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Wirtschaft: Neues Gesicht, alte Probleme

Jean-Claude Juncker verliert, Herman Van Rompuy gewinnt an Macht – doch das Aussehen der neuen Eurozone bleibt noch vage

Brüssel - Aus Luxemburg ist kein Wort zu hören. Sowohl Premier Jean-Claude Juncker als auch sein Sprecher weilen im Urlaub und möchten sich nicht äußern. Dabei hätten sie nach dem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy in der vergangenen Woche viel zu sagen, gleicht deren Forderung nach einem neuen Präsidenten für die Gruppe der 17 Eurostaaten doch einer offenen Brüskierung von Juncker und dessen Arbeit. Manch ein EU-Diplomat in Brüssel nimmt schon das Wort von der „Entmachtung“ Junckers in den Mund.

Noch im Juli wurde vereinbart, Juncker solle gemeinsam mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und dem EU-Ratsvorsitzenden Herman Van Rompuy bis Ende Oktober Vorschläge präsentieren, wie die Eurozone und ihr Krisenmanagement institutionell gestärkt werden könnten. Formal bleibt es auch dabei, Merkels und Sarkozys Initiative gilt nur als Input für diese Beratungen. Faktisch aber sind gemeinsame Vorschläge aus Berlin und Paris mehr als das. Van Rompuy, seit Ende 2009 im Amt, wird wohl nicht nur den Eurogipfeln vorstehen, die mindestens halbjährlich stattfinden sollen. Es ist schwer vorstellbar, dass in Gestalt von Juncker ein zweiter „Chef“ die Runde der Euro-Finanzminister leitet, die die meiste Vorbereitungsarbeit für die Gipfel leisten.

Dass Juncker weder mit Merkel noch Sarkozy gut kann, ist bekannt. Der Franzose verhinderte einst seine Berufung zum EU-Ratschef, Merkel hat ihn mehrfach, vor allem für seine Eurobonds-Initiative, öffentlich gemaßregelt. Ärger verursachten auch das nicht geheim gehaltene Geheimtreffen in Luxemburg und Interviewäußerungen. „Van Rompuy ist diplomatisch und ruhig und wird Merkel und Sarkozy nicht lästig“, meint der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold, „Juncker dagegen redet oft Tacheles – auch öffentlich.“ Dazu passt der von Merkel überlieferte Satz vom Mai 2010, als der Rettungsschirm aus der Taufe gehoben wurde und bis auf sie, Sarkozy und Zentralbankchef Jean-Claude Trichet alle Anwesenden aus dem Zimmer hinauskomplimentiert wurden: „Herman, kannst Du bitte kurz draußen warten.“

Der Belgier, der unter Flamen und Wallonen gelernt hat, Brücken zu bauen, hat sich jedoch von der Rolle des Schuljungen emanzipiert. Er führte die Beratungen über den verschärften Stabilitätspakt, die kleine EU-Vertragsänderung und den Euro-Plus-Pakt zum Abschluss. Deshalb sehen Merkel und Sarkozy in Van Rompuy den neuen Chef der Eurogruppe und bitten in einem Brief, „dass Du diese Aufgabe übernimmst“. Die Personalie kann indes nicht verdecken, dass nach dem Gipfel weder organisatorisch noch inhaltlich Klarheit darüber besteht, wie die neue Eurozone aussehen soll. Die EU-Kommission saß bereits an einem Vorschlag für eine Finanztransaktionssteuer, auch die Einführung einer Schuldenbremse ist Bestandteil des Euro-Pakts. Weitergehendes wird erst Ende Oktober vereinbart. Der Lissaboner Vertrag erlaubt eine „verstärkte Zusammenarbeit“ von Staatengruppen, solange sie mit EU-Recht vereinbar ist. Das wäre aber im Fall der „Exekutivvollmachten“, die Werner Langen als Chef der Unionsabgeordneten im Europaparlament für Van Rompuy fordert, nicht der Fall. Ein polnischer EU-Diplomat weist darauf hin, dass „die Kompetenzen des Eurogruppenchefs in den Verträgen geregelt sind und eine Änderung der Zustimmung aller 27 bedarf“. Langen erwartet nun eine „Debatte über die nächste EU-Vertragsänderung – die ich begrüße.“ Christopher Ziedler

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