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Wirtschaft: Nicht nur klagen, sondern wechseln

Netzagenturchef Kurth erwartet mehr Konkurrenz beim Erdgas

Berlin - Die Bundesnetzagentur will im Laufe dieses Jahres die Bedingungen für mehr Wettbewerb auf dem Gasmarkt verbessern. „2007 kommen wir ein gutes Stück voran“, sagte Behördenchef Matthias Kurth dem Tagesspiegel am Sonntag. Neuen Unternehmen werde der Markteintritt erheblich erleichtert. Bis der Wettbewerb aber vollständig funktioniere, werde es noch Jahre dauern. „Einen Tanker machen Sie nicht zum Windhund. Bei der Telekommunikation hat es auch zehn Jahre gedauert, beim Strom haben wir schon einen längeren Vorlauf“, sagte Kurth. Die Bundesnetzagentur könne keine Garantie dafür übernehmen, dass die Unternehmen und die Verbraucher die sich ihnen nun bietenden Chancen auch ergreifen. „Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen – und appellieren“, sagte Kurth.

Die Bundesnetzagentur ist dem Wirtschaftsministerium zugeordnet. Sie ist als selbstständige Bundesoberbehörde dafür zuständig, mit Hilfe von Liberalisierung und Deregulierung für mehr Wettbewerb auf dem Strom-, Gas-, Telekommunikations- und Postmarkt sowie bei der Eisenbahninfrastruktur zu sorgen. In dieser Funktion überprüft sie zum Beispiel die Nutzungsentgelte der Strom- und Gasnetzbetreiber. Zuletzt setzte sie immer wieder spürbare Kürzungen der beantragten Entgelte durch.

Allerdings müssten die Kunden ihre neuen Möglichkeiten auch wahrnehmen, sagte Kurth. Beim Strom zum Beispiel könne der Durchschnittshaushalt derzeit bis zu 300 Euro im Jahr durch einen Anbieterwechsel sparen. „Trotzdem nutzen viele Leute das nicht. Ähnlich sah es zunächst auch in der Telekommunikation aus“, sagte der Behördenchef. „Der Verbraucher regt sich oft auf, aber dann herrscht oft Trägheit.“

Bei Strom und Gas kämen außerdem Ängste um die Versorgungssicherheit hinzu, wenn man zu einem anderen Anbieter wechselt. „Die Ängste sind zwar unbegründet, man muss sie aber ernst nehmen. Bei der Telekommunikation war es Ende der 90er Jahre genauso“, sagte Kurth.

Die Netzagentur treibe die Prüfung der Durchleitungskosten voran, sagte Kurth. „Wir sind sehr ungeduldig, sind aber an den Grenzen unserer Kapazitäten. Demnächst müssen wir thematisieren, wo wir uns eventuell verstärken sollten.“ Ähnlich wie beim Strom, bei dem rund 80 Prozent des Marktes abgearbeitet sind, sind es bei den Gasnetzbetreibern etwa 70 Prozent. Beim Strom machen die Leitungskosten etwas mehr als ein Drittel des Preises für den Endkunden aus, beim Gas liegt der Anteil bei etwa 20 Prozent.

Für den Wettbewerb sei die Vereinfachung der Gasdurchleitung aber viel wichtiger als die absolute Höhe der Netzkosten, sagte Kurth. „Kaum einem ist klar, an wie vielen Stellschrauben wir zurzeit drehen.“ Die Gaspreise hingen von vielen Faktoren ab – etwa der geringen Zahl der Gasanbieter, Engpässen bei den Pipelines, fehlenden Kapazitäten in den Speichern, örtlichen Konzessionsabgaben, den unterschiedlichen Netzkosten, zum Beispiel wenn das Vermögen unterschiedlich abgeschrieben wurde, und davon, wie und wo Gas eingekauft wird.

Der Agenturchef sieht die Vorschläge der EU-Kommission allerdings skeptisch, die Regulierung auf die europäische Ebene zu verlagern und Netze und Produktion eigentumsrechtlich zu trennen. Erst einmal solle man die Wirkung der Maßnahmen abwarten, die bereits ergriffen wurden und die Kooperation an den Grenzen verbessern. „Es gibt kein Allheilmittel und keine Patentrezepte“, sagte Kurth und warnte davor, sich nur auf ein einziges Thema wie die Abtrennung der Netze von den großen Konzernen zu konzentrieren. Bei der Telekommunikation habe man durch die richtige Regulierung auch erfolgreich für Wettbewerb gesorgt, obwohl das Netz weiterhin der Deutschen Telekom gehöre. Ähnliches strebe er auch für das Schienennetz an, das nach dem Willen der Regierung auch nach einer teilweisen Privatisierung von der Deutschen Bahn geführt werden soll. „Es gibt hier erfreuliche Entwicklungen beim Wettbewerb. Unabhängig von der Eigentumsfrage arbeiten wir an mehr Transparenz und an der Optimierung der Zugangsmöglichkeiten. Bei der Frage der Trassenentgelte wünschen wir uns mehr Klarheit“, sagte Kurth.

Außerdem will die Netzagentur weiter Druck auf die Mobilfunkbetreiber ausüben. Nachdem die Behörde bereits eine Senkung der Terminierungsentgelte – also der Preise, die gezahlt werden müssen, wenn Anrufe in ein anderes Netz gehen – um 20 Prozent verfügt hat, soll es weitere Anpassungen geben. Auch in den kommenden Jahren werde man auf diesem Weg weitergehen.

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