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19 Milliarden Dollar zahlte Facebook 2014 für den Kauf von WhatsApp.

© picture alliance / dpa

Neues Wettbewerbsgesetz: Facebook zähmen

Die Märkte digitalisieren sich rasant. Darauf will die Bundesregierung nun mit einer Anpassung des Wettbewerbsgesetzes reagieren. Auch die "Wurstlücke" wird geschlossen.

Berlin - 19 Milliarden Dollar – so viel war Facebook vor zwei Jahren die Übernahme des Chat-Dienstes WhatsApp wert. Noch nie zuvor hatte ein Start-up für so viel Geld den Besitzer gewechselt. Würde es so einen Fall in Deutschland geben, wäre das Kartellamt jedoch machtlos hinsichtlich einer Überprüfung, da die Nutzer für die Dienste nichts zahlen müssen außer mit ihren Daten, und demnach im Sinne des Wettbewerbsgesetzes kein Markt vorliegt.

Bisher galt: Wo kein Geld fließt, da kein Markt

Das will die Bundesregierung nun ändern mit einer Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Demnach besteht ein Markt im Sinne des Wettbewerbsrechts künftig auch dann, wenn zwischen den unmittelbar Beteiligten kein Geld fließt, heißt es im Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums, der dem Tagesspiegel vorliegt und der nun in die Länder- und Verbändeanhörung gegeben wird.

Angesichts der zunehmenden wie rasanten Digitalisierung der Märkte ist es längst Zeit für eine Anpassung. Grundsätzlich habe sich das seit 1958 bestehende Wettbewerbsgesetz zwar bewährt, das die rechtliche Basis für die Arbeit des Bundeskartellamts und der Landeskartellbehörden bildet, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Doch viele der neuen Geschäftsideen haben das Potenzial, quasi über Nacht etablierte Modelle zu verdrängen, was schnell zu einer Marktkonzentration führen kann. Darauf soll nun mit der neunten Novelle des Wettbewerbsgesetzes reagiert werden.

Fusionskontrollen ab einem Kaufpreis von mehr als 350 Millionen Euro

Wie bei Facebook und WhatsApp ist die Nutzung vieler internetbasierter Angebote wie Suchmaschinen, Vergleichsportale, Informationsdiensten und Unterhaltungsmedien kostenlos. Ob ein Unternehmen marktbeherrschend ist oder den wirksamen Wettbewerb verhindert, kann das Kartellamt jedoch nur untersuchen, wenn auch die kostenlosen Vorgänge einen Markt darstellen, wie es der neue Gesetzesentwurf vorsieht.

Eine Fusionskontrolle soll es jedoch erst bei Übernahmen mit einem Kaufpreis von mehr als 350 Millionen Euro geben. Die Schwelle sei extra hoch angelegt worden, um Innovationsprozesse nicht einzuschränken, heißt es aus dem Ministerium. In Deutschland sei bisher kein Start-up durch ein etabliertes Unternehmen mit einem solchen Kaufpreis übernommen worden. Auch sei die Hürde höher als in den USA, wo die Fusionskontrolle bereits bei einem Preis von mehr als 275 Millionen Dollar greife.

Künftig gilt: Mütter haften für ihre Töchter

Neben den Anpassungen mit Blick auf die Digitalisierung gibt es im neuen GWB zwei weitere zentrale Punkte. So wird zum einen die sogenannte „Wurstlücke“ geschlossen, benannt nach dem westfälischen Fleischfabrikanten Clemens Tönnies, der 2014 mit einem großen Wurstkartell aufgeflogen war und allein ein Bußgeld von 120 Millionen Euro zahlen sollte. Seine betroffenen Tochterfirmen hatte das Unternehmen daraufhin kurzerhand aus dem Handelsregister gelöscht, sie waren damit nicht mehr greifbar, wodurch dem Staat 300 bis 400 Millionen Euro Bußgelder entgangen seien. Tönnies bestreitet diese Darstellung, die Umstrukturierung sei bereits vor Eingang des Bußgeldbescheids geplant gewesen.

Künftig soll dies jedoch nicht mehr möglich sein. Gemäß dem Motto „Mütter haften für ihre Töchter“ sollen sich Kartellbeteiligte nach der GWB-Novelle nicht mehr durch Umstrukturierungen oder Vermögensverschiebungen der Haftung entziehen können.

Schneller Gesetzgebungsprozess geplant

Weiter sollen mit der EU-Richtlinie zum Kartell-Schadensersatz die Rechte von Geschädigten gestärkt werden, hohe Bußgelder und zusätzlich hohe Schadensersatzansprüche sollen Kartelle wirtschaftlich unattraktiv machen.

Noch im Sommer soll die neunte GWB-Novelle im Kabinett beschlossen werden und nach einem zügigen Gesetzgebungsprozess dann zum Jahresbeginn in Kraft treten.

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