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Wirtschaft: „Neue Milliardenlöcher im Bundeshaushalt“

Weltwirtschaftsinstitut: In diesem Jahr fehlen 14 Milliarden Euro

Berlin (asi). Das Bundesfinanzministerium wird die offiziellen Daten zur Haushaltsverschuldung in diesem und nächsten Jahr erst nach der Bundestagswahl am Sonntag, wahrscheinlich sogar erst im Oktober nach Brüssel melden. Ursprünglicher Abgabetermin der Berechnungen war Anfang September. Ein Ministeriumssprecher sagte dem Tagesspiegel am Donnerstag, dass man zur Berechnung des Defizits die Steuereinnahmen des Monats September abwarten wolle. „Diese Steuereinnahmen gelten als Steuereinnahmen in einem Vorauszahlungsmonat“, stellte der Sprecher klar. Auf deren Grundlage könne eine „sehr gute und sichere Voraussage“ berechnet werden.

Gleichwohl gehen die Finanzexperten - sowohl bei der SPD als auch bei der Union - fest davon aus, dass die ursprünglichen Haushaltsplanungen der Bundesregierung nach der Wahl grundsätzlich überarbeitet werden müssen. Die Ursache: Die andauernde Konjunkturschwäche lässt das Steuereinnahme-Wachstum weit hinter den Prognosen vom Mai dieses Jahres zurückfallen. Allein für das laufende Jahr rechnet der Steuerexperte des Kieler Weltwirtschaftsinstituts IfW, Alfred Boss, mit Mindereinnahmen von 14 Milliarden Euro. 2003 würden noch einmal rund zehn Milliarden Euro im Vergleich zur Planung fehlen. Die aktuellen Entwicklungen in einem der finanzstärksten Bundesländer, Baden-Württemberg, bestätigen die Schätzungen. Allein bis August nahm das Stuttgarter Finanzministerium knapp eine Milliarde Euro, und damit acht Prozent weniger Steuern ein als geplant. Und: „Es gibt keine Anzeichen für eine Trendwende“, sagte eine Ministeriumssprecherin.

Die Auswirkungen solch gewaltiger Steuerausfälle auf die Haushaltspolitik der nächsten Bundesregierung - ganz gleich welcher Couleur - sind gravierend. Nicht nur die Bundesländer werden ihre Ausgabeplanungen für das kommende Jahr überarbeiten oder, wie es auch in Stuttgart nicht mehr ausgeschlossen wird, Nachtragshaushalte verabschieden müssen. Auch im Bund „sind wir völlig eingemauert“, bekannte jetzt ein Haushälter in der Unionsfraktion. Die Steuerausfälle und das der EU-Kommission gegebene Versprechen der Defizitrückführung bis 2004 „lassen keine Spielräume für ausgabewirksame politische Maßnahmen“. Kurz gesagt: Was auch immer die Parteien in ihren Wahlprogrammen versprochen haben, ist bereits jetzt Makulatur. Das betrifft die Entlastung von 400- bis 800-Euro-Jobs von der Abgabepflicht bis hin zu steuerlichen Erleichterungen im Mittelstand.

Im Bundeshaushalt allein müssen in den nächsten zwei Jahren rund 20 Milliarden Euro Ausgaben gekürzt werden, wie der IfW-Experte Boss berechnet hat. Eingerechnet darin sind bereits Beitragserhöhungen bei Renten- und Krankenversicherungen um 0,5 Prozent. Fällt dann auch noch die Ökosteuer weg, wie es die Union vorschlägt, werden es schon rund 23 Milliarden Euro sein. Verschiebt sich die Einführung der Lkw-Maut, kommen noch einmal rund zwei Milliarden Euro oben drauf.

Zwar dementiert das Finanzministerium, Eichels Beamte hätten bereits eine „Giftliste“ mit Kürzungen erstellt. Doch die Forschungsinstitute gehen davon aus, dass es nach der Vorlage ihres Herbstgutachtens genau einen Monat nach der Bundestagswahl umfangreiche Ausgabenkürzungen geben wird. Der Problemdruck der Kassenwarte bei Bund und Ländern sei „immens“, weiß Boss und prognostiziert für das Gutachten, es werde „viel Unangenehmes darin stehen“.

Doch was könnte eine 20 Milliarden Euro teure „Giftliste“ beinhalten? „Auf keinen Fall Investitionen“, warnt Alfons Kühn vom DIHK, und meint damit wohl auch die 150 Milliarden Euro Subventionen, die Jahr für Jahr die Unternehmen erhalten. Und auch der öffentliche Dienst wird im nächsten Frühjahr wohl kaum völlig auf Tariferhöhungen verzichten. Dann bleiben nur noch eines übrig – die nicht gesetzlich vorgeschriebenen Sozialleistungen.

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