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Wirtschaft: New York: Ein Schlag für den Wirtschaftsstandort

Strassenhändler Bin Wu hat sein Angebot umgestellt. An seinem Verkaufsstand gleich neben dem Plaza Hotel am Central Park South hängen nur noch Fotos vom World Trade Center.

Strassenhändler Bin Wu hat sein Angebot umgestellt. An seinem Verkaufsstand gleich neben dem Plaza Hotel am Central Park South hängen nur noch Fotos vom World Trade Center. Die Bildergalerie des 37-jährigen Exil-Chinesen zeigt das versunkene Wahrzeichen der Skyline von Manhattan zu Tag- oder Nachtzeit und aus allen denkbaren Perspektiven. Je nach Größe und ob mit oder ohne Rahmen verlangt Bin Wu zwischen 10 und 25 Dollar für die Schwarz-Weiss-Fotos. Doch das Geschäft mit der Erinnerung läuft schlecht. "Es sind zu wenig Touristen in der Stadt", erklärt Bin Wu.

Der Besucherschwund nach dem Terroranschlag hat vor allem die Hotelbranche getroffen. Im benachbarten Plaza Hotel ging die Belegungsquote in den Nächten nach dem 11. September auf unter zehn Prozent zurück. Andere Hotels wie das Royalton, das Hudson oder das Paramount waren weniger als 20 Prozent ausgelastet. Inzwischen seien die Hotels der Stadt durchschnittlich wieder zu 45 Prozent ihrer Kapazitäten ausgelastet, erklärt Lisa Herbst, Sprecherin der Hotel Association von New York. Normalerweise sind die Hotels zu dieser Jahreszeit zu rund 85 Prozent belegt. Manche, wie Brian Honan vom Four Seasons Hotel, geben sich dennoch zuversichtlich, dass die Talsohle nach den Terroranschlägen bereits durchschritten ist: "Für die Monate Oktober, November und Dezember sieht es bei den Reservierungen schon wieder sehr gut aus."

Der Tourismus-Industrie hat der Terroranschlag allerdings einen nachhaltigen Schlag versetzt. Analysten sprechen davon, dass bereits 3000 Hotel-Angestellte in New York ihren Job verloren haben. Doch die Schockwellen des Anschlags reichen weit über die Grenzen New Yorks hinaus und sind noch im fernen Hawaii zu spüren, wo die Hotels wegen stornierter Reisen ebenfalls zur Hälfte leer stehen und zehntausende Jobs bedroht sind. Für Barry Sternlicht, den Vorstandschef der Starwood Hotels and Resorts Worldwide, dessen Konzern Hotelketten wie Four Points, Sheraton, St. Regis und Westin hält, kommt das Ausmaß der Katastrophe einer "Jahrtausendflut" gleich. In den Tagen nach dem Anschlag entgingen seinem Unternehmen allein durch zurückgezogene Reservierungen 650 Millionen Mark. Immerhin gelang es Sternlicht, alle 650 Zimmer des Sheraton in Manhattan auf einen Schlag zu vermieten. Das Finanzunternehmen Lehman Brothers, dessen Büros in den Trümmern des World Trade Centers verschwanden, hat das Hotel für zwei Monate angemietet. Die Hotelbetten wurden durch Schreibtische ersetzt, die aus Kanada eingeflogen wurden.

14 000 Firmen in Manhattan betroffen

Die Nachwirkungen der Katastrophe weiten sich zur Bedrohung für den gesamten Wirtschaftsstandort New York aus. 14 000 Unternehmen sind allein in Lower Manhattan unmittelbar von der Katastrophe betroffen. Die Umsätze in den Geschäften rund um die Trümmer der Twin Towers sind um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. 50 000 Menschen arbeiteten in den beiden Türmen, weitere 50 000 waren in den jetzt geschlossenen Gebäuden rund um das Katastrophengebiet beschäftigt. Viele betroffene Unternehmen mieteten Immobilien in New Jersey, am gegenüberliegenden Ufer des Hudson River an und bescherten den Maklern einen ungeahnten Boom. Ob die Unternehmen jemals wieder nach Manhattan zurückkehren, ist ungewiss. Bis Ende vergangener Woche meldeten sich bei den Arbeitsämtern 11 000 Menschen und erklärten, ihren Job aufgrund der Terrorattacke verloren zu haben. Das New Yorker Department of Labor erwartet rund 75 000 Arbeitslose, die wegen des Anschlags um Unterstützung anfragen werden. Von den knapp neun Millionen Arbeitsplätzen der Stadt seien nach Angaben von Stuart Roy, Sprecher der Arbeitsverwaltung, etwa 700 000 mittelbar von der Katastrophe betroffen.

Keine Branche bleibt verschont. Wie Henry Archer Meer, Besitzer des City Hall Restaurants in Downtown, der 25 Mitarbeiter entließ, setzen Gastronome überall in New York Angestellte auf die Straße. "An dem Tag, an dem sie das World Trade Center zerstörten, haben sie auch unser Geschäft zerstört", sagt Steven P. Ellis vom privaten Limousinen-Dienst XYZ 2-Way Radio Service, der vor allem von Flughafen-Fahrten lebt. 25 seiner 425 Chauffeure schauen sich jetzt nach anderen Jobs um.

Neben der Tourismus-Industrie trifft es vor allem die Unterhaltungsbranche, neben Wall Street ein wichtiges Standbein der New Yorker Wirtschaft. Fünf Broadway-Musical mussten bereits wegen Zuschauermangels schließen, die Gewerkschaft der Theater-Mitarbeiter stimmte einer 25-prozentigen Gehaltskürzung zu, um Arbeitsplätze zu erhalten. Am Freitag vergangener Woche versammelten sich hunderte Akteure der Broadway-Bühnen am Times Square. Im Rahmen einer groß angelegten Kampagne, die Touristen in die Stadt locken soll, intonierten die Künstler für einen Werbespot den Frank-Sinatra-Song "New York, New York".

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