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Wirtschaft: „Noch nie war die Lage so dramatisch“

Belegschaftsaktionäre von Siemens schlagen Alarm / Aufsichtsrat befasst sich mit Korruptionsaffäre

München - In die Siemens-Affäre um schwarze Kassen und veruntreute Gelder schaltet sich nun auch der Aufsichtsrat ein. Das Kontrollgremium des Konzerns hat für diesen Montag eine Sitzung einberufen. Dabei soll auch das interne Verhaltensregelwerk von Siemens diskutiert werden. Der Vorstand hat bereits angekündigt, die sogenannten Compliance-Richtlinien auf Lücken abzuklopfen. Zudem benannte er einen externen Ombudsmann, an den sich Beschäftigte bei verdächtigen Vorgängen wenden sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ein Dutzend Beschuldigte, die rund 200 Millionen Euro aus Siemens-Kassen als Schmiermittel genutzt haben sollen.

Im Hinblick auf die Aufsichtsratssitzung haben die Belegschaftsaktionäre des Konzerns schärfere Kontrollen gefordert. Außerdem kündigten sie an, Vorstand und Aufsichtsrat bei der Hauptversammlung im Januar die Entlastung zu verweigern. „Siemens war noch nie in einer so dramatischen Lage wie heute“, sagte der Vorsitzende des Vereins von Belegschaftsaktionären, Manfred Meiler, dem Tagesspiegel. Die BenQ-Pleite, die 30-prozentige Erhöhung der Vorstandsgehälter und die Korruptionsaffäre hätten dem Konzern einen „unermesslichen Imageschaden“ zugefügt. Daher könne die Siemens-Führungsriege für das abgelaufene Geschäftsjahr nicht entlastet werden. Siemens müsse alles dafür tun, die Glaubwürdigkeit bei den Beschäftigten und in der Öffentlichkeit wiederherzustellen. „Wir bekommen viele besorgte E-Mails von Mitarbeitern, die dem Konzern nicht mehr trauen“, sagte Meiler.

Vom Aufsichtsrat fordert der Verein der Belegschaftsaktionäre, der rund 4000 Mitglieder vertritt, umfangreiche Maßnahmen zur Verschärfung der Kontrollmechanismen. „Siemens müsste für jeden Bereich oder zumindest für jeden Standort einen eigenen Ombudsmann einsetzen.“ Das gelte vor allem für die Telekommunikation oder den Energiesektor, wo Großaufträge im Ausland oft nur durch Bestechung zu bekommen seien. Ein Ombudsmann für den gesamten Konzern, wie Siemens ihn benannt hatte, sei viel zu wenig.

Die Belegschaftsaktionäre fordern außerdem, dass Großaufträge künftig von einer zentralen Gruppe geprüft werden sollten, die direkt beim Vorstandsvorsitzenden angesiedelt sein müsse. Darüber hinaus sprechen sie sich für eine unabhängige Kommission zur Aufklärung der Schmiergeld-Vorwürfe aus. Die von Siemens vor gut zwei Wochen einberufene Task Force, die verschärfte Richtlinien für den Gesamtkonzern ausarbeiten soll, untersteht Personalvorstand Jürgen Radomski, dem bislang das Compliance-Wesen des Konzerns zugeordnet ist. Mitarbeiter der Compliance-Abteilung waren jedoch ebenfalls in den Verdacht geraten, von dem illegalen Finanzsystem bei Siemens gewusst zu haben. Der Aufsichtsrat will nach seiner heutigen Sitzung detaillierte Pläne vorstellen, wie künftig Lücken in den internen Kontrollmechanismen aufgespürt und geschlossen werden sollen. Bei der Sitzung wird Konzernchef Klaus Kleinfeld zur Schmiergeldaffäre Stellung nehmen. Der Chef der Prüfungsgesellschaft KPMG, Rolf Nonnenmacher, soll außerdem darüber Auskunft geben, ob wegen der Affäre die Siemens-Geschäftsberichte der vergangenen Jahre überprüft und möglicherweise korrigiert werden müssen.

Im Ringen um eine Lösung für den insolventen Handyhersteller BenQ Mobile sind Gespräche mit einem Finanzinvestor vorangekommen. Eine Sprecherin des vorläufigen Insolvenzverwalters Martin Prager bestätigte das am Sonntag. Demnach hat der Interessent die Prüfung der Bücher bereits abgeschlossen. An diesem Montag will Prager die Beschäftigten informieren. Im Wesentlichen werde es dabei um die vereinbarten Transfergesellschaften für die 3000 von der Pleite betroffenen Beschäftigten gehen, sagte die Sprecherin. Auch der Stand der Dinge bei der Investorensuche werde kurz zur Sprache kommen. „Es wird aber noch kein Käufer verkündet.“ mit dpa

Nicole Huss

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