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Wirtschaft: Neuer Dreh

2005 muss die Inlandsnachfrage den Aufschwung stützen – auf den Export ist wegen der Risiken für die Weltkonjunktur kein Verlass

Berlin - Erst in 524 Tagen wird die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland angepfiffen. Doch bereits jetzt wirft das Sportspektakel seine Schatten voraus. „Schon in der zweiten Jahreshälfte 2005 wird die deutsche Wirtschaft davon profitieren“, sagt Marco Bargel. Er ist Chefvolkswirt der Postbank und hat analysiert, welche wirtschaftlichen Effekte große Fußballturniere haben. Ergebnis: „Die Investitionsnachfrage wird Ende des Jahres noch ein Stückchen stärker werden, in den Monaten danach kommt auch der Konsum in Schwung“, ist er sich sicher. „Bei der Europameisterschaft in Portugal und der Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan war es ähnlich.“

So optimistisch wie Postbank-Forscher Bargel sind derzeit nicht alle, wenn es um die Aussichten der deutschen Wirtschaft für das neue Jahr geht. Die meisten Banken, Verbände und Forschungsinstitute haben ihre Prognosen für 2005 in den vergangenen Wochen zurückgeschraubt. Nur um 0,8 Prozent werde die Summe der neuen Güter und Dienstleistungen, also das Bruttoinlandsprodukt, zunehmen, erwarten die Ober-Skeptiker vom Kieler Institut für Wirtschaftsforschung (IfW). Nur noch notorische Optimisten wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln trauen den Unternehmen zwischen Greifswald und Freiburg ein Plus von 2,0 Prozent zu. Auf der Seite der Hoffenden ist, von Berufs wegen, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). „Die Stagnation ist vorbei“, jubelte er kurz vor Weihnachten, „der Aufschwung gewinnt an Breite“.

Das ist aber längst nicht gesichert. Zwei Größen bereiten den Experten Kopfzerbrechen – die Entwicklung des Ölpreises und der Wechselkurs des Euro. „Eine exakte Vorhersage ist schwieriger geworden“, sagt Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America. Vor allem beim Öl gibt es große Unsicherheit. Als 2004 in New York der Preis auf 55 Dollar je Barrel schnellte, fürchteten viele bereits eine neue Rezession und eine dauerhafte Ölknappheit. Jetzt kostet ein Fass nur noch 43 Dollar – und die Panik ist verflogen. Ähnlich schwierig ist die Lage bei den Wechselkursen. Ob sich der Euro im Vergleich zum Dollar in den kommenden Monaten fängt, an Wert verliert oder weiterhin einen Rekord nach dem anderen markiert, vermag kaum ein Prognostiker vorherzusagen.

Beides zusammen, Öl und Euro, entscheidet darüber, wie es mit dem Export weitergeht. 2004 war er der Konjunkturmotor schlechthin und legte um rund zehn Prozent zu. Damit wurde Deutschland erneut Exportweltmeister. Das könnte 2005 schwierig werden. Die Konjunktur in USA, die stärkste Wirtschaftsnation der Erde, verliert an Schwung, auch wegen der Zinserhöhungen durch die Notenbank. In Asien geht das Wachstumstempo ebenfalls zurück. Vor allem, weil die Mächtigen in China verhindern wollen, dass sich die Wirtschaft des Landes überhitzt. Auch in Japan ebbt der Aufschwung wieder ab. Und womöglich sind in der gesamten Region die Folgen des Seebebens stärker als derzeit abzusehen.

Wegen der weltweiten Unsicherheit kommt es jetzt darauf an, dass die Binnenwirtschaft in Schwung kommt. Und hier sieht es nicht schlecht aus: Erstmals seit gut vier Jahren investieren die Unternehmen wieder im Inland. Denn sie haben Milliarden in den Kassen, mit denen sie die veralteten Maschinen und Computer ersetzen können. Die Verbraucher haben sich von der neuen Kauflust bereits anstecken lassen. Das Weihnachtsgeschäft 2004 war für den Handel das beste seit Jahren, und Umfragen zufolge planen die Deutschen auch im neuen Jahr größere Anschaffungen. „Wenn das keine Eintagsfliege ist, kann die Binnennachfrage endlich wieder eine Stütze der deutschen Wirtschaft werden“, freut sich Jan-Paul Ritscher, Analyst bei der HSH Nordbank.

Sollte es nicht klappen, bleibt immer noch die Hoffnung auf die Fußball-WM. „Ab Anfang 2006 bereiten sich die Fans vor und kaufen zum Beispiel mehr Fernseher“, glaubt Postbank-Chefökonom Bargel. „Außerdem kommen die Touristen aus dem Ausland zu uns – und die werden Milliarden hier zu Lande ausgeben.“

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