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Wirtschaft: Öffentliche Unternehmen: Ungleiche Schwester der Post

Erschrecken und Erstaunen liegen dicht beieinander in diesen Tagen. Besonders, wenn es um öffentliche Unternehmen geht.

Erschrecken und Erstaunen liegen dicht beieinander in diesen Tagen. Besonders, wenn es um öffentliche Unternehmen geht. Da verkündet die Deutsche Bahn AG, dass ihr plötzlich und unerwartet Defizite von 1,8 Milliarden Mark und mehr pro Jahr ins Haus stehen. Zum Verdruss des Steuerzahlers wird die Bahn wohl auf Jahre hinaus ein Milliardengrab bleiben. So weit der Schrecken. Staunen können wir hingegen über die Deutsche Post AG. Sie wird ab Montag an der Börse notiert sein, mit echten Investor Relations, Hauptversammlungen und Dividendenzahlungen an die Aktionäre. Und natürlich, ohne dies wäre alles nichts, mit der Aussicht auf prächtige Gewinne. Welch ein Kontrast - hier der Sanierungsfall Bahn, dort die Erfolgsgeschichte Post.

Dass sich die beiden Staatsunternehmen auf dem Weg in die Privatwirtschaft so unterschiedlich entwickelt haben, ist kein Zufall. Die Post musste sich weitaus weniger von der Politik ins Geschäft dreinreden lassen als die Bahn. Zudem waren bei ihr die richtigen Leute zur richtigen Zeit am Werk. Und, ganz entscheidend: Einer ihrer wichtigsten Produktionsfaktoren wurde nicht über Jahrzehnte von der Politik vernachlässigt und dem Verfall preisgegeben - wie das Schienennetz der Bahn. An diesen drei Punkten müssen Hartmut Mehdorn und der Eigentümer Bund ansetzen, soll es eines Tages auf dem Frankfurter Börsenparkett neben der T-Aktie und der Aktie Gelb auch eine B-Aktie von der Bahn geben.

Die Ausgangsbedingungen für die beiden Ex-Monopolisten waren gleichwohl ähnlich: Beide sind auf Wachstumsmärkten tätig - die Mobilität hat seit Beginn der 90er Jahre enorm zugenommen; die Logistikbranche profitiert vom wachsenden grenzüberschreitenden Handel. Beide haben früher hoheitliche Aufgaben erledigt, in denen Wettbewerb nicht gewollt oder für unmöglich angesehen wurde - entsprechend ineffiziente Strukturen mit hohen Kosten, dürftigem Service und mäßiger Qualität hatten sich in den Jahrzehnten zuvor herausgebildet. Und beide Staatsunternehmen mussten einen hohen Personalbestand mit sich herumschleppen.

Doch der Weg aus dem Verschwendungs-Sumpf gelang der Post weitaus schneller und überzeugender. Hilfreich dabei war die Aufspaltung der ehemaligen Deutschen Bundespost in die drei Sparten Postdienst, Telekom und Postbank Ende der 80er Jahre - damit vollzog die Politik etwas, für das Management-Gurus erst eine Dekade später die Bezeichnung "Fokussierung auf Kerngeschäfte" erdachten. Die Sanierung der Post vollzog sich zudem vergleichsweise geräuschlos - allein bei der Schließung von Postämtern hagelte es Proteste von der Kundschaft, die allerdings heute verklungen sind, da es viele Postagenturen als Alternative gibt. Und, nicht zu vergessen: Die Post durfte nach Herzenslust Unternehmen im Ausland aufkaufen und sich international als Deutsche Post World Net positionieren. Das Risiko für die Unternehmensführung war überschaubar - im Inland sprudelten ja die Monopolgewinne aus dem Briefgeschäft.

Die Bahn hatte es schwerer. Sie durfte nicht so frei und ungezwungen agieren, weil die Politik ihr einen Auftrag erteilte, der unlösbar erscheint: Einerseits sollte sie eine Bürgerbahn sein, die auch den hintersten Winkel des Landes regelmäßig anfährt. Andererseits sollte sie eine Börsenbahn werden, die dem Finanzminister regelmäßig schöne Gewinne überweist. Dieser Spagat konnte und kann nicht funktionieren, solange bei jedem Fahrplanwechsel und jeder Neubaustrecke Politiker aus Städten und Landkreisen ein Wörtchen mitreden dürfen.

Der lange Arm der Politik reichte sogar bis in die Unternehmensspitze hinein, die vor dem Amtsantritt Hartmut Mehdorns stets eher nach Parteizugehörigkeit als nach Führungsqualität besetzt wurde. So leistete sich die Bahn teure Fehlentscheidungen. Die Investitionsmittel flossen in überteuerte Prestigeprojekte von oft zweifelhaftem Nutzen für den Bahnfahrer. Und gleichzeitig fehlten die Milliarden für ein modernes Schienennetz, weil Kanzler und Verkehrsminister dem Auto huldigten. So steckt im Zeitalter von Satellitenkommunikation und Internet noch immer Stell- und Signaltechnik aus Kaisers Zeiten in der Infrastruktur der Bahn. Soll sie aus der Misere kommen, braucht sie jetzt zunächst einmal viel Geld, um dieses Manko zu beheben. Zweitens muss sie endlich wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen agieren dürfen, ohne sich um Proteste aus der Politik scheren zu müssen. Und drittens muss es faire Bedingungen für den Wettbewerb geben - sowohl für den zwischen Schiene und Straße, als auch für den zwischen der Deutschen Bahn und ihren Konkurrenten. Sonst wird es die Bahn der Post nie gleichtun - und dem Steuerzahler bleibt ein Schrecken ohne Ende.

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