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Wirtschaft: Neue Panne bei EU-Wettbewerbshütern

Die Brüsseler Wettbewerbsbehörde muss Beihilfe-Entscheidung gegen ein norddeutsches Sägewerk korrigieren

Brüssel (sce/HB). Peinliche Schlappe für EUKommissar Mario Monti: Erstmals in der Geschichte der europäischen Wettbewerbskontrolle hat die EU-Kommission eine von ihr selbst verhängte Beihilfeentscheidung wegen massiver Beurteilungsfehler rückgängig gemacht. Es geht um öffentliche Zuschüsse und Bürgschaften von 31 Millionen Euro für ein neues Sägewerk der Klausner Nordic Timber GmbH (KNT) in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern). Brüssel hatte vor einem Jahr entschieden, dass ein Teil der Beihilfen unzulässig ist und zurückgefordert werden muss. Dagegen zog KNT-Chef Fritz Klausner vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Bevor die Europa-Richter ein Urteil sprechen konnten, schuf die Kommission jetzt selbst Fakten und kassierte ihre ursprüngliche Entscheidung vom Januar 2002. Ausschlaggebend ist eine Prüfung des Falles durch den Juristischen Dienst der Kommission. Montis Hausjuristen kamen zu dem Ergebnis, der Beschluss gegen die KNT-Beihilfen sei „fehlerhaft“ gewesen. Die Kommission habe das deutsche Investitionszulagengesetz, das Grundlage für die Subventionsvergabe war, „falsch ausgelegt".

Brüsseler Beihilfeexperten messen dem Fall exemplarische Bedeutung zu. „Eine Subventionsrückforderung nach Klageerhebung hat es noch nie gegeben", urteilt der Anwalt Dietmar Reich von der Kanzlei Beiten Burkhardt Goerdeler. Michael Schütte von Freshfields Bruckhaus Deringer spricht von einem „spektakulären Vorgang". Der freiwillige Rückzug der Kommission sei ein Beleg dafür, dass Monti mit seiner strengen Auslegung der EU-Wettbewerbsregeln „oft über das Ziel hinausschießt“.

Besonders schlecht für das Image der Brüsseler Behörde: Das Investitionszulagengesetz, das die Prüfer fehlerhaft interpretiert haben, war zuvor von den gleichen Dienststellen genehmigt worden. In dem Regelwerk ist verankert, dass bei der Berechnung der Zulagen Produktionsstätten in Ostdeutschland getrennt von Schwesterbetrieben behandelt werden können. Die Kommission jedoch entschied zunächst, KNT sei wirtschaftlich und rechtlich mit anderen Unternehmen der österreichischen Klausner-Gruppe verbunden. Somit gelte nicht die Förderhöchstgrenze für kleine und mittlere Unternehmen von 50 Prozent, sondern der für Großbetriebe zulässige Satz von 35 Prozent.

Die vorsorgliche Korrektur dieses Beschlusses ist ein Indiz für die wachsende Angst in Brüssel vor Luxemburger Wettbewerbsurteilen. Allein 2002 hatte der EuGH acht Beihilfe-Entscheidungen der Monti-Behörde wegen Beurteilungsfehlern, Begründungsmängeln oder fehlender Rücksicht auf die Verhältnismäßigkeit korrigiert. So hatte der EuGH der Kommission im Februar 2002 vorgeworfen, bei den Beihilfen für die Kvaerner-Werft Kapazitäts- und Produktionsbegrenzungen gleichgesetzt zu haben. Bei der Prüfung der Subventionen für die Linde AG hatten Montis Beamte vergessen, die Marktpreise zu untersuchen. Hinzu kamen drei spektakuläre Urteile, mit denen Fusionsverbote der Kommission außer Kraft gesetzt wurden.

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