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Wirtschaft: Nukleare Kraftspiele

Ein neues Energiegesetz soll in den USA den Bau von Atomkraftwerke fördern – mit hohen Subventionen

Von John J. Fialka Die bevorstehende Verabschiedung einer umfassenden Energiereform durch den USKongress könnte sich für die Atomindustrie als die beste Nachricht seit Jahren erweisen. Eine wesentliche Frage ist dabei, ob sie das Resultat erbringt, das sowohl von der Industrie als auch von Präsident George W. Bush gewollt ist: eine ernsthafte Wiederbelebung der Atomenergie.

Das Gesetz, dessen Entwurf in dieser Woche verabschiedet worden ist, sieht Direktsubventionen im Umfang von mindestens 1,5 Milliarden US-Dollar (1,24 Milliarden Euro) vor, um eine neue Generation von Atomkraftwerken zu fördern, sowie die Aussicht auf weitere staatliche Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe, um sicherzustellen, dass die Werke finanziellen Rückhalt an der Wall Street erhalten.

Das Gesetz schafft eine rechtliche Grundlage sowie finanzielle Anreize für den Bau neuer Atomkraftwerke. Laut John Kane, Senior Vice President des Nuclear Energy Institute ( NEI), das die Betreiber der 103 US-Atomkraftwerke vertritt, wird das Gesetz „die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Atomenergie bei der Absicherung unserer zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung eine Rolle spielt.“

Auch Präsident George W. Bush setzte sich nachdrücklich für ein von der Regierung gestütztes Programm ein, das Werksbetreiber gegen Verluste schützt, die durch Verzögerungen bei den Genehmigungsverfahren und der Vergabe von Betreiberlizenzen entstehen. Ob das ausreichen wird, um den Bau einer neuen Generation von Atomkraftwerken zu starten, die sicherer und leichter zu betreiben sind und gleichzeitig einen besseren Schutz gegen terroristische Bedrohungen gewährleisten, muss sich erst zeigen.

Dennoch denken einige Versorgungsunternehmen, die mit Atomenergie vertraut sind, schon weiter. Das in New Orleans ansässige Unternehmen Entergy betreibt zehn Atomkraftwerke, die 52 Prozent des Strombedarfs der Stadt erzeugen. Dort ist man nach Angaben des Vize-Chefs Carl Hebert jr. „optimistisch und hoffnungsvoll“, als erster Betreiber die Lizenz für ein neues Werk zu erhalten.

Im Falle eines Baus rechnet Entergy mit Kosten von circa zwei bis 2,5 Milliarden US-Dollar. Das ist mehr, als ein vergleichbares kohle- oder erdgasbetriebenes Werk kosten würde – ein Faktor, der berücksichtigt wird, ebenso wie die Möglichkeit, dass der Kongress im Laufe des nächsten Jahrzehnts strengere Regulierungen für den Ausstoß von Kohlendioxid beschließen könnte. Kohlendioxid gilt als wesentlicher Verursacher der globalen Erwärmung.

Die Atomenergie wird auch als eine Absicherung gegen die Möglichkeit eines weiteren Preisanstiegs bei Erdgas gesehen. Nachteilig ist die lange Genehmigungs- und Bauzeit der Werke. An dieser Stelle greift jedoch das noch zu verabschiedende Energiegesetz. Für neue Werke wird die nach dem Price-Anderson Act auf neun Milliarden US-Dollar beschränkte Haftung bei nuklearen Unfällen ausgedehnt. Ferner sieht es für den Bau der ersten sechs neuen Werke Steuerfreibeträge vor. Das entspricht den Anreizen, die für Windenergieanlagen gelten. Das Gesetz beinhaltet auch Steuerabschreibungen bis zu 1,2 Milliarden Dollar, um die Kosten für einen sicheren Abriss oder eine Stilllegung ausgleichen zu können. Wie Theodore Roosevelt IV., Managing Director bei der US-Investmentbank Lehman Brothers, erklärt, hätten die Betreiber bereits begonnen, Wall Street zu umwerben.

Allerdings, so fügt er hinzu, sind Finanzanalytiker weiterhin in Sorge um das ungelöste Atommüllproblem und die Verbreitung von gefährlichem Nuklearmaterial. Hinzu kommt die Sorge um staatliche Subventionen. „Das Thema Subventionen macht mich nervös“, sagt Roosevelt, „ich denke, diese Anlagen sollten auf eigenen Füßen stehen“. Nichtsdestotrotz hat der Kongress seiner Ansicht nach einen Prozess angestoßen, den andere, insbesondere jene, die sich um Klimaveränderungen sorgen, wohl „durchdenken“ müssten. „Wir sollten nicht zulassen, dass die zukünftige Energiepolitik durch alte Tabus bestimmt wird“, so Roosevelt.

Texte übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Irak), Matthias Petermann (US-Energiegesetz), Christian Frobenius (US-Gewerkschaften, Mugabe)

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