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© ddp

Neue Züge: Die Bahn setzt auf Siemens

Der Elektrokonzern Siemens soll neue Schnellzüge für sechs Milliarden Euro liefern – und verspricht, bei der Qualität keine Abstriche zu machen.

Berlin - Siemens hat beste Chancen, die neue Generation von Schnellzügen für die Deutsche Bahn zu liefern. Der Elektrokonzern sei der bevorzugte Bieter für die bis zu 300 geplanten Züge, erklärte Bahn-Chef Rüdiger Grube am Montag in Berlin. Das Volumen des über Jahre laufenden Auftrags wird bei sechs Milliarden Euro liegen. Das ist der größte in der Geschichte der Bahn. Der Staatskonzern legt vor allem Wert darauf, dass sich das Desaster um brüchige Achsen und häufige Ausfälle nicht wiederholt. „Bei den neuen Zügen wird die Qualität der Technik ein zentrales Thema sein“, kündigte Technikvorstand Volker Kefer an.

Bei der Neuentwicklung handelt es sich um eine Fahrzeugfamilie, deren Einsatz ab 2014/2015 geplant ist. Sie soll zunächst die Intercity- und Eurocity-Flotte ersetzen, die zum Teil seit 40 Jahren verkehrt. Ab 2020 wird der Bahn-intern als ICx bezeichnete Zug dann die ICEs der ersten und zweiten Generation ablösen. Möglich wird dies, weil der als Triebzug konstruierte ICx für unterschiedliche Anforderungen ausgestattet werden kann – als IC-Ersatz muss er nur 200 Stundenkilometer schaffen, als ICE bis zu 280. Die Verträge sollen im Juli unterzeichnet werden.

Der voraussichtliche Auftrag sichert nach Angaben eines Siemens-Sprechers 11 000 Arbeitsplätze in Deutschland, die sich auf fünf Werke verteilen. Den größten Anteil werden die ICE-Werke in Krefeld und Erlangen haben. In den Detailverhandlungen sollen jetzt das Design und die technische Ausstattung festgelegt werden. Der Chef der Siemens-Sparte Mobility, Hans-Jörg Grundmann, sagte: „Wir haben ein Konzept vorgestellt, das sich insbesondere durch Qualität, Flexibilität und Energieeffizienz auszeichnet.“ Man sei jedoch noch nicht am Ziel. „Die eigentlichen Verhandlungen beginnen jetzt.“

Wichtige Teile des neuen Zuges sollen vom Siemens-Konkurrenten Bombardier kommen. Deshalb ist es nach Tagesspiegel-Informationen aus Branchenkreisen möglich, dass auch dessen Werke in Hennigsdorf bei Berlin und in Görlitz von der Bestellung profitieren. Als Konsortium treten die beiden Unternehmen anders als früher aber nicht auf – dies hatte die Bahn bei der Ausschreibung ausgeschlossen, weil sie Wert auf klare Verantwortlichkeiten bei möglichen Pannen legt.

Damit zieht die Bahn die Konsequenzen aus den Qualitätsproblemen der vergangenen Jahre. Bei Einführung des damals völlig neu konstruierten ICE 3, an dem auch Siemens beteiligt ist, hatte es eine Reihe von Pannen und mithin Verspätungen gegeben. In den vergangenen Monaten kamen dann die Probleme mit fehlerhaften Achsen hinzu. Im Sommer 2008 war ein ICE im Kölner Hauptbahnhof nach einem Radbruch entgleist. Da in der Folge häufigere Wartungen nötig waren, hatte die Bahn zeitweise nicht mehr genügend Züge, um den Fahrplan zu bedienen. Nun müssen alle fehlerhaften Achsen neu konzipiert und ersetzt werden. Ein Siemens-Sprecher versicherte, dass man beim ICx großen Wert auf die Qualität legen werde. Der Zug werde in vielen Prinzipien dem ICE 3 ähneln, der als Weiterentwicklung in Spanien und Russland ohne Probleme fahre.

Der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, forderte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass die neuen Züge genügend Platz für Gepäck bieten müssten – daran fehle es etwa im ICE 1. „Außerdem muss es die Möglichkeit geben, Fahrräder im IC zu transportieren, das geht bei den heutigen ICEs ja nicht.“ Die Bahn solle neben den Triebzügen auch neue, konventionelle Waggons anschaffen, die von Loks gezogen werden, und nicht alle alten verschrotten. „Die sind auf einigen touristischen Strecken und als Verstärkungszüge sinnvoll. Wie wichtig Reserven sind, sieht man angesichts der Probleme bei der Berliner S-Bahn“, sagte er.

Für den ICx, der Mitte 2008 ausgeschrieben worden war, hatten sich ursprünglich sieben Hersteller interessiert. Darunter war auch der französische TGV-Hersteller Alstom – bei der Bahn war die Offerte aber nur als Pro-Forma-Angebot eingestuft worden. „Die Rahmenbedingungen waren für viele Anbieter offensichtlich zu schwierig, sodass am Ende nur Siemens übrig geblieben ist“, urteilte Maria Leenen, Geschäftsführerin des Bahn-Beratungsunternehmens SCI Verkehr. So verlangt der Staatskonzern etwa, dass der Großteil des Kaufpreises erst nach der Auslieferung gezahlt wird. Bislang hatte die Bahn derartige Großprojekte vorfinanziert. Allerdings hatte die Bahn zwischenzeitlich geklagt, dass die Industrie für den neuen Zug zu viel Geld verlange. Das erwartete Angebot eines asiatischen Herstellers, auf das die Bahn gehofft hatte, um mehr Auswahl zu haben, kam aber nicht. „Das bedeutet auch, dass das Pendel zurückschlägt zu einer nationalen Eisenbahnindustrie, die von einer starken nationalen Bahn Aufträge bekommt. Das zeigt die Entwicklung in Spanien, Frankreich, China, Japan und nun Deutschland“, befand Leenen.

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