ifo-Instituts bleibt die Industrie auch im laufenden Jahr ein Wachstummotor für die Wirtschaft in den neuen Ländern. Die Produktion werde voraussichtlich kaum gebremst um durchschnittlich zwölf Prozent zulegen, teilte das Institut in München mit. Ihre Gewinnaussichten schätzten die ostdeutschen Industrieunternehmen deutlich positiver ein als in der Vergangenheit. Die Zahl der Beschäftigten werde weiter leicht zunehmen. 2000 betrug das Produktionsplus in den neuen Ländern laut Ifo 13,3 Prozent. Auch die Umsätze wuchsen um etwa 13 Prozent. Dabei hätten insbesondere die Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik zur guten Bilanz beigetragen. Es hätten aber auch Branchen wie die chemische Industrie (plus 33,2 Prozent) gut abgeschnitten. Dabei profitierten die Firmen von der großen Nachfrage aus dem Ausland.

Während in den vergangenen Jahren die meisten Firmen mit ihrer Ertragslage unzufrieden waren, machte sich jetzt Optimismus breit. "Erstmals überwogen per saldo die günstigen Ertragsurteile", berichtete das Ifo-Institut. Die moderaten Tarifabschlüsse des vergangenen Jahres hätten dazu wesentlich beigetragen.

brö

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