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Feierlicher Moment. Bekanntgabe der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften am Montag in Stockholm.

© dpa

Nobelpreis für Wirtschaft: Die Kunst des Verteilens

Spieltheorie und Verhaltensökonomie: Der Nobelpreis für Wirtschaft geht an zwei US-Wissenschaftler, die Funktionsbedingungen von Märkten untersucht haben, auf denen es in der Regel keine Preise gibt.

„Nun ja, Marktdesign ist eine ziemlich neue Sache. Ich nehme an, meine Studenten werden mir aufmerksamer zuhören, wenn ich nachher in den Unterricht gehe“, scherzte Alvin E. Roth, als er gefragt wurde, wie der Nobelpreis sich auf sein Leben auswirken würde. Der 60-jährige US-Ökonom bekommt die Auszeichnung gemeinsam mit seinem 89-jährigen Landsmann Lloyd Shapley. „Es war durchaus an der Zeit, und er hat es verdient“, kommentierte der Leipziger Ökonom und Spieltheoretiker Harald Wiese den Preis für Shapley. Bereits in den 50er Jahren habe dieser mit dem berühmten Shapley-Wert die kooperative Spieltheorie mit begründet. Shapley habe „allgemeine Regeln aufgestellt“ wie man diverse Dinge aufteilt: Dabei wird alles verteilt, nichts verschwendet und aber auch nicht mehr verteilt, als tatsächlich vorhanden ist.

Auf dieser ziemlich theoretischen Grundlage bauten dann Verhaltensökonomen wie Roth ihre Modelle des Marktdesigns auf, um für bestimmte Märkte „verschiedene Akteure auf bestmögliche Weise zusammenzubringen“, wie die Nobelpreis-Jury formulierte. Ganz konkret befasste sich Roth zum Beispiel mit der Verteilung von Transplantationsorganen an Patienten. Es geht also um die Verteilung auf Märkten, auf denen Geld keine Rolle spielt. Es gibt auf diesen Märkten also keinen Preis, der die Verteilung regelt. Also müssen andere Verteilungsmechanismen gefunden werden. Roth verbesserte etwa die Verteilung von Studienplätzen an Studenten grundlegend.

Lloyd Shapley
Lloyd Shapley

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Lange war das Problem der Universitäten, dass sie oft zu viele Bewerber für Studienplätze hatten und bisweilen zu wenige. Indem alle Studienbewerber statt nur einen Wunsch einen Erst- und einen Zweitwunsch angeben mussten, verbesserte sich das „Verteilungssystem für alle Akteure, sowohl Hochschulen als auch Bewerber, erheblich“, erläuterte die Nobeljury. Ein anderer Bereich sei etwa das Heiraten, es gehe um die „stabile Verteilung“ von Männern und Frauen. Die beiden Forscher hätten auf „wunderschöne“ Weise gezeigt, was „wirtschaftswissenschaftliche Ingenieursarbeit“ bedeute, nämlich „Märkte so designen, dass sie gut funktionieren“.

Alvin E. Roth
Alvin E. Roth

© Reuters

Die Wirtschaftspreisjury entfernt sich mit ihrer diesjährigen Entscheidung weiter vom klassisch liberalen Dogma der völlig freien Marktkräfte, die sich am besten selbst regulieren. Auf die Frage, ob er den Nobelpreis im Dezember persönlich in Empfang nehmen werde, antworte Roth auf kalifornische Art: „Ja klar, ich habe gehört, das ist eine große Party.“ Er verneinte die Frage, ob er eine Marktdesign-Idee habe, um die Krise in Europa zu überwinden. „Nein, zu so generellen Dingen kann ich nichts sagen, unsere Forschung ist bisher nur in abgegrenzten Einzelbereichen verwirklicht worden.“

Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ist kein Nobelpreis im klassischen Sinn. Er wurde 1968 nachträglich von der Schwedischen Reichsbank anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens gestiftet und wird seit 1969 jährlich nach den gleichen Kriterien wie die anderen Nobelpreise vergeben.

Der einzige deutsche Preisträger war 1994 der Spieltheoretiker Reinhard Selten. „Da gibt es Akteure, die tun was“, beschreibt der Leipziger Ökonom Wiese die nicht-kooperative Spieltheorie Seltens im Vergleich zur kooperativen Spieltheorie Shapleys. 2011 ging die Auszeichnung an die beiden US-Ökonomen Thomas Sargent und Christopher Sims. Sie untersuchten wirtschaftspolitische Entscheidungen und ihre Wirkung auf die Realwirtschaft. Auch das war eine Abkehr vom liberalen Dogma hin zur makroökonomischen Denkart mit dem Staat als Akteur.

Die Preisträger erhalten am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, eine Urkunde und die goldene Medaille mit dem Konterfei des Stifters. Zusätzlich wird ein Preisgeld von 930 000 Euro ausgezahlt. Die Summe musste im Vorjahr um 20 Prozent gekürzt werden: Auch die Geldanlagen der Nobelstiftung hatten unter den letzten Finanzkrisen gelitten.

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