zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Neue EU-Institution soll Verbrauchern das Vertrauen in Lebensmittel zurückgeben

Eigentlich müsste sich Manfred Tag keine Sorgen machen. Der Vorsitzende des Verbandes der Milchindustrie steht für ein Produkte, die ein gutes Image haben: Milch und Joghurt.

Eigentlich müsste sich Manfred Tag keine Sorgen machen. Der Vorsitzende des Verbandes der Milchindustrie steht für ein Produkte, die ein gutes Image haben: Milch und Joghurt. Neue Trends wie Wellness- oder Convenience-Food, also zum gesunden und bequemen Essen, bescheren der Branche immer wieder neue Umsatzsteigerungen. Rund 28 Kilogramm an Milchprodukten verspeiste jeder Deutsche im Durchschnitt im vergangenen Jahr, davon alleine rund 17 Kilo Joghurt. Der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes ist trotzdem nicht ganz zufrieden. "Die Verbraucher werden immer misstrauischer", sagt er. Und dass, obwohl man in den Molkereien von Skandalen wie der BSE-Seuche oder dem Dioxinskandal bei den Futtermitteln bisher weitgehend verschont geblieben ist.

Jetzt soll die Europäische Union weiterhelfen. Sie hat die Lebensmittelsicherheit ganz oben auf ihre Agenda gesetzt und plant eine unabhängige Lebensmittelbehörde, die für mehr Transparenz sorgen soll. Damit, so hofft die Branche, werde der Kunde wieder mehr Vertrauen bekommen.

En Beispiel für die Unsicherheit bei der Risikobewertung ist die Aktion der Lebensmittelkette Spar, die im Februar diesen Jahres vor dem Verzehr von Harzer Käse warnte. Bei der routinemäßigen Überprüfung des Käses waren Listerien gefunden worden - Bakterien, die im Prinzip harmlos sind. Ein bestimmter Stamm dieser Bakterienart kann allerdings zu gefährlichen Infektionen führen. Obwohl dieser Stamm in dem Käse nicht nachzuweisen war, nahm Spar den Käse vorsichtshalber aus den Regale.

"Wir brauchen eine Institution, die für solche Fälle eine Risikobewertung aufstellt, die in der gesamten EU anerkannt wird", fordert Tag. Das soll die geplante European Food Agency sein. Ähnlich sieht das Manfred Nekola vom Bund für Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelkunde (BLL). "In der EU muss einer das letzte Wort haben in Fragen der Lebensmittelsicherheit - entweder die Lebensmittelbehörde oder die Wissenschaftlichen Ausschüsse."

Nekola legt damit den Finger auf eine offene Wunde der Europäer: Zwar hatte die EU-Kommission erst 1997 ihr Beratungswesen verändert und die wissenschaftlichen Ausschüsse, die die Kommission in Sachen Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz beraten, neu strukturiert. Trotzdem werden ihre Entscheidungen nach wie vor nicht von allen Mitgliedsstaaten anerkannt. Jüngstes Beispiel ist die Weigerung Frankreichs, die Aufhebung des Verbots für britisches Rindfleisch zu akzeptieren.

Nach den Vorstellungen der EU soll ein - abgeschwächtes - Abbild der US-amerikanische Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) entstehen. Ziel ist eine durchgehende Kette von gesetzlichen Vorschriften und Kontrollen. Angefangen bei den Futtermitteln bis hin zum Transport in den Supermarkt soll die Lebensmittelproduktion lückenlos überwacht werden. Aus dem amerikanischen Motto "from Farm to Folk" soll in Deutschland ein "vom Trog auf den Teller" werden. Anders als die FDA soll ihre europäische Schwester allerdings keine gesetzgeberischen Kompetenzen bekommen, sondern nur für die wissenschaftliche Begutachtung zuständig sein.

Diese durchgehende Kontrollkette, die die EU anstrebt, ist in Deutschlands Molkereien längst Wirklichkeit geworden. Von den beigemischten Futterzusätzen über die Kulturen, mit denen die Milch "beimpft" wird, bis hin zum Transport werden Milch, Butter und Käse rund um die Uhr kontrolliert. Für die Milchindustrie geht es vor allem darum, dass einheitlich in ganz Europa die hohen Standards nicht nur vorgeschrieben, sondern auch kontrolliert werden. Neue Probleme sieht der Verbandsvorsitzende mit der Erweiterung der EU auf die Branche zukommen. Auch die Beitrittskandidaten müssen sich in Zukunft an die Lebensmittelstandards und die verstärkten Kontrollen halten. Noch ist Peter Traumann von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie allerdings skeptisch. "Je länger die Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten über die Standards bei der Lebensmittelproduktion dauern, um so schwieriger werden sie."

Katharina Voss

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false