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Wirtschaft: Notenbanker haben Indikatoren im Visier - Kennzahlen bestimmen Zinspolitik und Börse-Geschehen

Immer wenn die Notenbanker tagen, stehen die Märkte unter Strom. Schon Wochen zuvor schwirren Gerüchte durch die Handelsräume.

Immer wenn die Notenbanker tagen, stehen die Märkte unter Strom. Schon Wochen zuvor schwirren Gerüchte durch die Handelsräume. Eine Frage erhitzt die Gemüter: Steigen die Zinsen, um Inflationsgespenster zu verscheuchen, oder sinken sie, um einen Aufschwung zu stützen und ihn vielleicht erst in Gang zu bringen? Sowohl die amerikanische Notenbank (Federal Reserve, kurz: Fed) als auch die Europäische Zentralbank (EZB) haben zwei erklärte Ziele: Erstens soll die Geldmenge angemessen steigen - ein Jahreswachstum von 6,1 Prozent, so viel wissen wir seit der jüngsten Zinserhöhung, beurteilt die EZB als unangemessen hoch. Zweitens darf die Inflation nicht zu stark klettern - was für Euroland mittelfristig höchstens zwei Prozent bedeutet.

Die Notenbanken beurteilen die Notwendigkeit zum Handeln und den Erfolg ihrer Politik anhand von Indikatoren. Jeder Indikator ist wie ein Puzzleteil für die amerikanische und die europäische Notenbank. Deren Mitglieder legen alle Stücke zusammen und leiten daraus geldpolitische Schritte ab. Deshalb reagieren die Marktteilnehmer auf wichtige Konjunkturzahlen - natürlich aber auch, weil sie sich ihren eigenen Reim auf die Daten machen.

Zurzeit nehmen sie die Zahlen noch kritischer unter die Lupe als sonst. Schließlich verspricht sich in Europa eine Konjunktur-Dampflok gemächlich in Bewegung zu setzen. In Amerika fährt der Konjunkturzug im neunten Jahr mit Hochgeschwindigkeit. Während die Märkte alle Zahlen für Euroland auf die beginnende Aufschwungtauglichkeit abklopfen, fragt man sich für die Vereinigten Staaten: Geht der Aufschwung weiter? Kann die Konjunktur mit Hilfe der Notenbank weich landen oder platzt eine Seifenblase am Aktienmarkt und bringt schwere Kursverluste? Die Analysten hier zu Lande und in den USA drehen und wenden deshalb jede Arbeitsmarktzahl, jeden Bau-Index und jede Produktivitätszahl, bis sie die Aussage erkennen - oder das, was dafür halten.

Mitunter übertreiben die Börsianer auch schon einmal mit ihren Reaktionen: Ein willkürliches Beispiel aus dem September: Mit dem überraschenden Anstieg der Auftragseingänge in der US-Industrie von plus 2,1 Prozent Anfang des Monats stecken die zuvor spärlich verdeckten Zinsängste wieder im Markt. Keine drei Tage später lässt die US-Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent die Marktteilnehmer aufatmen. Die Erzeugerpreise Mitte des Monats von plus 0,5 Prozent tragen ebenfalls zur Entspannung bei. Doch die Ruhe währt nicht lange: Ende des Monats packt die Händler erneut die Zinsangst - ein starker Yen, das Rekorddefizit der amerikanischen Handelsbilanz und eine Gewinnwarnung eines Computerkonzerns sorgen für allgemeines Zähneklappern.

Ein Investor sollte die Indikatoren deshalb genau beobachten. "In Euroland etwa werden bald die Ergebnisse von Tarifverhandlungen immer kursrelevanter", sagt Herbert Buscher vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Bislang wurde die Wirkung hoher Lohnabschlüsse in einem Land durch Abwertung der Währung gegenüber den anderen Ländern abgefedert. Mit der Einführung der Einheitswährung Euro, so Buscher, könnten Lohnunterschiede, die nicht an der Produktivität orientiert sind, nicht mehr durch Abwertung abgefedert werden. Dies wiederum dürfte zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition bei den betroffenenen Unternehmen eines Landes führen.

Wichtig für jedes Land ist auch der Index der Industrieproduktion, der nachweislich die Börse beeinflusst. Für die Vereinigten Staaten ist der Fall nach Ansicht der Analysten auch klar. Die Märkte und Alan Greenspan betrachten mikroskopisch genau die Daten zum Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zum geplagten Euroland sind auf der anderen Seite des Teiches Arbeitskräfte Mangelware. Schon ein geringer Anstieg der Stundenlöhne kann dann Druck auf die Preise ausüben, warnt Ulrich Beckmann, Analyst bei Deutsche Bank Research in Frankfurt am Main. Steigende Preise bedeuten inflationäre Tendenzen und rufen zumeist die Fed auf den Plan, die mit Zinserhöhungen droht. In Euroland liegen die Dinge nicht so einfach. Derzeit sauge sich die EZB wie ein Schwamm mit Daten voll, wie ein Analyst die Lage von Europas Währungshütern kommentiert. Das Problem der noch jungen Europäische Zentralbank: Es gibt kaum aussagekräftige Zeitreihen für die Geldmenge und andere wichtigen Indikatoren.

Felix Schönauer, Petra Schwarz

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