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Wirtschaft: Niemals geht man so ganz

Die internationalen Wirtschaftshochschulen umsorgen ihre Studenten auch noch, wenn sie die Uni längst verlassen haben. Die Ehemaligen sind wichtig – als Jobvermittler und Spender

Es gibt eine Zahl, um die Andrew Steele weltweit beneidet wird: 70,5 Prozent. Fast alle Business-Schools bitten einmal im Jahr ihre Freunde, Förderer und vor allem ihre Ehemaligen in Spendenkampagnen um Geld. Und dann schauen sie ganz genau, wer von den Alumni wirklich etwas gegeben hat. An der Tuck Business School am US-amerikanischen Dartmouth College, wo Andrew Steele sich als Direktor um die Kontaktpflege mit den Alumni kümmert, lag die Quote derer, die etwas überwiesen haben, in diesem Jahr bei eben jenen 70,5 Prozent.

Der Neid auf diese Zahl kommt nicht von ungefähr: Selbst an den renommiertesten MBA-Hochschulen liegt die Quote nur bei rund 20 Prozent. Dabei ist es für die Business-Schools nicht nur eine Frage des guten Stils den Kontakt zu den Studenten auch nach ihrem Abschluss zu halten und ein echtes Alumni-Netzwerk zu schaffen, sondern elementarer Bestandteil ihres Konzepts – und nicht zuletzt ihrer Budgetplanungen.

Die hohe Bedeutung der Absolventen-Netzwerke gerade für Business Schools hat mehrere Gründe. Zum einen liegt es an den Studenten selbst: Sie haben bereits ein Studium und oft auch erste Berufseinblicke hinter sich und wissen um die große Bedeutung von Kontakten in der Wirtschaftswelt. „Die erwarten nicht nur inhaltlich gute Programme, sondern auch ein starkes Netzwerk, das sie während und nach dem Studium unterstützt“, hat Anette Tronnier von der Gisma aus Hannover beobachtet.

Die Amerikaner sind hierbei Vorreiter, an den US-Schulen ist dieser Jahrgangs- und generationenübergreifende Zusammenhalt besonders verinnerlicht. „Unsere Studenten wissen, dass sie ihre Ausbildung nicht nur in den Klassenräumen erfahren, sondern auch in der Gemeinschaft mit ihren Kommilitonen und ihren Vorgängern“, erklärt Richard Ammons, als Dekan zuständig für den Kontakt zu den Alumni an der Fuqua School of Business der Duke Universität.

„Wir versuchen schon während des Studiums ein lebenslanges Band mit ihnen zu knüpfen, sie sollen stolz auf die Schule und die Leistungen ihrer Vorgänger und Nachfolger sein.“ Schließlich seien es die Leistungen der Absolventen, die das Renommee der Schule ausmachen, und damit auch die Karriereaussichten der Studenten mitbestimmen.

Schon beim Anwerben neuer Studenten ist das Alumni-Netzwerk einer Schule ein Argument. Alle Schulen vermitteln die Interessenten an „passende“ Ehemalige, die aus dem gleichen Land kommen, einen ähnlichen Bildungshintergrund haben oder in der Branche arbeiten, in die es den angehenden Studenten zieht. „Die Absolventen können das viel besser und glaubwürdiger vertreten, als wir das jemals könnten“, sagt etwa Anette Tronnier, Chefin der Gisma in Hannover.

Ein starkes Alumni-Netzwerk gehört zum Geschäftsmodell der Business Schools. Dabei haben es deutsche Schulen deutlich schwerer als ihre Vorbilder im angelsächsischen Raum, sie wären oft schon froh, wenn sie auch nur in die Nähe der üblichen 20 Prozent kämen.

Das liegt etwa daran, dass die meisten MBA-Programme noch jung sind, ihre Absolventen sich noch hocharbeiten müssen. „Die haben maximal vor elf Jahren ihren Abschluss gemacht“, sagt Gisma-Chefin Tronnier. „Die Bereitschaft uns finanziell zu unterstützen ist da, aber die Möglichkeit oft noch nicht.“

„Die Alumni-Spenden sind in unserem Budget keine Planungsgröße“, sagt Tronnier. Anderen Schulen geht es ähnlich. „Für jemanden, der Ende zwanzig ist und vielleicht vor drei Jahren seinen Abschluss bei uns gemacht hat, ist es leichter, uns mit seiner Zeit zu helfen als große Summen zu spenden“, sagt Becky Gilbert, an der Berliner European School of Management and Technology zuständig für Alumni Relations.

Die 2003 gegründete Hertie School of Governance in Berlin hat inzwischen 310 Alumni aus 40 Ländern. Auch hier werden die Beziehungen zu den Ex-Studenten sehr gepflegt, sagt Sprecherin Regine Kreitz. Es gibt jährliche Netzwerk-Treffen, die Alumni haben einen Praktikums-Fonds eingerichtet und vergeben den „Alumni Student Thesis Award“.

Immer mehr Schulen setzen vor allem auf praktische Unterstützung durch Ehemalige. Diese helfen zum Beispiel den aktuellen Studenten als Mentoren dabei, sich in einer Branche zurechtzufinden. Die Absolventen besuchen regelmäßig ihre alte Schule und erzählen aus ihrem Arbeitsalltag. Zum Standard der Kontaktpflege zählen auch regelmäßige Newsletter für die Alumni, Jubiläums-Treffen auf dem Campus, und vor allem ein Intranet für die Jobvermittlung.

Dazu kommen oft Regionalgruppen, die eigene Stammtische organisieren. Die amerikanischen Schulen gehen noch weiter und drucken Magazine für Ihre Ehemaligen, laden sie zu Gesprächsrunden mit ihren Präsidenten ein, lassen sich von einem ständigen Absolventen-Gremium in Sachen Hochschulpolitik beraten.

Ihr Alumni-Netzwerk ist oft riesig: die Columbia Business School in New York hat zur Zeit rund 40 000 Absolventen organisiert in mehr als 60 Clubs in 121 Ländern, die eigene Veranstaltungen organisieren. An der Schule kümmern sich zehn Mitarbeiter ausschließlich um dieses Netzwerk. Das rechnet sich. 114 Millionen Dollar haben Ehemalige im Steuerjahr 2011 gespendet.

Dimensionen, die hierzulande wohl nie erreicht werden. Das liegt auch an kulturellen Unterschieden: „In den USA ist Philanthropie viel stärker verankert, da gibt es eine Spendenkultur, die in Europa und Deutschland erst entsteht“, sagt Nick Barniville, Direktor der MBA-Programme an der Berliner European School of Management and Technology.

Womit wir wieder bei Andrew Steele und seinen 70,5 Prozent wären. Wie schaffen er und seine Kollegen es, dass so viele Absolventen für ihre ehemalige Schule spenden? Steele: „Wir sind eine kleine Schule in einer kleinen Stadt... deshalb ist die Gemeinschaft hier besonders wichtig.“ Gerade einmal 10 000 Einwohner hat der Ort Hanover, in dem Dartmouth College liegt. Der Campus ist umgeben von den Wäldern und Sümpfen Massachusetts'. Am Ende also hängt die Bindung der Absolventen an ihre Schule nicht nur von Newslettern und Karriereaussichten ab, sondern auch davon, ob sie eine schöne Zeit an einem schönen Ort gehabt haben. (HB)

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