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Genossen mit Boss: In Berlin traf Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) neben IG-Metall-Chef Wetzel (l.) auch BDI-Präsident Grillo (r.).

© Reuters

Neues Bündnis für Arbeit: Sigmar Gabriel will Industrie fit für die Zukunft machen

Konzerne, Gewerkschaften und Politik an einem Tisch: Wirtschaftsminister Gabriel kopiert Altkanzler Schröder als Genosse der Bosse. Damals endete das Bündnis für Arbeit im Streit - das soll diesmal anders sein.

So etwas macht sich immer gut: An einem Tisch mit den Mächtigen der Republik, den Industriebossen, Gewerkschaftsführern und schlauen Wissenschaftlern. Und auf der Tagesordnung die großen Fragen der Zeit: Wie lässt sich der Wohlstand des Landes bewahren? Wie behalten wir bei allen technischen Umbrüchen den Anschluss? Wo können die Leute in Zukunft arbeiten? Darüber muss man reden, damit kommt man in die Zeitung und ins Fernsehen. So hat es Gerhard Schröder gemacht, als er das Bündnis für Arbeit ins Leben rief – damals, Ende der 1990-er Jahre. So will es Sigmar Gabriel nun wieder machen. Schließlich will er nicht sein Leben lang nur Wirtschaftsminister bleiben.

Bei Gabriel heißt der Kreis wichtiger Menschen nicht Bündnis für Arbeit, sondern Bündnis Zukunft der Industrie. Das klingt zwar etwas sperriger, aber nicht minder wichtig. Zusammen mit IG-Metall-Chef Detlef Wetzel und Industriepräsident Ulrich Grillo hat Gabriel am Dienstag in Berlin vorgestellt, worum es dabei gehen soll – um die Herausforderungen, vor denen die Industrie in den kommenden Jahren steht: die Digitalisierung, der Fachkräftemangel, die Energiewende, die zu geringen Investitionen, die oft mangelnde Akzeptanz großer Projekte in der Bevölkerung. „Wir können nicht so tun, als wäre die Industrie auf ewig gesichert“, befand der Vizekanzler. Ein erfolgreiches Industrieland bleibe die Bundesrepublik nur mit einer „konzertierten Aktion“ von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften.

Dieses Stichwort fallen zu lassen war noch wichtig, denn der Mythos des Bündnisses für Arbeit geht auf die konzertierte Aktion ab Ende der sechziger Jahre zurück. Damals hatte Superminister und SPD-Legende Karl Schiller die Akteure an einen Tisch geholt, um auf die Krisen der Zeit zu reagieren. Verglichen damit erscheint Gabriels neue Runde noch ausbaufähig, weshalb er anmerkte, sie sei kein „closed shop“ und stehe weiteren Gruppen offen. Generell will er verhindern, dass die Treffen des neuen Bündnisses nur „nette Abendessen sind, an deren Ergebnis nur steht, dass man noch ein Kilo schwerer geworden ist“.

IG Metall: Schicksalsfrage für unser Land

Auf die Industrie wollen sich die Herren konzentrieren, weil sie den Kern der deutschen Wirtschaft bildet, oder, wie Gabriel sagt, ihr „Juwel“. Sie habe Deutschland auch in der Finanzkrise Stabilität verschafft, lobte IG-Metall-Mann Wetzel, und sei Grundlage des Wohlstands. Tatsächlich hatten gerade die Staaten zuletzt Probleme, in denen Maschinen- und Anlagenbau, Fabriken und Fertigungsstraßen eine Zeit lang als gestrig und unmodern galten. Es gehe „um eine Schicksalsfrage für unser Land“, schloss Wetzel daraus. Man habe allerdings nicht das Ziel, „eine Ersatzregierung zu sein“.

Beginnen soll die Arbeit des Bündnisses Anfang 2015, vor allem in vier Arbeitsgruppen. Sie werden sich kümmern um das Bild der Industrie in der Öffentlichkeit, um Wege zu mehr privaten und staatlichen Investitionen, um die Zukunft der Arbeit und um Wertschöpfungsketten der Zukunft. Eine Stiftung wird sich zudem damit beschäftigen, den Bürgern zu erklären, warum Industrie wichtig ist und dass sie nicht ständig mit ihr hadern sollen. Aus den klugen Erkenntnissen soll eine „industriepolitische Perspektive 2030“ werden. Natürlich einschließlich „verbindlicher Handlungsstrategie“, einer Koordination aller Akteure und „Aufgabenkatalogen“ für Politik und Unternehmen.

Schröder setzte am Ende auf Konfrontation

Sobald es konkret wird, treten allerdings auch die Konfliktlinien zwischen den Beteiligten zutage. Industrie-Präsident Grillo mahnte, die Energiepreise dürften nicht weiter steigen – etwa durch den Plan Gabriels, von der Industrie stärkere Anstrengungen beim Klimaschutz zu verlangen. Generell werde dem Klima „durch die Abschaltung von deutschen Kohlekraftwerken nicht geholfen“. Gabriel beeilte sich, einen Dissens gar nicht erst aufkommen zu lassen. Er halte nichts davon, „parallel zum Atomausstieg einen Kohleausstieg zu debattieren“. Bei seinem Plan, die Wirtschaft zu weniger Kohlendioxidausstoß zu verpflichten, handele es sich um einen „minimalinvasiven Eingriff“. Ohnehin, sagte Gabriel weiter, sei es ein Fehler gewesen, die Technik der Kohlendioxidabscheidung etwa für Kohlekraftwerke de facto zu verbieten. Und auch das umstrittene Fracking, bei dem fossile Rohstoffe durch das Einpressen von Wasser und Chemie aus der Tiefe geholt werden, solle man nicht verbieten, sondern weiter erforschen.

Grillo und Wetzel (Gabriel: „Der ist ja sozusagen mein Vorsitzender“) hörten es gerne. Vermutlich wissen sie auch, welches Ende das letzte Bündnis für Arbeit genommen hat. Gewerkschaften und Unternehmer blockierten sich gegenseitig, niemand wollte Opfer bringen – so verschwand es 2003 von der Bildfläche. Statt auf Kooperation setzte Kanzler Schröder fortan auf Konfrontation – und verkündete die Agenda 2010. Genützt hat es ihm nicht, er verlor darüber sein Amt. Ob Gabriel daran gedacht hat?

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