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Wirtschaft: Neue Investitionen: Abenteuer Kabelnetz

In dieser Woche hat Liberty Media unterschrieben. Der amerikanische Medienkonzern kauft für 5,5 Milliarden Euro von der Deutschen Telekom sechs regionale Kabelgesellschaften.

In dieser Woche hat Liberty Media unterschrieben. Der amerikanische Medienkonzern kauft für 5,5 Milliarden Euro von der Deutschen Telekom sechs regionale Kabelgesellschaften. Künftig will Liberty den zehn Millionen Kunden, die in Nord- und Ostdeutschland, in Bayern, Rheinland-Pfalz und im Saarland an das Kabel angeschlossen sind, innovative Dienste anbieten. Doch zuvor die in die deutschen Haushalte gelangen können, müssen die maroden Kabelnetze aufgerüstet werden. Dafür sind noch einmal Investitionen in Milliardenhöhe notwendig. Fraglich ist, ob Liberty die hohen Investitionen ins Kabelgeschäft jemals wieder verdienen kann. Denn es ist ein schwieriges Geschäft.

Bisher war das deutsche TV-Kabel eine Einbahnstraße, die allein der Durchleitung von Radio- und Fernsehprogrammen diente. Damit hat die Deutsche Telekom kein Geld verdient. In Zukunft soll aus der schmalen Einbahnstraße eine breite Datenautobahn werden, auf der der Kunde Daten senden kann. So wird der Fernseher interaktiv (siehe Lexikon), der Zuschauer erhält Videos auf Bestellung, kann telefonieren und einkaufen oder im Internet surfen. "Bisher war das Netz kastriert in seinen Möglichkeiten", sagt Klaus Scharpe vom Prognos Institut. "Jetzt entstehen völlig neue Geschäftsmodelle - die allerdings noch keiner kennt." Für die neuen Angebote ist der komplette interaktive Ausbau der Netze erforderlich. "Das wird extrem teuer", sagt Scharpe.

Viel Zeit bleibt Liberty nicht. Denn das Kabelnetz steht im Wettbewerb zu anderen Multimedia-Breitbandplattformen: Schnelle Internetanschlüsse gibt es auch über DSL, über Satellit, künftig vielleicht auch über die Stromleitung. Das Kabel hat nur vollausgebaut eine Chance, sagt Scharpe, wenn es alles - Fernsehen, schnelles Internet und Telefonieren - aus einer Hand anbieten kann.

Liberty hat ein weiteres Problem. Zwar haben die Amerikaner bei den Kabelkunden nun einen Marktanteil von 40 Prozent, doch eine direkte Kundenbeziehung haben sie in den meisten Fällen nicht. Es sind Kabelgesellschaften wie Bosch, Primacom oder Telecolumbus sowie Wohnungsbaugesellschaften oder auch Handwerksbetriebe, die die Kontrolle über die Kabelnetze in den Häusern haben. Es nützt nichts, wenn Liberty die eigenen Kabel von den Kopfstationen bis in die Verteiler an den Straßen aufrüstet, sagt Peter Charissé vom Verband privater Kabelnetzbetreiber Anga. Auch die letzten Meter Kabel bis in die Wohnungen hinein müssen erneuert werden. "Und die Netzbetreiber rüsten nicht auf, wenn sie nicht angemessen am Erlös partizipieren", sagt Charissé. Hier ist Liberty also auf die Kooperation der lokalen Netzbetreiber angewiesen. "Wir führen Gespräche", sagt ein Sprecher für Liberty. Ob Kooperationen, Beteiligungen, Übernahmen - die Ergebnisse seien offen. Das Problem für Liberty: Das Bundeskartellamt wird diesen Annäherungsprozess genau beobachten.

Nach Ansicht von Charissé hat Liberty-Konkurrent Callahan zu wenig mit den Betreibern der letzten Meile gesprochen. Die amerikanisch-britische Gesellschaft hat Mitte vergangenen Jahres 55 Prozent am Kabelnetz in Nordrhein-Westfalen erworben. Mitte Oktober geht Kabel NRW mit dem ersten Angebot auf den Markt: schneller Internetzugang und Telefondienste. Das digitale Fernsehen ist erst einmal verschoben auf das zweite Halbjahr 2002. Es wird einen neuen Namen geben, der noch nicht verraten wird. Auch der Preis bleibt bis noch ein Geheimnis. Bis Ende August waren aber gerade erst einmal 10 000 Haushalte tatsächlich bis in die Wohnung hinein mit dem neuen Kabelanschluss versorgt. "Callahan wird Mitte Oktober mit einer großen Marketingkampagne starten - aber nichts im Regal haben", sagt Charissé.

Callahan habe die Struktur der Netze und die technischen Probleme dramatisch unterschätzt, sagt ein Brancheninsider. Das werden andere zu nutzen wissen. Die Stadtnetzbetreiber, die eine eigene Glasfaserinfrastruktur aufgebaut haben, könnten ihre Netze ebenfalls zu Multimedia-Netzen aufrüsten. "Wir sehen dem Wettbewerb relaxed entgegen", sagt der Brancheninsider. "Wir haben die besseren Netze." Und den direkten Zugang zum Kunden. Und der muss am Ende ja auch mitspielen und die neuen Dienste bezahlen. Noch rückt keiner der Anbieter mit den Preisen heraus. Hier ist auch Fingerspitzengefühl erforderlich: Deutschland ist in einer weltweit einzigartigen Situation, sagt Ulrich Reimers, Professor für Nachrichtentechnik an der TU Braunschweig. 30 Programme können Kunden hier gebührenfrei empfangen. Von 34 Millionen Fernsehhaushalten empfangen elf Millionen TV über Satellit. "Und bei den 17 Millionen Kabelhaushalten können die Anbieter jetzt testen, wie hoch die Schmerzgrenze ist."

vis

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