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Wirtschaft: Novartis erwägt Verkauf der Roche-Beteiligung

Was die Finanzmärkte bereits als Aufgebot zu einer neuen Pharma-Ehe feierten, endet offenbar in einer gütlichen Trennung: Ein halbes Jahr nach dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung am Baseler Lokalrivalen Roche denkt der Schweizer Pharmakonzern Novartis wieder an einen Verkauf des Aktienpakets. Das machte Novartis-Konzernchef Daniel Vasella in einem Gespräch mit dem Handelsblatt deutlich.

Was die Finanzmärkte bereits als Aufgebot zu einer neuen Pharma-Ehe feierten, endet offenbar in einer gütlichen Trennung: Ein halbes Jahr nach dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung am Baseler Lokalrivalen Roche denkt der Schweizer Pharmakonzern Novartis wieder an einen Verkauf des Aktienpakets. Das machte Novartis-Konzernchef Daniel Vasella in einem Gespräch mit dem Handelsblatt deutlich. "Wir wollen und können niemanden zu einer Zusammenarbeit zwingen", sagte Vasella. Falls sich mit Roche keine Zusammenarbeit in Teilgebieten ergebe und keine gemeinsamen Interessen verfolgt werden könnten, wäre es für Novartis nicht richtig, langfristig eine Blockierung umfangreicher finanzieller Mittel in Kauf zu nehmen. "Eine Gewinn bringende Desinvestition liegt dann auf der Hand", so Vasella.

Novartis, selbst 1996 aus der Fusion von Sandoz und Ciba-Geigy entstanden, hatte Anfang Mai vom Schweizer Bankier Martin Ebner für 4,8 Milliarden Schweizer Franken (rund 6,3 Milliarden Mark) einen Anteil von 20 Prozent am stimmberechtigten Kapital von Roche erworben. In der Finanzwelt wurde das als erster Schritt in Richtung Fusion interpretiert, obwohl das Roche-Management damals bereits eine Annäherung offen ablehnte. Vasella dagegen sprach von Beginn an von einer "Finanzinvestition mit strategischer Ausrichtung". Sie sollte einen Verkauf des Pakets an andere Pharmakonzerne verhindern und zugleich den Weg zu einer Kooperation mit Roche ebnen. Entsprechende Verhandlungen blieben in den vergangenen Monaten jedoch erfolglos.

Es gebe keine Gespräche mit Roche, bestätigte Vasella. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich schließlich noch eine Zusammenarbeit ergibt, was uns wiederum dazu zwingt, die Investition und den erforderlichen langen Atem zu hinterfragen." Für einen Verkauf des Aktienpakets an Roche gebe es aber keine aktuellen Pläne, betonte Vasella. Das könne sich über Jahre hinziehen. Man wolle weiterhin nicht, dass ein anderes Pharmaunternehmen das Aktienpaket erwerbe. Zudem hofft Vasella auf eine Kurserholung bei Roche: Bei einem Verkauf der Aktien zum aktuellen Kurs würde Novartis einen Verlust von rund 800 Millionen Schweizer Franken (sfr) machen. "Wenn sich Novartis kurzfristig vom Roche-Anteil trennt, wäre das ein Eingeständnis, dass man eine falsche Entscheidung getroffen hat", sagte Analyst Matthias Fehr von der Bank Lombard Odier.

Novartis steht nicht unter finanziellem Druck, die Beteiligung wieder zu verkaufen. Der Konzern ist mit flüssigen Mitteln von netto mehr als sieben Milliarden sfr ins zweite Halbjahr gestartet. Mit dem Geld will Vasella die Novartis-Pharmasparte auch durch Zukäufe von Firmen und einzelner Produkte verstärken. Für dieses Jahr rechnet Novartis mit einem weiteren Anstieg beim operativen Gewinn sowie einem stabilen Finanzergebnis von etwa 1,2 Milliarden sfr. Das Wachstum der Pharmasparte werde voraussichtlich im Gesamtjahr 15 Prozent erreichen. Vasella sieht Novartis in der momentanen Verfassung dafür gerüstet, auch ohne Zukäufe den Umsatz in den kommenden fünf Jahren um durchschnittlich mehr als zehn Prozent zu steigern, obwohl sich die Zulassung mehrerer wichtiger Produkte verzögern wird. Für die Geschäftsbereiche Selbstmedikation (OTC), Tiergesundheit und Ernährung signalisierte Vasella Interesse an Kooperationen.

Zwar halte der Konzern im OTC-Geschäft eine Führungsposition in Europa und sei weltweit Nummer Fünf, "aber die Vorteile, die man durch eine stärkere Präsenz im Vetrieb und geringere Kosten erreichen kann, sind nicht zu unterschätzen". Novartis folgt damit der Strategie einiger angelsächsischer Pharmakonzerne, die sich zuletzt stärker auf das Arzneimittelgeschäft konzentrierten und zugleich in den Kauf marktreifer Neuentwicklungen investierten. Novartis selbst hat Ende vorigen Jahres 2,7 Milliarden sfr in den Erwerb des Herpes-Medikaments Famvir und vor wenigen Monaten weitere 700 Millionen sfr. für den Kauf der Lizenz eines noch in Entwicklung befindlichen Cholesterin-Senkers investiert.

Der Zukauf von Medikamenten folge dem Zwang zum Wachstum, räumt Vasella ein. Dieser werde durch den Ausbau der Vertriebsmannschaften und durch die Ansprüche des Kapitalmarkts ausgelöst. Novartis stehe aber nicht unter Handlungsdruck, obwohl der Konzern in den vergangenen Monaten mehrere Enttäuschungen bei Neuzulassungen verkraften musste. So verzögert sich die Einführung der Neuentwicklungen Zelnorm (gegen Reizdarm), Xolair (Asthma) und Zomaril (gegen Schizophrenie) deutlich. "Es ist auch ohne Zukäufe möglich und wahrscheinlich, dass wir in den nächsten fünf Jahren ein durchschnittliches jährliches Pharma-Wachstum im zweistelligen Bereich erzielen", sagte Vasella. Voraussetzung sei, dass man keine in der Entwicklung befindlichen Wachstumsträger verliere.

bef, shf

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