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Neuer Markt: Fisch vom Land

Leere Meere, Steigende Nachfrage: Mit der Zucht erzielt die Industrie zweistelliges Wachstum. Jetzt entdecken auch Deutsche das Geschäft.

Büsum - Nur ein paar Wölkchen ziehen über den blauen Julihimmel. Und auch die kräftige Brise wäre für die Büsumer Fischer normalerweise kein Grund, einen sonnigen Tag im Hafen zu verbringen. „Wir liegen hier schon seit drei Wochen“, sagt Valentin Hildebrandt, der gerade Rost vom Kutter klopft, „aber wir verpassen nicht viel.“ Viel zu holen gebe es in der Nordsee ohnehin nicht mehr, sagt der junge Fischer.

Die Meere werden immer leerer. 77 Prozent der Nordseebestände gelten bereits als überfischt, in anderen Meeren sieht es nicht besser aus. Vor allem Kabeljau und Dorsch, Scholle und Seezunge sind im Bestand bedroht (siehe Kasten). Derweil wächst die Nachfrage nach den eiweißreichen Meerestieren ständig. 14,8 Kilogramm verzehrt allein jeder Deutsche pro Jahr und Kopf. Je reicher die Bevölkerung, desto mehr Geld gibt sie für gesunde Lebensmittel wie Fisch aus. Darum boomt das Geschäft weltweit und die Preise steigen.

Es sind Zahlen wie diese, auf denen Gerrit Quantz sein Geschäft aufbaut. Gleich hinterm Büsumer Deich, am Helgolandkai 3, züchtet der Geschäftsführer der Firma Ecomares nach, was in der Natur zur Neige geht: Fisch. „Deutschland hat die Entwicklung ein bisschen verpennt“, sagt Zeitz und meint die künstliche Zucht von Speisefischen, die Fachleute Aquakultur nennen.

Der Wettbewerb ist längst global. Aus gutem Grund haben Länder wie Chile, Norwegen, Schottland und vor allem China schon vor rund 30 Jahren angefangen, auch Seefische zu züchten. Heute sind sie die Marktführer. Das Geschäft lohnt sich. Aquakultur ist der am schnellsten wachsende Sektor der Nahrungsmittelproduktion, mit Steigerungsraten von rund zehn Prozent pro Jahr. Schon jetzt stammen rund 30 Prozent aller Speisefische aus der Farmzucht.

Von der Entwicklung will auch Ecomares profitieren. In der schlichten, fußballfeldgroßen Halle hinterm Deich stehen zehn Salzwasserbecken eng nebeneinander. Die Luft ist erfüllt vom Tuckern der Pumpen und Wasserfilteranlagen. Am Beckenboden haben sich Hunderte von Steinbutten in Schichten übereinandergelegt. „In der Natur würden sie sich im Sand eingraben“, sagt Quantz. Steinbutt ist wegen des festen weißen Fleisches begehrt. Und teuer. An gehobenen Berliner Fischtheken kostet das Kilo Wildfang um die 40 Euro. „Nur bei einem hochwertigen Fisch lohnen sich die hohen Investitionen“, sagt Quantz. Für seine Zuchtfische zahlen ihm Großabnehmer wie die Deutsche See immerhin zehn bis 15 Euro je Kilo.

Ecomares gehört zu den nur wenigen Firmen in Deutschland, die marine Aquakultur betreiben. Während die Aufzucht von Süßwasserfischen wie Forelle, Karpfen oder Zander in Deutschland eine lange Tradition hat, ist die komplizierte Zucht von Salzwasserfischen hierzulande noch „ganz am Anfang“, wie der Wissenschaftler Klaus Wysujack von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei sagt. Das liegt vor allem an den Rahmenbedingungen. Die Kosten für Anlagen und Energie seien vergleichsweise hoch, ebenso die behördlichen Auflagen und die Lohnkosten, erklärt Wysujack. Im Wettbewerb mit Ländern wie China, Spanien oder Frankreich könne sich Deutschland daher nur schwer behaupten.

Dass die Perspektiven in Deutschland begrenzt sind, weiß auch Ecomares-Chef Quantz. Darum sollen die Steinbuttzucht in Büsum mit jährlich bis zu 150 Tonnen Fisch und eine Shrimp-Pilotstation in Strande bei Kiel nur der Test für die Welt sein. „Wir wollen die Technologie verkaufen, wenn sie ausgereift ist“, sagt der 54-Jährige, der an der TU Berlin Fischereibiologie und einige Semester Maschinenbau studiert hat. Weitere Anlagen für schnell wachsende Arten wie den Cobia – auf deutsch Offiziersfisch – errichtet das Unternehmen in Mexiko, ein Joint Venture im Jemen ist in Vorbereitung. Die Chancen stehen nicht schlecht. Ecomar hat ein Kreislaufsystem entwickelt. Gegenüber offenen Anlagen hat dies den Vorteil, dass Futter- und andere Abfälle aus der Zucht nicht ins Meer entsorgt werden. Außerdem können Zuchtfische nicht ausbüxen und sich mit den wilden Beständen vermischen. In einigen Fjorden Norwegens sollen bis zu 90 Prozent der Zuchtlachse entkommen sein.

Für viele andere Probleme hat aber auch Ecomar keine Antwort. Umweltschutzverbände wie der World Wide Fund for Nature (WWF) kritisieren, dass die Zuchtfische mit Wildfisch gefüttert werden, um zu wachsen. „Das ist absurd“, sagt WWF-Expertin Karoline Schaft. Allein 40 Prozent der jährlichen Fangmenge werden zu Fischmehl für die Fischzucht verarbeitet. Die reichen Länder würden so davon profitieren, dass der Bevölkerung in Südamerika oder Westafrika der Fisch weggefischt werde. „Aquakultur“, folgert Schaft, „kann nicht der Königsweg sein, um den Fischbedarf zu decken.“ Helfen könnten nur Selbstbeschränkungen und höhere Fangquoten.

Ecomar-Chef Quantz bestreitet das gar nicht. Etwa drei Kilo Anchovis in Form von Fischmehl brauche man, um ein Kilo Steinbutt zu produzieren. „Der Steinbutt ist nun mal ein Raubfisch“, sagt er. „Aus denen kann man keine Vegetarier machen.“ Auch wenn die Forschung versuche, immer mehr tierische Proteine durch pflanzliche zu ersetzen.

Für Themen wie diese hat Krabbenfischer Hildebrandt wenig Verständnis. Auf die Frage, was er von der künstlichen Shrimps-Zucht halte, sagt er skeptisch: „Wie soll denn das gehen? Nicht einmal wir wissen doch, wie die leben.“

Wie es mit ihm und seiner Zunft weitergehen soll, darüber möchte er lieber nicht allzu viel nachdenken. „Manche gehen auf Scholle“, sagt er, „aber hier ist nichts mehr in der Nordsee.“ Kommende Woche wollen die Fischer demonstrieren. Für höhere Preise. Ein bisschen aber wohl auch für mehr Respekt für die Fische vorm Deich, die nicht nur die Büsumer Fischer immer schlechter ernähren.

Maren Peters

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