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Wirtschaft: Nur volle Geldkoffer sind willkommen

Weil das Steuerabkommen mit der Schweiz in der Schwebe ist, zahlen eidgenössische Banken Deutschen ungern Bargeld aus.

Seit Anfang Oktober steht fest: Ein Schweizer Referendum gegen das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen in der Fassung April 2012 wird es nicht geben. Von Schweizer Seite dürfte damit einer Ratifizierung nichts mehr im Weg stehen. Anders in Deutschland. Hier sieht es gegenwärtig nicht so aus, dass die dafür erforderliche Mehrheit im Bundesrat erreicht werden wird. Doch das kann sich mangels vernünftiger Alternativen noch ändern.

Wie stellt sich gegenwärtig die Situation für einen Anleger mit deutschem Wohnsitz dar, der noch auf einem Schweizer Konto Geld deponiert und die Erträge in Deutschland bislang nicht versteuert hat? Dies fragt sich nicht nur Rainer M., der vergeblich versucht hat, Geld von seinem Schweizer Konto abzuheben.

„Mittlerweile haben die meisten Schweizer Banken deutschen Kontoinhabern mit deutschem Wohnsitz die Barauszahlung verweigert“, sagt Walter Frei, auf Steuerfragen und Amtshilfethemen spezialisierter Rechtsanwalt in der Züricher Sozietät Bill Isenegger Ackermann AG.

Und wie soll Rainer M. nun an seine Einlagen aus Einkünften kommen, die er ursprünglich in Deutschland einmal versteuert hatte? „In einem solchen Fall dürfte die Selbstanzeige grundsätzlich der richtige Weg und nahezu in jedem Fall günstiger sein als die Abgeltungssteuer nach dem möglicherweise noch zu erwartenden Steuerabkommen“, sagt Walter Frei. Sie muss allerdings richtig vor- und aufbereitet und für das Finanzamt nachvollziehbar dargestellt sein. „Dann wird sie in aller Regel auch so durchgehen.“ Weitere Nachteile hat der Steuerpflichtige im Allgemeinen nicht zu befürchten. Es gibt keinen sogenannten „Schwarzen Reiter“, führte der auf grenzüberschreitende Steuerfragen spezialisierte Steuerberater Peter Lüthgen auf einem Züricher Symposion im Sommer aus. Dabei unterliegen die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige durchaus der gerichtlichen Kontrolle, so dass die Annahme nicht etwa – wie einige Medien berichteten – von Finanzämtern wegen zu zahlreicher Eingänge respektive öffentlicher Diskussionen verweigert werden könnte. Eine Selbstanzeige kann aber durchaus weitreichendere Folgen haben, denn sie muss alle bislang nicht erklärten Einkünfte umfassen. Sie ist zudem dann risikoreich, wenn mit Blick auf die Einkünfte strafrechtliche Aspekte eine Rolle gespielt haben. „In solchen Fällen dürfte das anonyme pauschalierte Abgeltungssteuerverfahren nach dem Steuerabkommen die bessere, wenn auch weitaus teurere Alternative sein“, sagt Lüthgen.

Auch für bestimmte Berufsgruppen wie Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, Finanzbeamte kann eine Selbstanzeige wegen möglicher berufsrechtlicher Konsequenzen problematisch sein.

Von einem Geldtransfer in andere Länder, wie etwa Singapur, Südafrika oder die Türkei, wird nicht nur angesichts der Entwicklungen zum OECD-Musterabkommen abgeraten. „Hier werden zukünftig wohl Informationspflichten im Amtshilfeverfahren zum Tragen kommen, wonach den Vertragsstaaten ermöglicht würde – trotz Bankgeheimnis –, über den Weg der Gruppenanfragen weitreichende Informationen zu erhalten“, sagt Heiko Kubaile, Leiter German Tax und Legal Center, KPMG AG Zürich. Über Gruppenanfragen sollen Kontoinhaber aufgrund bestimmter Verhaltensmuster identifiziert werden.

Auch die Schweiz hat jetzt Gruppenanfragen zugestimmt, die allerdings erst mit dem Inkrafttreten des Steueramtshilfegesetzes voraussichtlich im Januar 2013 zum Tragen kommen sollen. Damit sind deutsche Anleger mit undeklarierten Vermögenswerten zukünftig einem erhöhten Entdeckungsrisiko ausgesetzt. „Ohne Steuerabkommen wird der Druck noch größer werden“, vermutet Heiko Kubaile.

Die Schweizer Banken fürchten bei einem Scheitern des Steuerabkommens mit Deutschland, dass die deutschen Anleger massenhaft ihr Geld aus der Schweiz abziehen könnten. Sollte das Abkommen scheitern, „müssten die Kunden mit erhöhter Unsicherheit rechnen. Ich fürchte, dass es deshalb zu einer starken Fluchtbewegung aus der Schweiz kommen wird“, sagte der Präsident der Schweizerischen Bankiersvereinigung, Patrick Odier, dem „Handelsblatt“. Noch gebe es aber keinen Exodus deutscher Kunden. Das Abkommen mit Berlin sieht unter anderem vor, dass illegal in die Schweiz transferierte Vermögen pauschal nachversteuert werden und Kapitalanlagen deutscher Steuerzahler bei Schweizer Banken genauso besteuert werden wie im Inland. SPD und Grüne lehnen das Abkommen ab und wollen es im Bundesrat stoppen, weil es nach ihrer Auffassung Steuerhinterziehern zu viele Schlupflöcher bietet.(mit AFP)

Gisela Demberg

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