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Himmelhoch! Wer das Gefühl hat, im Unternehmen geschätzt und gesehen zu werden, ist motivierter. Foto: dpa

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Wirtschaft: Neuer Schwung

Ob Selbstständiger, Mitarbeiter oder Chef: Jeden verlässt mal die Motivation. Wie es wieder aufwärts geht – und warum dabei auch Tomaten helfen können.

Vorgesetzte? Die hat Stefanie Jarantowski schon seit 2011 nicht mehr. Nach einigen Jahren als Angestellte in verschiedenen Agenturen gründete sie ihr eigenes Start-up „Eventsofa“: Eine Online-Plattform, über die man nach geeigneten Austragungsorten für Veranstaltungen suchen kann. Im Moment arbeitet die 30-Jährige von zu Hause aus und hat sich dafür ein Arbeitszimmer eingerichtet. Für sie und ihre beiden Praktikanten beginnt der Arbeitstag um neun Uhr. Außerdem arbeitet sie regelmäßig mit Freiberuflern zusammen – mit einigen davon sehr eng.

Über die Themen Selbst- und Mitarbeitermotivation hat sich die Gründerin viele Gedanken gemacht. „Es ist wichtig, dass es einem gut geht“, sagt sie am Telefon. Für sie bedeute das zum Beispiel, jeden Morgen mit Yoga zu beginnen. Sonnengrüße und ein Kopfstand hellen auch dann ihre Stimmung auf, wenn die Nacht besonders kurz war. „Außerdem achte ich darauf, regelmäßig Pausen zu machen.“ Bei der Einteilung ihrer Arbeit setzt Jarantowski auf die Pomodoro-Technik (siehe Kasten): Mit diesem Verfahren lässt sich eine Aufgabe in kleine Arbeits- portionen unterteilen, auf die kurze Unterbrechungen folgen. Sie schätzt den Zeitdruck, unter den sie dadurch gerät – er macht sie produktiv.

Motivationstiefs kennt sie aber trotzdem. „Besonders schwierig war für mich die Phase, in der ich viel Vorarbeit leisten musste, meine Seite aber noch nicht online war und ich keinen Kundenkontakt hatte.“ Heute verwendet die 30-Jährige auch große Blätter, auf denen sie die anstehenden, die aktuellen und die erledigten Aufgaben notiert. Die Mitarbeiter können auswählen, welche Aufgabe sie als nächstes übernehmen wollen – dann wird gemeinsam festgelegt, wann die Arbeitsschritte erledigt sein sollten. Als Chefin ist es Stefanie Jarantowski aber auch sehr wichtig, ihrem Team „Wertschätzung entgegenzubringen“, etwa gemeinsam zu feiern und darauf zu achten, dass die Praktikanten auch wirklich um 17 Uhr Feierabend machen.Sie selbst unterbricht ihre Arbeit um diese Zeit, geht einkaufen oder einen Kaffee trinken – und kommt durch den Ortswechsel oder eine Runde auf dem Rad auf neue Ideen.

Lisa Schmidt hat mit ihrem Chef vor einigen Jahren eine ganz andere Erfahrung gemacht. Die Vertriebsangestellte ist Ende 40, als ihr Arbeitgeber die Firma seinem Sohn übergibt. Der 25-Jährige hat gerade seinen Uni-Abschluss gemacht und will vieles im Unternehmen verändern. Er verwandelt kleine Arbeitsräume in Großraumbüros, verlangt von jedem Mitarbeiter ein wöchentliches „Leistungsprotokoll“, vor allem aber gibt er Lisa Schmidt Aufgaben, die weniger anspruchsvoll sind und ihr kaum Entscheidungsfreiheit lassen. Sie bittet um ein Gespräch, doch nach drei gescheiterten Versuchen liegt ihre Motivation am Boden.

Schmidt zieht die Notbremse. „Ich bin nur noch mit Bauchschmerzen zur Arbeit gegangen, habe schlecht geschlafen und war auch zu Hause ständig angespannt.“ Sie ignoriert alles, was ihr Freunde und Bekannte über die Schwierigkeiten erzählen, „in ihrem Alter“ noch den Job zu wechseln. Sie schreibt Bewerbungen und schluckt die Enttäuschung über die ersten Absagen hinunter. Nach einem halben Jahr liegt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch in ihrem Briefkasten, kurze Zeit später die endgültige Zusage. „Ich bin sicher ein extremes Beispiel, aber dieser Neustart hat mich ungemein beflügelt“, sagt die 52-Jährige. Vor allem genießt sie es, nun wieder sehr selbstständig arbeiten zu können. „Diese kleinschrittigen Aufgaben, die ich ständig absegnen lassen musste, waren fürchterlich.“

Wer seine Mitarbeiter motivieren will, muss geduldig sein. Für die Wirtschaftsberaterin und Trainerin Eva Hönnecke besteht die Grundlage „nachhaltiger Motivation“ darin, die Beweggründe und Stärken des Gegenübers zu kennen. Die Führungskraft müsse sich Zeit nehmen, um die Mitarbeiter kennen zu lernen. Aber sie benötige auch Empathie, um Menschen einschätzen und verstehen zu können, und individuell auf die Kollegen einzugehen.

Dass dies in vielen Unternehmen nicht funktioniert, zeigt auch die aktuelle Engagement-Studie, für die das Meinungsforschungsinstitut Gallup jedes Jahr die Motivation und Identifikation von Arbeitnehmern untersucht. Die im März veröffentlichten Ergebnisse bescheinigen lediglich 15 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland eine „hohe emotionale Bindung“ an ihr Unternehmen. 61 Prozent fühlten nur eine schwache Bindung, 24 Prozent überhaupt keine. Die wichtigste Ursache für diese demotivierenden Ergebnisse sehen die Verfasser in der mangelhaften Personalführung, für die fast immer der direkte Vorgesetzte verantwortlich sei.

Wie ist diese Entwicklung aufzuhalten? Eva Hönnecke hat für Chefs konkrete Tipps: Führungskräfte sollten etwa erklären, weshalb bestimmte Arbeitsanweisungen erteilt oder Entscheidungen getroffen werden. Und verständlich vermitteln, was sie von den Mitarbeitern in Sachen Leistung und Verhalten erwarten – und dabei erfüllbare Ziele vorgeben. Außerdem könnten Vorgesetzte ihren Angestellten eine Rückmeldung darüber geben, „welchen Beitrag die Mitarbeiter für ihre Abteilung oder das Unternehmen leisten und dass dieses gesehen und geschätzt wird“. Mitarbeiter bräuchten das Gefühl, dass ihre Meinung zählt – und sie nicht nur ein „Umsatzbringer“ sind.

Generell sei es für alle – Chefs, Mitarbeiter und Selbstständige – immer wieder motivierend, sich vor Augen zu führen, „wozu man das, was man tut, überhaupt tut“. Stefanie Jarantowski wird auch durch ihre Träume angetrieben, etwa den von einer Dachterrassenwohnung mit Blick über Berlin. Zudem setzt sie sich „Halbjahresziele“, die sie auf einem großen Whiteboard festhält. „Das ist für mich superwichtig.“ Momentan plant sie vor allem, nach dem ersten Halbjahr in Büroräume außerhalb ihrer Wohnung zu ziehen.

Motivation zieht sie auch aus Gesprächen mit anderen Gründern, den Austausch über Neuigkeiten, Probleme und Lösungen. „Und es gibt mir immer wieder Energie, zu lesen, dass auch erfolgreiche Unternehmen wie Pinterest oder Airbnb nicht über Nacht erfolgreich gewesen sind, sondern klein angefangen haben.“

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