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Mist oder Mais - aus vielen organischen Abfällen lässt sich Biogas erzeugen.

© dpa

Neue Energien: Aus Mist noch mehr Geld machen

Viele Bauern erzeugen Strom. Derzeit produziert jeder für sich. Künftig wollen sie das professioneller betreiben.

Seit Generationen hält Familie Schaber Kühe. 43 Tiere stehen derzeit auf ihrem Hof im Allgäu. Doch allein vom Verkauf der Milch, die sie geben, kann Romuald Schaber nicht leben. „Wir haben noch eine kleine Biogasanlage“, erzählte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter kürzlich im Tagesspiegel-Interview. „Und wir haben unsere Dächer mit Photovoltaik ausgestattet.“

Die Schabers sind kein Einzelfall. Weil Landwirtschaft und Tierzucht nicht genug abwerfen, sind viele Bauern in den vergangenen Jahren zu Energieproduzenten geworden. Rund 20 Prozent aller Photovoltaikanlagen, die Solarenergie produzieren, werden in Deutschland von Landwirten betrieben. Von den rund 7000 Biogasanlagen sind sogar 71 Prozent in den Händen der Bauern, sagt Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands. „Für viele Landwirte ist die Energieerzeugung inzwischen ein zweites Standbein.“

Doch derzeit produziert jeder für sich. Das will Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands, ändern. Der Verband vertritt die Interessen der genossenschaftlich organisierten Unternehmen in der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft. Präsident Nüssel hat große Ziele: Er träumt von einer Zentralgenossenschaft, die den Bauern ihren Strom abnimmt, bündelt und an der Strombörse weiterverkauft – „auf Augenhöhe mit den Großen“. „Die Wertschöpfung muss im Dorf bleiben“, fordert Nüssel. Die Bauern dürften nicht zu Lieferanten für Großkonzerne wie Eon oder RWE degradiert werden, findet er. Der Verbandschef kommt selbst aus einer Bauernfamilie. Vor 40 Jahren übernahm er den Schweinemastbetrieb der Eltern.

Der Bauernaufstand gegen die Großen würde die Rolle der Landwirte im Energiegeschäft verändern. Bisher teilen sich die Bauern in zwei Gruppen auf. Es gibt diejenigen, die auf ihren Feldern Nutzpflanzen wie Mais oder Rüben anbauen und diese zur Weiterverarbeitung an die Biogasanlagen fremder Betreiber liefern. Andere Landwirte sind einen Schritt weiter. Sie haben eine eigene Anlage auf dem Hof oder teilen sich eine Anlage mit mehreren Kollegen. Je mehr Wertschöpfung in einer Hand bleibt, desto lukrativer ist die Sache. „Es ist besser, selber Energieproduzent zu sein als nur Lieferant“, sagt Bernd Geisen, Geschäftsführer des Bundesverbands Bioenergie.

Der Vorteil: Ein Teil der Rohstoffe, aus denen die Bauern ihre Energie gewinnen, fällt auf dem Hof von selber an. Die Gülle etwa, die aus den Exkrementen der Tiere besteht, und der Mist aus den Ställen werden in der Biogasanlage zu Biomethan vergoren. Das Biomethan wird in Blockheizkraftwerken zu Strom umgewandelt, der ins Netz eingespeist wird. Darüber hinaus entsteht Wärme, mit der man den eigenen Hof, die Ställe oder – je nach Größe – sogar das nächstgelegene Dorf beheizen kann.

Doch Gülle, Mist und Stroh reichen nicht, um die Anlagen am Laufen zu halten. Zum Energiemix gehören auch Pflanzen, die extra für die Energiegewinnung angebaut werden. Zwölf Millionen Hektar dienen in Deutschland derzeit der Landwirtschaft, auf 2,3 Millionen von ihnen wachsen bereits solche Nutzpflanzen. Allein mit Mais sind 900 000 Hektar bedeckt, auf weiteren 900 000 Hektar steht Raps, der meist zu Biodiesel verarbeitet wird. Umweltschützer sehen diese Entwicklung mit Sorge. Sie finden, dass Pflanzen auf den Teller gehören und nicht in den Tank.

Die Politik sieht das jedoch anders. Sie fördert die Bioenergie. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hat einen Wettbewerb der Bioregionen ausgerufen und unterstützt 25 Projekte, darunter auch einige in Brandenburg, mit Fördergeldern von bis zu 400 000 Euro. Belohnt wird auch das Einspeisen von Strom aus Bioenergie ins Netz. Das System ist kompliziert. Zwischen acht bis 25 Cent liegt der Satz für die Kilowattstunde. Anders als bei der Photovoltaik, der im Rahmen der aktuellen Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhebliche Einschränkungen bevorstehen, ist die Bioenergie bei der Umgestaltung des EEG unangetastet geblieben. Anlagenbetreiber können zudem darauf vertrauen, dass die bestehenden Sätze 20 Jahre lang gültig sind. Das klingt gut, hat aber einen Haken: „Es gibt keinen Inflationsausgleich“, gibt Bernd Geisen zu bedenken. Was einst lukrativ war, ist nach 20 Jahren nicht mehr so viel wert.

Darauf setzt auch Manfred Nüssel. Er glaubt, dass der Stromhandel mehr bringen kann als die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung. Eines könnte aber einen Strich durch diese Rechnung machen: die steigenden Rohstoffpreise, die die Gewichte verschieben. „Wenn die Agrarpreise steigen, bremst das den Ausbau der Bioenergie“, warnt Udo Hemmerling vom Bauernverband.

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