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Wirtschaft: Nur gegen Vorkasse

Eine verlässliche Zivilrechtsordnung wird es auf absehbare Zeit im Irak nicht geben. Worauf deutsche Unternehmer bei einem Engagement achten sollten

SONDERTHEMA: RECHT & STEUERN

Der Krieg ist vorbei, aber der Irak kommt nicht zur Ruhe. Nahezu täglich erschüttern Meldungen über Anschläge die Weltöffentlichkeit. Gleichzeitig ist der Bedarf an Investitionen aller Art im Irak gewaltig – eine heikle Situation auch für Geschäftsleute. Doch ungeachtet dieser Gefahren versuchen seit Monaten Wirtschaftsunternehmen aus aller Welt, sich lukrative Aufträge beim Wiederaufbau des Landes zu sichern.

Zunächst bestand bei vielen Unternehmern die Befürchtung, dass neben den US-Unternehmen Firmen aus den ehemaligen Kriegsgegnerstaaten Deutschland, Frankreich und Russland nicht zum Zuge kommen würden. Doch diese Sorge hat sich als unbegründet erwiesen. Siemens zum Beispiel hat den Auftrag erhalten, im Norden des Landes ein Mobilfunk-Netz zu errichten – und auch zahlreiche mittelständische Unternehmen aus Deutschland sind kräftig im wiedererblühten Irak-Geschäft engagiert.

Nichtsdestotrotz bleiben außergewöhnliche Risiken bei einem Engagement im Irak – auch auf vertraglicher Ebene. In vielen Fällen wird für mittelständische deutsche Unternehmen ein US-amerikanisches Unternehmen der Vertragspartner sein, der das deutsche Unternehmen als Subunternehmer beauftragt. In diesem Fall wird auf den zu schließenden Vertrag zumeist US-Recht Anwendung finden. Hat ein deutsches Unternehmen allerdings eine irakische Firma als Vertragspartner gefunden, empfiehlt es sich, den Vertrag soweit als möglich von der irakischen Rechtsordnung und der irakischen Gerichtsbarkeit abzukoppeln. Denn trotz der Verabschiedung der demokratischen Übergangsverfassung kann auf absehbare Zeit nicht davon ausgegangen werden, dass im Irak eine verlässliche Zivilrechtsordnung besteht.

Mit der Vereinbarung einer Schiedsklausel wird ein etwaiger Rechtsstreit insgesamt der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Durch sie vereinbaren die Parteien bereits im Ausgangsvertrag, dass für etwaige Streitigkeiten ausschließlich ein frei vereinbartes Schiedsgericht und nicht die staatlichen Gerichte zuständig sein sollen. Nach den bisherigen Erfahrungen kann man davon ausgehen, dass eine Schiedsgerichtsabrede der Vertragspartner auch in Zukunft von den staatlichen irakischen Gerichten respektiert wird. Empfehlenswert ist es, in der Schiedsklausel zugleich Ort und Sprache des Gerichtsverfahrens sowie die von den Schiedsrichtern anzuwendende Verfahrensordnung festzulegen. Wegen der aktuellen Situation im Irak ist ein Schiedsort außerhalb des Landes vorzuziehen. Als Schiedsordnungen bieten sich vor allem diejenigen der internationalen Handelskammer in Paris (ICC) und der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) an.

Schwierigkeiten können sich allerdings bei der Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs im Irak ergeben. Dies betrifft zum Beispiel den Anspruch auf Bezahlung der gelieferten Maschinen oder der erbrachten Dienstleistungen. Die Probleme liegen vornehmlich darin begründet, dass für die nächste Zeit nur mit einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit der irakischen Rechtspflege einschließlich ihrer Vollstreckungsorgane gerechnet werden kann. Bei der Vertragsgestaltung sollte man deshalb darauf achten, dass die Bezahlung erbrachter Leistungen durch andere Mittel als die Anrufung der Gerichte sichergestellt wird. So kann der Vertrag etwa vorsehen, dass Vertragsleistungen nur gegen Vorkasse oder gegen Stellung der Bürgschaft einer Bank aus einem Drittstaat erbracht werden müssen.

In Deutschland nicht vollstreckbar

Als eine Alternative zu einer Schiedsklausel kann auch ein ausschließlicher Gerichtsstand staatlicher Gerichte außerhalb des Irak gewählt werden. In diesem Fall bleibt es zwar bei der Zuständigkeit staatlicher Gerichte zur Lösung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien. Nur wird von den Parteien vorab festgelegt, dass das zuständige Gericht nicht im Irak, sondern in einem Drittstaat, zum Beispiel in der Schweiz, gelegen ist. Sowohl nach der deutschen als auch nach der irakischen Rechtsordnung ist eine solche Gerichtsstandsvereinbarung nach der derzeitigen Rechtslage zulässig. Sollte sich ein vom Vertragspartner angerufenes irakisches Gericht über eine derartige Gerichtsstandsvereinbarung hinwegsetzen, wäre das Urteil dieses Gerichts in Deutschland nicht vollstreckbar. So wäre der deutsche Unternehmer jedenfalls vor der Vollstreckung unberechtigter Zahlungsansprüche in Deutschland geschützt.

Schließlich ist es dringend zu empfehlen, in einen Vertrag mit einem irakischen Partner eine Rechtswahlklausel aufzunehmen und das auf den Vertrag anzuwendende Recht vertraglich festzulegen. Soweit sich hierbei das dem deutschen Unternehmer vertraute deutsche BGB / HGB nicht durchsetzen lassen sollte, bietet sich die Vereinbarung einer „neutralen“ Rechtsordnung, zum Beispiel das Schweizer Recht, an. Gerade für den Fall, dass der Vertrag eine Schiedsklausel enthält, könnte sich auch die Vereinbarung des UN-Kaufrechts empfehlen, das sowohl Deutschland als auch der Irak in ihre Rechtsordnung übernommen haben.

In jedem Fall ist es ratsam, das Problem der Anwendung eines fremden Rechts durch eine möglichst vollständige vertragliche Regelung zu entschärfen, die von vornherein sicherstellt, dass sämtliche Probleme, die zwischen den Parteien einmal streitig werden könnten, bereits abschließend im Vertrag geregelt werden. Das betrifft insbesondere die Beschreibung der zu erbringenden Leistungen, die Vereinbarung der Zahlungs- und Lieferbedingungen, die Mängelgewährleistung und den Zeitpunkt der Abnahme der geschuldeten Leistung.

Zwingende Vorschriften des nationalen Rechts, wie zum Beispiel zum irakischen Grundstücksrecht, können jedoch auch durch eine Rechtswahlklausel im Vertrag nicht umgangen werden. Die provisorische Verwaltung (CPA) im Irak unter der Leitung des US-Amerikaners Paul Bremer hat allerdings gleich nach Kriegsende nahezu alle gesetzlichen Investitionshindernisse beseitigt. Irakische und ausländische Investoren werden nun vor dem Gesetz nahezu vollständig gleich behandelt.

Ein Relikt ist jedoch geblieben: das Verbot für ausländische Investoren, Privateigentum an Grund und Boden zu erwerben. Sie müssen sich vorerst mit der Möglichkeit begnügen, ein Nutzungsrecht an einem Grundstück zu erwerben, das zunächst auf maximal 40 Jahre begrenzt ist. Eine Verlängerung dieses Nutzungsrechts ist allerdings jederzeit möglich.

Der Verfasser ist promovierter Rechtsanwalt in Berlin-Mitte mit Zulassung im US-Bundesstaat New York und dem Tätigkeitsschwerpunkt Internationales Vertragsrecht. Im Internet: www.anwaltskanzlei-rodegra.de.

Jürgen Rodegra

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