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Wirtschaft: Niall Ferguson: Politik ohne Macht: Der Staat auf der Suche nach dem lieben Geld

Am Anfang der finanziellen Entwicklung stand der Krieg: ohne Geld, keine Armeen. Heute sind es soziale Herausforderungen: ohne Geld, kein Wohlfahrtssystem.

Am Anfang der finanziellen Entwicklung stand der Krieg: ohne Geld, keine Armeen. Heute sind es soziale Herausforderungen: ohne Geld, kein Wohlfahrtssystem. Die tatsächliche Politik und Macht, die ein Staat entwickelt, hängt davon ab, wie er seine - vor allem finanziellen - Ressourcen mobilisieren kann. Der britische Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson, Professor in Oxford, analysiert in seinem neuen Buch "Politik ohne Macht" die Voraussetzungen, die einen Staat seine Potenziale optimal nutzen lassen. Dies sind insbesondere seine Institutionen wie die Zentralbank und die Schuldenverwaltung. Je effektiver diese arbeiten, desto stärker ist der Staat. So konnte Großbritannien mit seinem Finanzmarkt Napoleon niederringen, obwohl Frankreich über eine doppelt so große Bevölkerung und eine dreifach größere Wirtschaftskraft verfügte.

Ferguson beschränkt sich jedoch nicht auf die Analyse, wie der Staat an seine Mittel gelangt. Er schreibt auch, was die ökonomisch stärksten Mächte damit anstellen sollen. Für die USA fordert er, dass sie nicht weniger, sondern mehr Weltpolizist sind. Einer der großen Fehler Großbritanniens, das zum Beginn des 20. Jahrhunderts die entsprechende Rolle inne hatte, sei es gewesen, zu wenig für seine militärische Sicherung ausgegeben zu haben. Ferguson verweist dabei auf die nur kurzfristig billigere Politik der Briten gegenüber Hitler. Die Kosten des Weltkriegs hätten bei einem früheren Eingreifen vermieden werden können.

In die Irre führt also der Untertitel des Buches - "das fatale Vertrauen in die Wirtschaft". Nur ein Kapitel setzt sich tatsächlich damit auseinander, dass die Wirtschaft - dargestellt am Beispiel Großbritanniens - die Politik zwar stark beeinflusst, selten aber Wahlen entschieden hat. Der größte Teil des Buchs ist jedoch im wahrsten Sinn historisch. Eine ähnlich scharfe Diskussion wie mit seinem Werk "Der falsche Krieg", das 1999 in Deutschland erschien, wird Ferguson mit seinen Thesen kaum auslösen. Damals hatte er darüber spekuliert, ob Hitler hätte verhindert werden können, wäre Großbritannien nicht in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Bedenkenswert sind seine aktuellen Schlussfolgerungen jedoch in jedem Fall. Den heutigen Industriestaaten fehlt seiner Meinung nach der politische Wille dazu, gesellschaftliche Schieflagen auszugleichen. Ferguson sieht eine deutliche Ungerechtigkeit in der derzeitigen Finanzpolitik gegenüber zukünftigen Generationen. Einschneidende Maßnahmen werden nötig sein. Unsicher ist allerdings, ob die Politiker heute die gleiche Kreativität zu deren finanziellen Absicherung zeigen werden wie ihre Vorgänger.

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