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Jede Menge Akten. Die Reform ist mit großem Aufwand verbunden

© picture-alliance/ ZB

Neue Steuernummer für 85.000 Firmen in Berlin: Gewerkschaft befürchtet Chaos in Finanzämtern

Die Finanzämter für Körperschaften werden umorganisiert, zehntausende Firmen bekommen neue Steuernummern. Die Wirtschaft begrüßt das, Verdi dagegen warnt vor Chaos.

Es ist ein Mammutprojekt, das auf die Berliner Wirtschaft und die Finanzverwaltung zukommt. Und von dem viele Firmen noch gar nichts wissen: Weil Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) die Betreuung der Konzerne in den Finanzämtern für Körperschaften verbessern will, bekommen zum Jahresanfang rund 85.000 Unternehmen – GmbHs, GmbHs und Co KGs, Aktiengesellschaften und Unternehmergesellschaften – neue Steuernummern. Die Wirtschaftsverbände begrüßen die Umstellung, die Gewerkschaft Verdi warnt hingegen vor einem Chaos in den Ämtern.

Worum geht es? In Berlin gibt es vier Finanzämter für Körperschaften, die sich um Berliner Unternehmen kümmern. Sie geben Steuernummern aus. Unternehmen brauchen diese, um ihren Geschäftspartnern Rechnungen stellen zu können, und um Umsatzsatzsteueridentifikationsnummern zu beantragen, die sie für Geschäfte auf europäischer Ebene benötigen. Hinzu kommen Betriebsprüfungen bei den Firmen vor Ort.

Die Finanzämter teilen sich die Arbeit regional, so ist etwa das Finanzamt für Körperschaften I, das seinen Sitz in der Nähe der Messe hat, für den Berliner Norden zuständig, das Finanzamt III in Tempelhof für den Süden, das Finanzamt II in Lichtenberg für den Ostteil der Stadt, und das ebenfalls in der Magdalenenstraße untergebrachte Finanzamt für Körperschaften IV kümmert sich um GmbH & Co KGs. Das Problem: Konzerne wie die Bahn, die Töchter in verschiedenen Gegenden Berlins haben, haben es derzeit mit verschiedenen Finanzämtern und unterschiedlichen Ansprechpartnern zu tun. Das will die Senatsverwaltung ändern.

Konzerne profitieren

Konzerne sollen künftig einen einheitlichen Ansprechpartner bekommen. „Die künftige Besteuerung konzernzugehöriger Steuerpflichtiger in jeweils einem Finanzamt für Körperschaften führt nicht nur zu einem einheitlichen Ansprechpartner, sondern trägt darüber hinaus zu einer einheitlichen Besteuerung der Konzerne bei“, begründet die Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen, Eva Henkel, die geplante Reform.

Zudem sollen die regionalen Zuständigkeiten an die Berliner Verwaltungsbezirksgrenzen angepasst und die zentrale Zuständigkeit des Finanzamts IV für Gmbh & Co KGs – die bundesweit einzigartig ist – aufgehoben werden. Diese Gesellschaften sollen künftig nach den allgemeinen Kriterien behandelt werden. Stattdessen will die Senatsverwaltung neue Sonderzuständigkeiten schaffen – allerdings nach Branchen, etwa für Verlage oder Wohnungsbaugesellschaften. Diese sollen dann jeweils von einem bestimmten Finanzamt betreut werden. Die Finanzverwaltung verspricht sich davon die Bündelung von Fachwissen und Kompetenzen.

Lange Wartezeiten

Die Gewerkschaft Verdi befürchtet jedoch Chaos. Schon jetzt seien die Mitarbeiter in den Finanzämtern überfordert, warnt Eric Lausch von der Verdi-Fachkommission Steuer. Der Tagesspiegel hatte kürzlich über den Berliner Unternehmer Dirk Bischof berichtet, der fünf Wochen auf eine Steuernummer warten muss – und in dieser Zeit von allen Geschäften abgeschnitten ist. Das ist kein Einzelfall, sagt Lausch, der selbst in einem Finanzamt für Körperschaften arbeitet. „Es fehlt Personal“, kritisiert der Gewerkschafter. „In den Finanzämtern für Körperschaften sind rund 800 Unternehmen von zwei Menschen zu bearbeiten.“

Die geplante Reform, warnt Lausch, wird das Problem noch verschärfen. „Alle Akten müssen aus den Schränken geräumt und woanders einsortiert werden“, mahnt der Steuerexperte. „Alle Unternehmen bekommen eine neue Steuernummer“ – ein Riesenprojekt. Davon profitieren die 2400 Konzerne, die es in Berlin gibt, und ihre rund 22.000 Töchter. Das Nachsehen, so befürchtet Lausch, hat aber die große Masse der kleinen und mittleren Firmen. Sie alle müssen etwa bald neue Briefbögen anschaffen, ihren Geschäftspartnern neue Steuernummern mitteilen und sich von ihren bisherigen Ansprechpartnern in den Finanzämtern verabschieden, die die Firmen gut kennen. „2400 Konzerne profitieren, 85.000 Unternehmen haben Nachteile“, für Lausch ein Unding.

Drei Wochen geschlossen

Drei Wochen lang sollen die Finanzämter im Januar geschlossen werden, um den Umbau über die Bühne zu bringen. Doch damit ist es nicht getan, glaubt der Gewerkschafter. Er geht davon aus, dass es noch bis zum Sommer nächsten Jahres Einschränkungen in der Arbeitsfähigkeit der Ämter geben wird.

Die Umstellung müsse gut organisiert werden und die Unternehmensanfragen müssten weiterhin zu jeder Zeit schnell bearbeitet werden, mahnt Jens Wertwein, der bei den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg (UVB) die Abteilung Wirtschaftspolitik leitet. Die Neuorganisation sei aus Wirtschaftssicht aber durchaus sinnvoll. „Ein schnelles und verlässliches Verwaltungshandeln ist ein wichtiger Standortfaktor“, betont Wertwein. Das sieht auch Finanzsenator Kollatz-Ahnen so. „Berlin ist eine wachsende Stadt, die wirtschaftlich zunehmend an Bedeutung gewinnt“, sagt seine Sprecherin Henkel. Das führe zu neuen Anforderungen an die Steuerverwaltung.

Nach Meinung der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) sind die Umstellungen, die auf die Berliner Unternehmen zukommen, zumutbar. „Wenn die Unternehmen nur einmal ihre Briefbögen ändern und ihre Vertragspartner informieren müssen, ist der Aufwand tragbar“, sagt IHK-Steuerexpertin Antje Maschke. Viele Firmen würden zudem statt der Steuer- mit der Umsatzidentifikationsnummer arbeiten, und diese ändere sich nicht. Wer aber mit der Steuernummer operiere, müsse frühzeitig informiert werden, mahnt Maschke. „Es wäre wichtig, wenn den Firmen die neue Steuernummer frühzeitig mitgeteilt wird, nicht erst in der ersten Januarwoche“, fordert die Expertin.

Lausch ist skeptisch. „Die Reform bringt alles durcheinander“, warnt er. „Wenn die Belastung zu hoch wird, laufen uns die Leute davon.“

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