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Ein Coup: Die Scooter-Sharing-Firma ist in Berlin gut vertreten.

© Lino Mirgeler/picture alliance

Neue Mobilität in Berlin: Welthauptstadt der E-Scooter

In vielen Städten gehören sie zum Straßenbild: E-Scooter. Die elektrischen Roller werden meist gemietet. Unklar ist, ob sie ihre Fahrer aus dem Auto locken oder dem ÖPNV Fahrgäste abspenstig machen. 

Es begann 2012 in San Francisco. Das Start-up Scoot brachte die ersten elektrischen Roller zum Leihen auf die hügeligen Straßen der Pazifik-Metropole. Heute fahren E-Scooter in weltweit 29 Städten herum, mindestens 350.000 Nutzer haben sich registriert. Von den insgesamt 8000 Leih-Rollern sind 92 Prozent elektrisch angetrieben – und das, obwohl sie in der Anschaffung deutlich teurer sind als Benziner und der Akku-Tausch Personal beschäftigt. Noch 2016 gab es nur 2000 Leih-Scooter. „Der Markt explodiert gerade“, sagt Enrico Howe vom Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) in Berlin.

Attraktive Modelle von BMW und Vespa

Howe hat den Scooter-Markt weltweit analysiert. Nicht nur in deutschen Städten bis hin zu Stuttgart und Mannheim sind die elektrischen Zweiräder anzutreffen, sondern auch an ausgefalleneren Zielen wie Beirut, Mexiko-Stadt oder Miami. Und weitere Städte werden 2017/18 folgen, etwa Bordeaux, Nizza und Amsterdam.

Die Hochburgen weltweit sind Berlin mit 1700 E-Scootern und Paris mit 1600. Die Professionalisierung des Marktes kann man beispielhaft daran ablesen, dass in der deutschen Hauptstadt 2016 mit Coup eine Tochter des Weltkonzerns Bosch angetreten ist. Die Roller werden vom Hersteller Gogoro aus Taiwan geliefert. Der hat kürzlich eine neue Finanzierungsrunde über 300 Millionen Dollar abgeschlossen. Das Geld kommt unter anderem von Singapurs Staatsfond Temasek, der japanischen Sumitomo Corporation und dem französischen Energieversorger Engie und soll in die weitere Expansion in Asien und Europa fließen.

Eine gute Nachricht für stilbewusste Fahrer: Ende des Jahres soll die Vespa Elettrica auf den Markt kommen. Die absolute Leistungsspitze markiert der große E-Scooter von BMW, der die Fahrleistungen eines ausgewachsenen Motorrades bietet. Er ist mit 13.700 Euro zu teuer für den Leihbetrieb, wird aber auf Sardinien, in Barcelona und Mailand von Polizisten genutzt.

Niedrige Stromkosten

Bei den gängigen Kleinrollern, die eine Spitzengeschwindigkeit von 45 oder 80 Stundenkilometern schaffen, belaufen sich die Stromkosten auf rund einen Euro pro 100 Kilometer. Bei Verbrennern sind es rund vier Euro – ganz abgesehen von den Emissionen.

Die E-Roller sind sauber, leise und preisgünstig zu leihen. Bei Coup beispielsweise kosten die ersten 30 Minuten drei Euro, danach jeweils einen Euro für zehn Minuten. Tagsüber sind es insgesamt höchstens 20 Euro, nachts maximal zehn Euro.

Angesichts von Fahrspaß und günstigen Preisen fürchten manche Verkehrsplaner eine Kannibalisierung: Holen die E-Scooter ihre Kunden aus Bussen und Bahnen oder verlocken sie Autofahrer zum Umstieg? Enrico Howe vom InnoZ sagt, dazu gebe es noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Auch die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr hat keine Erkenntnisse. Der Sprecher von Senatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) sagt aber: „Wir fördern E-Mobilität und sehen geteilte Fahrzeuge positiv.“ Im neuen Mobilitätsgesetz werde es 2018 auch eine Passage zu solchen „neuen, intelligenten Konzepten“ geben.

Auch der Sprecher der Berliner Agentur für Elektromobilität bewertet E-Scooter-Sharing „eher als Hilfe, als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr“. Die Roller stützten den Trend weg vom eigenen Auto, hin zur Flexibilisierung von Verkehrsträgern. Und die Scooter verbrauchten weniger Platz als E-Autos. Auch InnoZ-Forscher Howe sieht die Roller „als Teil des Umweltverbundes“ mit Rad, Bus und Bahn. „Der Verbund wird so attraktiv, dass man sich kein individuelles Fahrzeug mehr zulegen muss.“

Von Jens Tartler

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