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Wirtschaft: Norwegen zeigt Auswege aus der Beschäftigungskrise

Was die Deutschen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit von anderen Nationen lernen können / Mut zu unpopulären ReformenVON JOBST-HINRICH WISKOWWährend die Arbeitslosigkeit in Deutschland zunimmt, geht sie anderswo zurück: um mehr als ein Drittel innerhalb der vergangenen fünf Jahre zum Beispiel in Dänemark, Neuseeland und Norwegen.Norwegen war der Aufsteiger im diesjährigen Beschäftigungs-Ranking, das der Münsteraner Ökonomie-Professor Ulrich van Suntum und seine Mitarbeiter im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung jüngst vorgelegt haben.

Was die Deutschen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit von anderen Nationen lernen können / Mut zu unpopulären ReformenVON JOBST-HINRICH WISKOWWährend die Arbeitslosigkeit in Deutschland zunimmt, geht sie anderswo zurück: um mehr als ein Drittel innerhalb der vergangenen fünf Jahre zum Beispiel in Dänemark, Neuseeland und Norwegen.Norwegen war der Aufsteiger im diesjährigen Beschäftigungs-Ranking, das der Münsteraner Ökonomie-Professor Ulrich van Suntum und seine Mitarbeiter im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung jüngst vorgelegt haben.Dabei verglichen die Wissenschaftler, in welchem Umfang 20 Staaten von der Arbeitslosigkeit betroffen sind und was sie dagegen tun.Norwegen beispielsweise hat seine Staatsausgabenquote von über 50 Prozent Anfang der 90er Jahre auf inzwischen 43 Prozent gesenkt - in Deutschland verharrt diese Quote seit Jahren um 48 bis 50 Prozent.Der Anteil der Langzeitarbeitslosen hat sich in Norwegen nahezu halbiert, jetzt ist noch jeder siebte Arbeitslose seit mehr als einem Jahr ohne Stelle.In Deutschland ist es etwa jeder zweite.Eine Ursache für die norwegische Erfolgsbilanz, so van Suntum: Die Regierung habe die Anreize für Arbeitslose verändert, wieder an einen Job zu kommen.Sie hat die Arbeitslosen-Unterstützung verringert, außerdem zahlen die Behörden das Geld nur noch kürzere Zeit.Freilich sind die norwegischen Leistungen im europäischen Vergleich immer noch ziemlich großzügig: Denn Arbeitslose erhalten zwei Drittel ihres letzten Nettogehalts, und das bis zu drei Jahre lang.Dafür indes müssen die Arbeitslosen jederzeit verfügbar sein.Wenn ein Arbeitsloser ein Weiterbildungs-Seminar ablehnt oder zu einem Vorstellungstermin nicht erscheint, kriegt er gar keine Unterstützung mehr.Allerdings sei es schwierig, nur ein einziges Land als Vorbild herauszupicken, sagt van Suntum.Zu unterschiedlich seien die Umstände - zum Beispiel zwischen dem Öl-Land Norwegen und Deutschland."Aber Grundideen lassen sich übertragen, so daß wir doch von anderen Ländern lernen können."Im aktuellen Beschäftigungs-Ranking liegt Deutschland auf Rang neun.Sieben der acht weiter vorn platzierten Länder haben eine geringere Staatsquote als Deutschland.Ebenfalls sieben dieser Länder weisen eine geringere Steuer- und Sozialabgabenquote auf.Nur zwei dieser Länder geben anteilmäßig mehr für aktive Arbeitsmarktpolitik aus als Deutschland.Alle acht Länder haben eine höhere Investitionsquote.Gelänge es, die Investitionstätigkeit zu beleben, so würde neben dem Beschäftigungseffekt auch die Kaufkraft gestärkt, sagt van Suntum."Das ist der Weg, den andere Länder mit Erfolg beschritten haben." Wichtigstes Mittel dabei sei eine Steuerreform, die die Spitzenbelastung senkt.Zudem müßten die Abgaben durchschaubarer werden: "Der Wust an Regulierungen schreckt ausländische Investoren ab." Dagegen sei die immer wieder - beispielsweise von den Gewerkschaften - geforderte vorrangige Stärkung der Massenkaufkraft ohne ein Mehr an Investitionen gefährlich: Sie verursache nur ein konjunkturelles Strohfeuer, sei teuer und löse kein einziges strukturelles Problem.Die vorbildliche Politik gegen die Arbeitslosigkeit müsse die strukturellen Probleme lösen.Neuseeland hat ähnlich gewirtschaftet wie die Norweger: Die Staatsquote ist weiter auf dem Rückzug, der Anteil der Langzeitarbeitslosen halb so hoch wie vor drei Jahren.Nur noch jeder sechste Arbeitslose hat länger als ein Jahr keine Stelle.Dafür machen die Münsteraner Volkswirte die redzuierten staatlichen Wohlfahrtsleistungen verantwortlich, die "das Arbeiten wieder attraktiver" machten - so wie in Norwegen.Daß Neuseeland inzwischen weltweit Reputation als Wirtschafts-Wunderland verdient, liegt größtenteils an der Reform des Arbeitsmarktes.Seit vor sieben Jahren das System der verbindlichen Flächentarifverträge abgeschafft wurde, können Unternehmen und Beschäftigte auf betrieblicher Ebene über die Lohnhöhe verhandeln.Der Vorteil: Die Ertragslage der einzelnen Firma spielt bei der Einigung eine gewichtige Rolle.Wenn das Geschäft schlecht läuft, können Arbeitslose ihre Arbeitskraft auch unter dem Tariflohn anbieten.Dänemark erhält Lob für seine Arbeitsmarktpolitik.Sie trug dazu bei, mehr Leute mit einem Job zu versorgen.Die Arbeitslosenquote geht seit fünf Jahren kontinuierlich zurück."Öffentliche subventionierte Arbeit ist besser als Arbeitslosigkeit", sagt van Suntum - freilich nur auf Zeit.Denn die aktive Arbeitsmarktpolitik koste auch viel Geld.Sie sei mit hohen Abgaben und einer hohen Staatsquote verbunden und drohe die private Investitionsbereitschaft zu lähmen.Diese Ausgaben lohnten sich nur, wenn die Programme eine Brücke zum regulären Arbeitsmarkt sind und den Einstieg in ein reguläres Arbeitsverhältnis erleichtern.In Deutschland dagegen verdienten Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in der Regel Tariflöhne - und kassierten damit mehr Geld als mancher Arbeitnehmer auf einem normalen Arbeitsplatz."Ohne Mut zu unpopulären Entscheidungen wird man kaum vorankommen", sagt van Suntum.Die Reformen seien unbequem.Kein einziges Land im Vergleichsfeld ist dem Ziel der Vollbeschäftigung näher gekommen mit einer expansiven Lohnpolitik, zunehmender Regulierung von Güter- und Arbeitsmärkten oder einem weiteren Ausbau des Sozialstaats.Ganz im Gegenteil führte ausnahmslos der gegenteilige Weg dazu, die Krake der Arbeitslosigkeit zurückzudrängen.Eine andere Hürde auf dem Weg zu mehr Arbeitsplätzen ist für van Suntum indes kaum zu überwinden: "Man braucht gut zehn Jahre, ehe die Reformen wirken.In Großbritannien erntet Tony Blair jetzt die Früchte, die Margaret Thatcher Ende der 70er Jahre Jahren gesät hat", meint van Suntum.

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