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Gustav Horn.

© picture alliance / dpa

Ökonom Gustav Horn zur Umverteilungs-Debatte: „Die Löhne müssen steigen“

Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Brauchen wir mehr Umverteilung? Der Ökonom Gustav Horn fordert weitreichende Reformen.

Selten hat ein ökonomisches Sachbuch ein solches Aufsehen erregt wie Thomas Pikettys „Capital in the 21st Century“. Das Thema Ungleichheit bewegt die Menschen – auch in Deutschland. Denn die Ungleichheit der Einkommen hat im Vergleich zu den neunziger Jahren drastisch zugenommen. Auch wenn sich einige darüber hinwegtrösten, dass dieser Prozess seit 2005 mit einer verbesserten Beschäftigungsentwicklung weitgehend zum Stillstand gekommen ist, gilt, was auch die OECD in ihrem jüngsten Deutschland-Bericht feststellt: Die Früchte des Wachstums kommen selbst bei mittleren Einkommen nicht hinreichend an. Noch dramatischer ist die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung. Das alles empfinden viele Menschen zu Recht als ungerecht.

Die Ursachen dieser Spaltung sind vielfältig. Es mischen sich langfristige demografische Tendenzen wie die Zunahme der Alleinerziehenden, die aufgrund ihrer Erziehungsarbeit nur wenig Einkommen durch Erwerbsarbeit erzielen können, mit kurzfristigen Ereignissen wie der Finanzmarktkrise, in der vor allem die Gewinneinkommen einbrachen, was auf pathologische Weise der Gleichheit kurzzeitig förderlich war. Insgesamt zeigt sich aber, dass, wie auch Piketty feststellt, die Lohnzuwächse teilweise deutlich hinter den Renditezuwächsen für Kapital zurückbleiben. Schon dies begründet eine Grundtendenz zur Umverteilung zugunsten der bereits Wohlhabenden. Denn Kapitaleinkommen sind im oberen Einkommensbereich konzentriert. Dies kann – und das passiert derzeit in Deutschland – durch einen starken Beschäftigungszuwachs überlagert werden, der die Arbeitseinkommen stärker steigen lässt. Dies hat dazu geführt, dass die Ungleichheit der Einkommen seither leicht zurückgegangen ist.

Bemerkenswert ist aber, dass gleichwohl die Ungleichheit der Nettoeinkommen der Haushalte, also das, was letztlich in den Geldbörsen nach Abzug der Steuern und Abgaben und dem Hinzufügen staatlicher Transfers ankommt, trotz höherer Beschäftigung nicht gesunken ist.

Aus diesem Befund lassen sich mehrere Schlüsse ziehen: Wer die Ungleichheit vermindern will, muss zum einen über eine entsprechende Arbeitsmarktpolitik die Beschäftigten stärken, um höhere Lohnzuwächse zu ermöglichen. Die Einführung eines Mindestlohns ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zum anderen muss auch das Steuer- und Abgabensystem reformiert werden, das hohe Einkommen und Vermögen begünstigt. So ist die Steuer- und Abgabenbelastung der zehn Prozent mit den höchsten Einkommen niedriger als die der nachfolgenden Einkommensgruppen. Das zeigt: Die Bekämpfung der Ungleichheit erfordert weitreiche Reformen. Ob der politische Wille derzeit hierzu besteht, ist aber zweifelhaft.

Gustav Horn (60) leitet das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung und lehrt an der Universität Duisburg-Essen.

Gustav Horn

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