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© dpa

Neuer Daimler-Aktionär: Abu Dhabi: Planen für die Zeit nach dem Öl

Ein arabischer Großaktionär soll dem Autokonzern Daimler in der Autokrise den Rücken stärken. Aabar Investments erwirbt mit 1,95 Milliarden Euro einen Anteil von 9,1 Prozent des schwäbischen Unternehmens. Die Firma kommt aus Abu Dhabi, dem größten der Vereinigten Arabischen Emirate.

Vor 60 Jahren war Abu Dhabi ein schläfriges Küstenstädtchen. Die etwas besser Gestellten lebten in Häusern aus Lehmziegeln, die Mehrheit in Hütten mit Dächern aus Palmenblättern. Beduinenfamilien campierten in der Umgebung, die 46.000 sesshaften Bewohner ernährten sich vom Fischen und Perlentauchen. Vier Ärzte gab es und fünf Schulen, bevor die Entdeckung des Öls alles auf den Kopf stellte. In wenigen Jahrzehnten wuchs am Golf eine imposante Hochhausmetropole heran, deren Bewohner mittlerweile zu den reichsten auf dem Globus zählen. Unter den sieben Wüstenscheichtümern, die sich 1971 zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zusammenschlossen, ist Abu Dhabi heute mit 2,5 Millionen Einwohnern das größte, gefolgt von dem schillernden Rivalen Dubai mit 1,3 Millionen.

Doch 85 Prozent der Leute sind Ausländer: Die einen angelockt durch den sagenhaften Reichtum, die traumhaften Gehälter und den luxuriösen Lebensstil. Die Mehrheit allerdings schuftet als miserabel bezahlte Wanderarbeiter auf den zahllosen Großbaustellen, um ihre armen Familien in Indien, Pakistan, Bangladesh oder auf den Philippinen zu versorgen. VAE-Gründungsvater war der legendäre Scheich Zayed bin Sultan Al Nahyan, unter dessen ehrgeiziger, über 30-jähriger Herrschaft sich der Sprung in die Moderne vollzog – doch nicht ganz. Denn zeitlebens verfolgte Al Nahyan die Devise, „kein einziges Sandkorn“ seiner Heimat dürfe verkauft werden. Selbst Landerwerb von Einheimischen musste von dem eigenwilligen Patriarchen umständlich und persönlich genehmigt werden.

Vielen reichen Untertanen war das zu kompliziert, sie investierten lieber im benachbarten Dubai, das schon Ende der neunziger Jahre sein Eigentumsrecht liberalisierte und seit 2002 auch Ausländern den Kauf von Grundstücken und Wohnungen erlaubt. Erst als der alte Wüstenchef 2004 starb, zog auch in Abu Dhabi ein frischer Wind ein. Die Macht fiel an zwei seiner 19 Söhne: Der Älteste, Scheich Kalifa, wurde Präsident. Der wesentlich jüngere Scheich Mohammed sein Kronprinz, der auch die täglichen Regierungsgeschäfte steuert. Mohammed gilt als einer der am stärksten vom Westen geprägten Herrscher am Golf. Absolvent der renommierten britischen Militärakademie von Sandhurst, kann er sogar Jagdflugzeuge fliegen. Sofort startete er prestigeträchtige Projekte, um den glanzvollem Flair von Dubai zu kopieren. Für 2,5 Milliarden Euro ließ er das Emirates Palace Hotel bauen, was mit seinen 8000-Euro-Suiten Dubais Luxusherbergen Burj Al Arab und Atlantis The Palm Konkurrenz machen soll. Mit Etihad Airways aus Abu Dhabi operiert jetzt in den VAE neben der Fluggesellschaft Emirates aus Dubai eine zweite große Fluglinie, die letztes Jahr kräftig zulegte und ebenfalls Riesenairbusse vom Typ 380 orderte.

Und mit dem Gesetz Nummer 19 durften von 2004 an nun endlich auch Ausländer in Abu Dhabi Wohnungen kaufen – die Luxusvillen von Al Raha Gardens, das erste private Wohnungsbauprojekt, waren im Juli 2005 innerhalb von 45 Minuten ausverkauft. Mehr als 20.000 Interessenten gingen leer aus. Doch Abu Dhabi will nicht einfach nur seinen glitzernden Nachbarn kopieren, sondern sucht seinen eigenen Stil. Seine Bevölkerung ist konservativer. Zu den Bauprojekten gehört eine der größten Moscheen der Welt und der geplante Zentralmarkt bekommt zusätzlich einen traditionellen Souk. Man will keinen westlichen Massentourismus anziehen, sondern setzt auf vermögende Reisende aus der arabischen Welt. Auch denken die superreichen Scheichs, die auf zehn Prozent der Ölreserven der Welt sitzen, bereits jetzt an die Zeit nach dem Öl. Ihr staatlicher Investmentfonds, die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA), ist mit einem Gesamtwert von etwa 700 Milliarden Euro der weltgrößte seiner Art. Hier werden fast alle Einnahmen aus der Erdölförderung in einer Art Megakasse gesammelt und im In- und Ausland investiert.

Wesentlich kleiner ist dagegen die International Petroleum Investment Company (IPIC), die sich vor allem an Unternehmen der petrochemischen Branche beteiligt und dessen Tochter Aabar jetzt mit 9,1 Prozent bei Daimler einstieg. Der IPIC gehören unter anderem 19,2 Prozent des österreichischen Mineralölkonzerns OMV, 9,5 Prozent an Spaniens Mineralölgesellschaft Cepsa und rund 21 Prozent an Japans Raffineriegruppe Cosmo Oil. Im Oktober 2008 erwarb der Fond zudem rund 70 Prozent des Industriedienstleisters MAN Ferrostaal. Doch die Herrscherfamilie möchte nicht nur im Industrie- und Energiesektor präsent sein, sie will Abu Dhabi auch ausbauen zu einem Zentrum für Wissenschaft, internationale Kultur und Sportveranstaltungen. Das Louvre Abu Dhabi soll 2012 fertig werden, die Filiale des Guggenheim-Museums ist in Planung, die Sorbonne Universität Abu Dhabi arbeitete bereits. Auch der Kauf des britischen Erstligisten Manchester City im letzten Herbst soll langfristig große Fußballereignisse an den Golf locken. Vor drei Jahren stieg man sogar bei Ferrari ein – eine Investition, die dem Emirat für 2009 sein erstes sportliches Weltereignis, ein Grand Prix Rennen der Formel 1, bescherte. Und bei Mercedes locken das weltweite Renommee des Stuttgarter Autokonzerns und die Aussicht auf den gemeinsamen Bau von Elektroautos. Denn Abu Dhabi möchte eines Tages am Golf zur Nummer eins werden - für umweltfreundliche Technologien.

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